Medizynicus Arzt Blog

Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

Archive for Juni 2009

Sterbenhelfen, aber richtig!

with 6 comments

Die Sache mit der Sterbehilfe gehört offenbar zu den wenigen Dingen, die man in der Schweiz ein wenig lockerer sieht als anderswo. Ansonsten sind die Schweizer ja nicht unbedingt für ihre Lockerheit bekannt, und so vollzieht sich auch das Sterbenhelfen nach klaren Regeln.
Deshalb schließt der Kanton Zürich jetzt einen Vertrag. Das berichtet das Deutsche Ärzteblatt.
In dem Vertrag steht drin, wie künftig richtig ordnungsgemäß gestorben wird:
Welches Medikament als einzig zugelassenes „Sterbemittel“ verwendet werden darf.
Und daß zwei Personen anwesend sein müssen, darunter ein „Freitodbegleiter“, welcher für seine Dienste fünfhundert Fränkli berechnen darf.

Written by medizynicus

30. Juni 2009 at 12:00

Der Blutwurstwitz

with 9 comments

Bad Dingenskirchen, morgens um halb acht. Medizynicus balanciert ein Tablet über den Krankenhausflur. Darauf befindet sich alles, was man braucht um seine Patienten zu piesacken: Ein Sortiment von Nadeln, Tupfer, Pflaster, Desinfektionsspray. Und etwa zehn Plastikbecherchen. In jedem davon stecken ein, zwei oder drei mit Namen beschriftete Plastikröhrchen.
Kenner wissen Bescheid: Medizynicus dreht seine allmorgendliche Blutabnahmerunde.
„Der Vampir ist wieder unterwegs!“ grummelt Oma Tiedeböhl und humpelt schnell in ihr Zimmer.
Das war der Vampirwitz.
Geschätzte siebenhundertdreißigtausendmal gehört.
Medizynicus klopft am nächsten Krankenzimmer und tritt ein.
„Guten Morgen, die Herren…“
„Guten Morgen, Herr Doktor!“ schmettert mir Herr Mühlbauer entgegen, ein stattlich gebauter Mittsechziger mit KHK und akuter Bronchitis.
Dann krempelt er sein Hemd hoch, macht eine Faust, streckt mir seinen Arm entgegen und dreht den Kopf in die andere Richtung.
„Gibts bei Euch heute wieder Blutwurst?“
Das war der Blutwurstwitz.
Geschätzte achthundertneununddreißigtausendmal gehört.

Written by medizynicus

30. Juni 2009 at 08:35

Michael Jackson ist tot. Na und?

with 3 comments

Der King of Pop starb an einer Medikamenten-Überdosis. Und damit ist er in guter Gesellschaft, viele andere Größen aus dem Showbusiness haben sein Schicksal geteilt. Drogen- und Medikamentenabhängigkeit gehört in der High Society zum guten Ton.
Monsterdoc hat es auf einen Punkt gebracht: Es muss Ärzte geben, die ihm das Zeug verschrieben und besorgt haben. Ärzte, die gerne mitgespielt haben, weil es nun einmal schön ist, in dieser Glitzerwelt dabei zu sein.
Nein, zum Thema Jacko und Co ist schon viel, vielleicht zuviel, zumindest aber alles Notwendige gesagt worden.
Schön, dass das Thema Medikamentenmissbrauch wieder einmal in den Schlagzeilen ist.
Wenn es um ganz gewöhnliche Menschen geht – wie etwa meine Nachbarin dann interessiert das keine Sau…

Written by medizynicus

29. Juni 2009 at 11:59

Veröffentlicht in Gehört und gelesen

Alkoholiker gibts nicht. Nicht beim Arzt und nicht im Krankenhaus.

with 6 comments

Visite. Zwei Ärzte stehen vorm Krankenbett, über die Akte gebeugt und unterhalten sich halblaut.
Nuschelnuschelnuschel.
Der Patient bemüht sich, etwas zu verstehen.
„Hä?“
„Kurzen Moment noch!“
„Könnt Ihr mir vielleicht sagen, was mit mir los ist?“
„Gleich. Sofort.2
Und es wird weitergenuschelt.
Der Patient spitzt seine Ohren und kann ein paar Worte auffangen:
Von „Zeh-Zwo“ ist da die Rede oder von „Zeh-Zwo-Abusus“, und dann von „alimentär bedingter Gastritis“ und „äthyltoxischen Leberveränderungen“.
Manche Dinge sind halt kompliziert, denkt der Patient, die Ärzte haben ja schließlich studiert.
Der Patient weiß nicht, daß „Zeh-Zwo“ die Kurzform für „ZehZwoHaFünfOhHah“ ist, wohinter sich C2H5OH verbirgt, die chemische Formel für Alkohol.
Würde man dieses Wort aussprechen, dann wäre der Patient im Bilde.
Er weiß, daß er ein Problem damit hat. Er weiß, dass er zuviel trinkt und deswegen etwas tun muß.
Aber da redet man ja nicht drüber. Auch nicht im Krankenhaus.
Der eine der beiden Weißkittel blickt auf.
„…und bei der Aufnahme, da bestand erheblicher Foetor…“
„Foetor aethylicus ex Ore?“ fragt der Andere.
Der Kollege nickt.
Foetor bedeutet „Gestank.“
Und „Foetor aethylicus ex Ore“ bedeutet: Der Patient stank aus dem Hals nach Alk.
Aber so etwas sagt man ja nicht.
Dazu ist man zu höflich.
Die beiden Ärzte grinsen den Patienten an.
„So, Herr Maier, wie gehts uns denn heute?“

Written by medizynicus

29. Juni 2009 at 08:24

Die Bundesärztekammer will die Praxisgebühr abschaffen…

with 4 comments

…das schreibt das Deutsche Ärzteblatt. Wogegen ich nichts einzuwenden hätte – vor allem weil es extrem nervig ist, nachts im Dienst in der Ambulanz einem Patienten zu erklären, daß er jetzt eigentlich zehn Euro löhnen müsste, weswegen er demnächst vom Krankenhaus eine Rechnung bekommen wird.
Die einen fangen nämlich an zu diskutieren. Und die anderen, die braven ehrlichen Patienten wedeln gleich mit ihrem Zehner, worauf ich ihnen erklären muss, dass ich ihnen das Geld leider nicht abknöpfen kann da ich erstens kein Wechselgeld und zweitens keinen Zugang zur Kasse habe und ihm drittens auch keine Quittung geben kann.

98ug54dphr
Technorati Profile

Written by medizynicus

28. Juni 2009 at 15:30

Veröffentlicht in Alltagswahnsinn

Tagged with , , ,

Mal im ernst: Weshalb man sich beim Arzt ausziehen muss…

with 2 comments

Meist zu Anfang des fünften Semesters – also im dritten Studienjahr – beginnt für den Medizinstudenten der Ernst des Lebens. Nach viel Theorie wird man nun zum ersten Mal auf Patienten losgelassen und lernt, wie man einen Menschen richtig untersucht.
Mit Stethoskop, Taschenlampe und Reflexhammer ausgerüstet will man sich ein Bild über den Patienten machen. Die Untersuchungstechniken sind teilweise Jahrhunderte alt und – und werden, in modifizierter Form immer noch genau so angewandt. Manches davon wirkt ein wenig wie ein Ritual (zum Beispiel das berühmte Zunge herausstrecken und „A-Sagen“). In vielen Ländern wird auch im Abschlussexamen das Beherrschen dieser Techniken überpfüft: Der angehende Arzt muss unter Beobachtung einen Patienten untersuchen.
Das A und O ist die Sorgfalt – und die Übung. Gerade am Anfang ist es wichtig, dass man sich an ein festes Schema hält, um nichts zu übersehen.
Dazu gehört, daß man den Patienten vollständig untersucht.
Ich kenne Chefs „der Alten Schule“ welche darauf bestanden, daß jeder, grundsätzlich jeder Patient im Krankenhaus bei der Aufnahmeuntersuchung auch „rektal“ untersucht wird, also Finger in den Hintern um im Enddarm nach Hämorrhoiden oder Tumoren zu suchen.
Das ist nicht schön.
Aber auf diese Weise habe ich einmal bei einer Patientin einen bislang unbekannten Darmtumor entdeckt. Der Dame hat es nichts genutzt – sie ist trotzdem verstorben. Aber hätte ein Kollege vielleicht ein paar Jahre zuvor ein anderer Kollege daran gedacht und den Widerwillen der Patientin – und seinen eigenen Widerwillen überwunden, dann wäre die Patientin vielleicht noch am Leben.
Und was die Brustuntersuchung angeht:
Ich habe schon einige – nicht viele, aber immerhin mehrere – junge Frauen – noch keine dreißig Jahre alt – an Brustkrebs sterben sehen.

Written by medizynicus

28. Juni 2009 at 07:00

Ausziehen beim Arzt… Mythos und Wirklichkeit

with 7 comments

Also, diese eine Sache möchte ich gerne ein für alle Male klarstellen: Wir Ärzte geilen uns nicht daran auf, unsere Patientinnen anzuglotzen. Das haben wir nämlich gar nicht nötig. Zumindest die Meisten von uns nicht. Also:
Wenn wir eine Patientin untersuchen – egal ob atemberaubend schöne junge Frau oder altes Großmütterchen, dann sind gewisse Teile unseres Hirns routinemäßig abgeschaltet. Anders würde es gar nicht gehen. Wir Ärzte leben davon, daß ihr Patienten und Patientinnen Vertrauen zu uns habt. Gewisse Dinge sind uns übrugens genauso unangenehm wie Euch. Und dann gibt es noch Dinge, die Euch unangenehm sind, über die wir aber mit einer gewissen professionellen Nonchanance hinweggehen: Dinge, vor denen Ihr Euch vielleicht ekelt: Körperausscheidungen aller Art, verdreckte und infizierte Wunden, Blut in jeder Form und schrecklich zugerichtete menschliche Körper, die Details erspare ich Euch hier. Auch damit haben wir gelernt, zu leben, weil wir nämlich, wie schon erwähnt, gewisse Teile unseres Hirns manchmal routinemässig ausschalten. Und trotzdem sind wir Menschen geblieben.
Jedenfalls die meisten von uns.

Written by medizynicus

27. Juni 2009 at 10:24

Zwei komma sieben Promille oder: mit einem Bein im Knast

with 7 comments

Freitag Abend, kurz nach zehn, es ist mal wieder so weit. Unten in der Ambulanz stehen zwei Herren in Grün mit einem ertapptem Sünder im Schlepptau. Er ist ihnen aufgefallen, als er beim Ausparken zunächst die beiden Fahrzeuge links und rechts angerempelt hat bevor er mit Kavalierstart losgebraust ist, dann in leichten Schlangenlinien auf die Kreuzung zu und als er dann wohl im Rückspiegel den Streifenwagen hinter sich entdeckte ist er noch schnell bei Rot über die Ampel.
Genützt hat es ihm trotzdem nichts.
„Tja, ist wohl ein ziemlich klarer Fall von Lappen weg…“ meinte der Pfleger Marvin vorhin am Telefon.
Er könnte Recht haben.
Die beiden Gesetzeshüter wirken etwas genervt. Einer von ihnen reicht mir ein Formular und ein kleines Päckchen mit einem speziellen Blutabnahme-Set: Das Desinfektionsmittel darf natürlich keinen Alkohol enthalten, sonst könnte die Messung verfälsch werden.
„…Tach Herr Dokta… nen verdammt schönen Abend wünsch ich Ihnen!“ lallt der Patient.
Aber dann ist es mit der Freundlichkeit vorbei.
Als ich ihm die üblichen Fragen stelle, schüttelt er vehement den Kopf.
„Ich sage…. nix!“ beschließt er und unterstreicht das Statement mit einer entschiedenen Handbewegung.
„Nix ohne meinen Anwalt! Und eure lächerlichen Turnübungen, die mache ich schon gar nicht!“
Na schön. Dann kreuze ich halt „Untersuchung verweigert“ an.
„Also gut. Dann würde ich Ihnen gerne einmal Blut abnehmen…“
„Haaalt! Nix da! Das ist Körperverletzung!“
Kurzer Blick zu den beiden Gesetzeshütern. Die verdrehen die Augen.
„Guter Mann, Sie haben jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder Sie sind mit der Blutentnahme einverstanden…“
„Bin ich nicht…“
„…oder Sie kommen jetzt mit zur Wache…“
„Ich komme nirgendwohin mit!“
„Wenn Sie sich jetzt Blut abnehmen lassen würden, wäre es für alle Seiten besser…“
„Ihr Scheißbullen könnt mich mal…“
Der eine Polizist atmet hörbar ein.
„Guter Mann, wenn Sie sich jetzt Blut abnehmen lassen, dann haben wir den letzten Satz nicht gehört!“
Das wirkt.
Der Betrunkene nuschelt etwas Unverständliches, setzt sich immerhin und streckt seinen Arm aus, ohne mich dabei anzuschaun. Immerhin hat er gute Venen. Die meisten Besoffenen für Polizei-Blutproben haben gute Venen.
„Sie sind also einverstanden?“ frage ich.
Keine Antwort.
Kurzer Blickkontakt zu den beiden Polizisten, dann lege ich los.
„Auuuutsch!“
Er zieht seinen Arm weg, die Kanüle fliegt auf den Boden und das Blut spritzt durch die Gegend. Der Patientl aufspringen, aber die beiden Polizisten haben darauf schon gewartet, einer drückt ihn auf den Stuhl, der andere biegt seinen Arm gerade. Ich steche zum zweiten Mal zu, kriege mein Blut, schnell ein Pflaster drauf und fertig.
„Ihr Schweine! Ihr verfluchten Drecksschweine!“ brüllt er noch, während er abgeführt wird, „Ich verklage Euch! Jawohl, ich verklage Euch alle! Das war Körperverletzung!“
„Wo er Recht hat, hat er Recht!“ sagt Pfleger Marvin leise zu mir.

Written by medizynicus

26. Juni 2009 at 11:23

„So, dann machen Sie sich schon mal frei…“ – über das Ausziehen beim Arzt

with 14 comments

„…So, und dann machen Sie sich mal frei…“
Der Satz gehört zu den Standardfloskeln, mit denen man beim Arzt- oder Krankenhausbesuch rechnet.
Ein Arzt muss, wenn er seinen Job anständig machen will, den Patienten untersuchen. Nicht unbedingt immer, aber halt imme wieder mal.
Nun liegt es in der Natur der meisten Menschen, daß man sich nicht gerne auszieht im Beisein eines fremden Menschen – von bestimmten Berufsgruppen einmal ausgenommen, auf die ich aber hier nicht näher eingehen will.
Die Frage ist also: Wie frei muss und sollte man sich eigentlich machen? Wo liegt die Grenze? Muss man als Frau den BH ausziehen?
Das kommt natürlich auf die Krankheit – oder vielmehr auf den Untersuchungsanlass an.
Wenn es um Husten, Bronchitis oder Asthma geht, dann möchte ich natürlich die Lunge abhören.
„Dazu braucht man sich doch nicht auszuziehen!“ meinte ein Kollege, „Gerade bei etwas tüddeligen älteren Damen… die sollen ihre Bluse von mir aus an behalten…“ meinte ein Kollege.
Das Problem ist: Durch eine Bluse oder im Winter womöglich noch verschiedene Schichten Kleidung kann man mit dem Stethoskop nicht viel hören. Dann kann man die Untersuchung auch gleich sein lassen.
„Bei mir muss sich jeder Patient ausziehen!“ sagte ein anderer Kollege, „…und dazu gehört auch, daß jede Frau den BH ablegt. Kann bei jungen Frauen ja auch ein ganz hübscher Anblick sein…“
Nun ja, dieser Kollege sollte sich sehr genau überlegen, ob er sein Vorgehen medizinisch rechtfertigen kann. Und er kann von Glück sagen, dass ihn noch niemand angezeigt hat.
Der Kollege wurde ein wenig rot.
„…immer wieder kommt es vor, dass Frauen an Brustkrebs sterben, weil sie sich nie getraut hat, ihre Brust untersuchen zu lassen!“ fügte er schnell hinzu.
Womit er allerdings Recht hat.

Written by medizynicus

26. Juni 2009 at 07:30

Blogroll-Update (5)

leave a comment »

Hinter der sperrigen Bezeichnung „Tagebuch eines Studienplatzbewerbers“ versteckt sich der sympathische Der Zivi Frank, welcher über seinen Weg zum Studium bloggt. Eigentlich mag ich diese Medi-Learn Blogs ja nicht: Da gibt es ziemlich viele von, alle im identischen langweiligen Design (Wobei ein minimalistisches Design ja eigentlich ein Vorteil ist) und sie verlinken sich auschließlich untereinander, sind quasi ein Klübchen für sich. Vor allem aber sind die meisten inhaltlich immer gleich: Hast Du eins gelesen, kennst du alle.
Frank ist eine herzerfrischende Ausnahme.
Sein Blog ist wirklich witzig geschrieben – es geht natürlich um den Stationsalltag aus der Sicht eines Zivi, garniert mit Photos.
(Und Dank an den Herrn Pfleger für den Tipp!)

Written by medizynicus

25. Juni 2009 at 21:53

Veröffentlicht in Ein Herz für Blogs