Archive for Mai 2010
Blogosphären-Review Mai 2010
Es macht Spaß, mein Blog zu schreiben und genausoviel Spaß, andere Blogs zu lesen. Ohne die Kommentare und das Feedback meiner Leser würde mir das Bloggen nicht halb so viel Spaß machen und genausoviel Spaß fine ich daran, die Blogs meiner werten Kollegen zu kommentieren und back zu feeden. Aus diesem Grunde möchte ich hier und heute eine neue Tradition begründen. Einmal im Monat, und zwar jeweils am letzten Tag, kurz vor Mitternacht, werde ich an dieser Stelle eine Art Sammelfeedback abgeben über all das, was mir in den von mir gelesenen Blogs aufgefallen ist. Ich beschränke mich dabei zunächst auf diejenigen Blogs, die sich mit Gesundheitsthemen beschäftigen sowie auf Beiträge zu Gesundheitsthemen in Nicht-Gesundheitsblogs. Jedes Blogosphären-Review wird auf ungefähr zweihundert Worten etwa fünf Blogs beschreiben, manchmal auch mehr, manchmal auch weniger. Vielleicht wird es auch alles ganz anders… mal sehen… also… Vorhang auf….
Der Andere Hausarzt gehört seit Langem schon zu meinen Lieblings-Blogs, weil er in fast jedem Beitrag den Nagel genau auf den Kopf trifft, und zwar in einer bedächtigen, unprätentiösen Art. Im Mai begann er eine Serie über Reisemedizin und auch Dr. Kunze hatte wieder seinen allmonatlichen Auftritt.
Monsterdoc stand im Mai ganz im Zeichen der Phantasie-Expedition zum Mount Everest. Im Stil eines Multi-Author-Thrillers wurde unter Bezeiligung zahlreicher Mitblogger am 18.5. endlich der Gipfel erklommen, anschließend gönnt man sich dann einen wohlverdienten Urlaub.
Ein weiteres vielversprechendes Gemeinschaftsprojekt zwischen Monsteroc und der Kranken Schwester ist übrigens der seröse Podcast. Ich bin schon auf die Fortsetzungen gespannt, die erste Folge war ja wohl eher ein Testballon.
Die Kranke Schwester ist übrigens nach langer Zwangspause wieder zurück im Job und steht jetzt an einem spannenden Scheideweg – ich bin gespannt, wie es weitergeht und wünsche ihr auf jeden Fall viel Glück und Erfolg!
Die Neuentdeckung des Monats war Herr Hellimhals, der Anästhesist aus Schweden. (Er legt übrigens wert darauf, dass er den Namen nicht vom Rippenspreizer übernommen hat, sondern umgekehrt), aber die Beiträge sind authentisch, echt und toll geschrieben.
Noch rasanter geht’s natürlich, wie immer bei Josephine, der Heldin im Chaos zu. Ihr Vorbild Roy Bash vom House of God hat sie längst in den Schatten gestellt. Wo sie in ihrem rasanten Alltag die Zeit und die Muße zum Bloggen hernnimmt, wird wohl auf ewig ihr Geheimnis bleiben.
Was gab’S sonst noch im Mai? Tagesprotokolle gab’s auf mehreren Blogs, zum Beispiel bei Sophie Sternenmond, Hellimhals und Doc Brown.
Die Sache mit den Gesundheitskosten… (Teil 5)
Okay, Leute, gehen wir also noch einen Schritt weiter:
Wir wissen, dass Fiesofliximab, also Miraculin (die Verrwirrung mit den zwei verschiedenen Medikamentennamen ist übrigens auch gewollt!) nur dann optimal wirkt, wenn es gleich zu Beginn der Infektion mit dem Friesolo-Virus gegeben wird. Nun ist es so, dass sich das Frühstadium des Frieselfiebers klinisch nicht von einer gewöhnlichen Erkältung oder einem grippalen Infekt unterscheiden läßt: Halsweh, Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, vielleicht etwas Husten, vielleicht auch nicht…
Soll also von nun an jeder Mensch, der an Erkältungssymptomen leidet, mit Miraculin behandelt werden?
Nun hat die Firma Miraculopharm (welche, nebenbei gesagt, übrigens auch das Miraculin herstellt) einen Schnelltest auf Friesolo-Antigen entwickelt. Der ist zwar deutlich günstiger als das Miraculin, kostet aber auch etwa hundertfünfzig Euro!
p.s.: Leute, kauft Aktien von Miraculopharm!
kleines Gesundheitskosten-Gedankenexperiment (Teil 2)
Miraculin – bei dem Wirkstoff handelt es sich übrigens um den monoklonoaer Antikörper Fiesofliximab (für die echten Cracks unter Euch: was für eine Art von monoklonalem Antikörper?) – ist ein zugelassenes Medikament.
Die Wirksamkeit wurde in entsprechenden Studien nachgewiesen.
Damit wird sie von den Krankenkassen zur Behandlung der chronischen Fiesofrieselose erstattet – vorausgesetzt die Diagnose ist entsprechend gesichert.
Monoklonale Antikörper sind übrigens wirklich so teuer – Therapiekosten von mehreren tausend Euro pro Woche kommen durchaus vor. Noch teurer kann es bei einigen seltenen Stoffwechselerkrankungen werden, wo tatsächlich lebenslänglich irgendwelche Substanzen substituiert werden müssen.
Die Kasse wird also vermutlich zähneknirschend zahlen.
Interessant sind allerdings ein paar weitere Gedankenspiele.
Zum Beispiel:
Frau Wondraschek ist Kettenraucherin. Seit ihrem sechzehnten Lebensjahr quarzt sie ein bis zwei Packungen am Tag weg.
„Wenn Sie das Miraculin nehmen, werden Sie aber damit aufhören müssen!“ sagt Prof. Dr. Clark Kent Kal-El.
„Warum?“
„Das Medikament wirkt nur bei Nichtrauchern!“
„Wirklich?“
„Nun ja… wenn Sie weiter rauchen, werden Sie die dreifache Menge nehmen müssen. Das kostet die Kasse dann natürlich natürlich nicht zweitausend sondern sechstausend Euro pro Tag.“
„Ist mir doch egal! Wozu habe ich mein Leben lang Beiträge bezahlt?“
Was darf Gesundheit kosten? – Gedankenexperiment Nr. 1
Stellen wir uns vor…
…Frau Wondraschek fühlt sich nicht wohl. Schon seit Monaten mäandert sie von einem Arzt zum Anderen, und niemand kann ihr helfen. Alle möglichen Untersuchungen hat man schon gemacht: Röntgen, Ultraschall, Schläuche in alle Körperöffnungen, mehrmals wurde sie in die Röhre geschoben und immer wieder Blutentnahmen.
Und jetzt hat sie einen Termin bei Herrn Professor Dr. Clark Kent Kal-El in der Uniklinik von Gothamhausen. Drei Tage lang hat sie hier stationär gelegen, und wieder wurden alle möglichen Untersuchungen angestellt und jetzt sitzt sie im privaten Untersuchungszimmer des Professors und wartet darauf, dass man ihr die Ergebnisse mitteilt.
Der Herr Professor lehnt sich in seinem schwarzen Ledersessel hinter dem Schreibtisch zurück, rückt seine Brille gerade und macht ein ernstes Gesicht.
Frau Wondraschek kippelt nervös auf ihrem Stühlchen hin und her.
Der Herr Professor räuspert sich.
Frau Wondraschek reibt sich nervös die Hände.
„Sie haben eine Fiesofrieselose!“
„Ähem… und ist das schlimm?“
„Bei der Fiesofrieselose handelt es sich um die chronische und sehr gefährliche Form des fiesen Frieselfiebers.“
„Aha?“
„Unbehandelt verläuft diese Erkrankung so gut wie immer tödlich.“
„Aber Sie können mir helfen?“
Der Herr Professor räuspert sich noch einmal.
„Nun ja…“
„Ja?“
„Also, da gäbe es das Miraculin…“
„Und das werden Sie mir jetzt verschreiben?“
Der Herr Professor seufzt.
„Wenn das so einfach wäre, Frau Wondraschek, wenn das so einfach wäre…“
„Gibt es da Probleme?“
„Sie müssen das Miraculin jeden Tag einnehmen. Ihr Leben lang. Eine Tablette kostet zweitausend Euro. Ob die Krankenkasse das bezahlen wird?“
Wie viel Gesundheit können wir uns leisten?
In Deutschland droht der Ärztemangel, werden Politiker und Lobbyisten aller Parteien und Schattierungen nicht müde, gebetsmühlenartig zu wiederholen, wieder und wieder.
Stimmt gar nicht, sagt Medizynicus.
Ärztemangel gibt’s in Bangla Desh, Haiti und Spelunkistan. Selbst in den abgelegensten Ecken von Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen nicht. Okay, da gibt’s weniger Ärzte als in Starnberg oder Blankenese, aber pro Kopf der Bevölkerung dürften es nicht weniger sein als in anderen dünnbesiedelten Regionen westlicher EU-Länder.
Und was machen diese Ärzte? Leben retten, Kuren und Massagen verschreiben. Die ältere Dame, die eigentlich kerngesund ist zur Sicherheit mal stationär aufnehmen, vielleicht hat sie ja doch was, kann man ja nie wissen in dem Alter.
All das kostet: Über dreitausend Euro gibt jeder Deutsche pro Jahr für seine Gesundheit aus, statistisch gesehen. Und neunzig Prozent davon in seinem letzten Lebensjahr: Medikamente gegen Krebs gehören zu den teuersten Mittelchen, die es gibt. Da fragt sich nicht nur ein Krankenkassen-Controller, wieviel Geld man für einen gewonnenen Tag Leben oder Lebensqualität ausgeben darf.
Bis vor kurzem gab es – hier in Deutschland – ein Dogma: Alles was medizinisch möglich ist, muss gemacht werden. Wer seinem Patienten eine Therapie aus Kostengründen vorenthält, handelt unethisch, unärztlich, gehört vor den Kadi, an den Pranger und verliert die nächste Wahl.
Aber wie lange noch?
Wie lange kann man ohne Arzt leben?
Bei der Durchsicht meiner Suchbegriffe finde ich immer wieder mal wahre Perlen:
wie lange kann man ohne arzt leben
Das ist doch ein Highlight! Eine sehr philosophische Frage.
Aber wie lange kann man denn nun ohne Arzt leben?
Es soll Hundertjährige geben, die in ihrem ganzen Leben noch nie einem Weißkittelhalbgott begegnet sind und all ihre Wehwehchen mit Pfefferminztee und heißer Zitrone kuriert haben. Andererseits ist es unbestritten, dass die Erreichbarkeit einer guten medizinischen Versorgung die Lebenserwartung erheblich verlängert. Und hier reden wir von „moderner“ Medizin, also Schulmedizin, nicht von schamanischer Kräuterheilkunde, Bachblüten oder Schüssler-Salzen. Für Letztere ist nämlich gar nichts bewiesen, übrigens auch nicht dass sie nicht wirkt.
Nun gibt es in unserer Gesellschaft jene Zeitgenossen, die alle paar Wochen wegen irgendwelcher Kleinigkeiten zum Doktor rennen und – da der Doktor schließlich nicht als Blödmann dastehen will – in ihrem Krankenblatt eine beachtliche Zahl von Diagnosen angesammelt haben.
Und dann gibt es die oben erwähnten knorrigen Gestalten, die Ärzten grundsätzlich aus dem Weg gehen.
Wer lebt nun länger?
Ich weiß es nicht. Aber es wäre ein interessanter Forschungsgegenstand…