Archive for Juni 2010
Blogosphären-Review Juni 2010
…ja, was also hat sich in diesem Monat getan in der Szene der deutschsprachigen Gesundheitsblogs?
- Okay, das große Thema des Monats spielt sich ziemlich weit unten im Süden ab, wo jetzt Winter ist. Mehrere Blogger haben sich auf mehr oder weniger witzige Weise mit der Balltreterei beschäftigt (Mein Favourite: das Straßenverkehrsamt-Fake, welches seit einiger Zeit durchs Netz geistert, zum Beispiel beim Krangewarefahrer), aber Medizynicus hält sich da raus, hat er versprochen. Wobei die Blog-WM natürlich ganz was anderes ist, da ist Medizynicus noch drin, und zwar im Viertelfinale.
- Pharmama berichtete in mehreren sehr informativen Artikeln über die Interaktionen von Medikamenten mit Nahrungsmitteln, angefangen von Alkohol, Koffein, Nikotin bis hin zu Milch.
- Der EBM-Anwender meldet sich nach fast zweijähriger Blogpause wieder, jetzt als frischgebackener Doktor. Herzlichen Glückwunsch!
Außerdem habe ich eine ganze Reihe von Neuentdeckungen zu vermelden:
- Neonatalie , eine Kinderkrankenschwester auf einer Neugeborenenstation
- Hammer oder Spritze – das erste Honorararzt-Blog, brandneu seit 14. Mai.
- Arzt 4 Emfpänger bloggt schon seit Dezember 09 unregelmäßig, derzeit regelmäßiger. Seine Themen sind allgemeine Kommentare zum Gesundheitswesen. Viel über sich selbst gibt er nicht preis.
- Arzt Wehr Dich ist ein Hausarzt aus Baden und schreibt über den Frust, von diversen Bürokraten verschaukelt zu werden, somit inhaltlich ein wenig ähnlich wie Dr.Geldgier, um den es in der letzten Zeit etwas stiller geworden war.
- Rettungsschnepfe, ein weiteres Rettungsdienstler-Blog
Dem steht ein tief betrauerter Verlust entgegen: Der INTensivling hat angekündigt, mit dem Bloggen aufzuhören. Schade, vielleicht überlegst Du es Dir ja nochmal. Allerdings sind die Gründe auch nachzuvollziehen…
Zum Schluss noch ein Hinweis in eigener Sache:
Ich habe meine Blogroll überarbeitet und hoffe, einen wenn auch nicht vollständigen aber möglichst umfassenden Überblick zu bieten. Wer noch andere empfehlenswerte Blogs (eigene oder Selbstgelesen) kennt, den bitte ich um Nachricht!
Wieviel dürfen wir Ärzte verdienen?
Die heißen Diskussionen um diesen und diesen Artikel habe gezeigt: Wenn’s ums Geld geht, hört der Spaß auf. Und was man in den Medien über das Thema ist, ist widersprüchlich.
Also, jetzt mal Hand aufs Herz: Wieviel Geld sollen, wollen und dürfen wir Ärzte eigentlich verdienen?
Wir haben eine lange Ausbildung. Aber ehrlich gesagt: das Studium war schon eine tolle Zeit, wir haben zwar nix verdient, aber die meisten von uns sind halbwegs ohne Schulden durchgekommen, dank Eltern-Finanzierung oder Nebenjobs oder Beidem. Ich habe zwar kein Bafög gekriegt, kenne aber genug, die es gekriegt haben und keiner hat sich je über die Last der Bafögschulden beklagt. In anderen Ländern ist das bekanntlich anders.
Okay, dann also der erste Job. Was man da verdient?
Hab ich hier vor ein paar Monaten schonmal drüber berichtet. Nicht königlich, aber es reicht zum überleben. Lehrer, Juristen und andere Akademiker verdienen im öffentlichen Dienst auch nicht mehr.
Interessant ist, wie es dann weitergeht. Mit Glück hat man nach fünf, sechs oder sieben Jahren seine Facharztprüfung bestanden.
In der Wirtschaft wäre man dann vielleicht reif für den Posten eines Abteilungsleiters oder so. Im Krankenhaus heißt sowas Oberarzt. Und da verdient man so um die sechs Mille brutto. Manchmal mehr, manchmal weniger.
Prinzipiell eigentlich ein ordentliches Gehalt.
Damit kann man prinzipiell zufrieden sein.
Wenn die Arbeitsbedingungen stimmen.
Was von einem Oberarzt verlangt wird? Theoretisch Vierzigstundenwoche… plus Dienste, die werden dann nämlich nicht mehr extra vergütet, wobei es sich hier meist um Hintergrunddienste handelt. Also: man schläft im eigenen Bett, muss aber raus, wenn’s Handy klingelt.
Und das ist der entscheidende Punkt: was einen auffrisst, sind nämlich diese Dienste. Ob man nun bei Anruf nachts in die Klinik muss oder zum Hausbesuch ist sich da gleich.
Achtelfinale in der Blog-WM
Leute, es geht um die Wurst, ich brauche dringend Eure Stimmen! Diesmal ist die Konkurrenz wirklich hart!
So, Ende der Durchsage, es gibt heute auch wieder einen richtigen Beitrag. Versprochen.
Es könnte so schön sein…
… wir alle sind ganz lieb zueinander:
Wir Krankenhausdocs ärgern uns nicht mehr über die Hausärzte.
Die Hausärzte ärgern sich nicht mehr über uns Krankenhausdocs.
Wir alle arbeiten unsere vierzig Stunden pro Woche, werden dafür anständig bezahlt und haben anschließend Feierabend. Natürlich müssen wir auch weiterhin Dienste machen, aber am Morgen danach haben wir um acht Uhr frei.
Auch die in der ambulanten Versorgung tätigen Kollegen brauchen nicht mehr um Patienten zu kämpfen, sie kriegen nämlich auch ein festes Gehalt, vielleicht soviel wie einer unserer Oberärzte oder ein bißchen mehr und dafür haben sie dann ebenso geregelte Arbeitszeiten. Und wenn sie Notdienst haben, haben sie anschließend frei. Warum eigentlich nicht?
Bürokraten gibt es auch nicht mehr. Alle Krankenkassen sind fusioniert und neunzig Prozent aller Verwaltungshanseln sind umgeschult worden und arbeiten jetzt direkt mit Patienten.
Ach ja.
Nee, war nur’n Traum…
Wieviel Diagnostik braucht der Mensch?
Die Kommentare auf diesen Artikel aus der letzten Woche haben mir zu denken gegeben. Und heute berichtet der Spiegel Online über den Fall einer jungen Frau, welche sterben musste weil die Hausärztin ihre Beschwerden als „psychisch“ abgetan hat anstatt den fortgeschrittenen Darmkrebs zu diagnostizieren.
In meinem Beispiel ging es um einen jungen Mann, der wegen unklarer Abdominalbeschwerden stationär eingewiesen wurde, nachdem der Hausarzt ihn zuvor längere Zeit erfolglos behandelt hatte.
Wir führten alle Untersuchungen durch, die in so einem Fall sinnvoll sind: Blutentnahmen, Sonographie, Gastroskopie, Coloskopie und letztendlich noch ein CT. Die gesamte Diagnostik verläuft unauffällig.
Keine pathologischen Befunde.
Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder der Patient hat irgendeine geheimnisvolle, seltene Krankheit und wir wir dummen Dorfdoktoren aus dem Kreiskrankenhaus Bad Dingenskirchen sind einfach nicht schlau genug um sie zu finden.
Oder der Patient ist – zumindest rein körperlich gesehen – gesund.
Welche von den beiden Möglichkeiten zutrifft, wissen wir nicht.
Die zweite Aussagen trifft wesentlich häufiger zu. Und ist damit wahrscheinlicher.
In der Medizin – und nicht nur dort – gibt es einen Grundsatz: häufige Sachen sind häufig und seltene Sachen sind selten. Samuel Shem drückte es in seinem Buch „The House of God“ etwas poetischer aus: Wenn Du draußen Hufgetrappel hörst, denke zunächst an Pferde und nicht an Zebras.
Das Zebra, das ist der seltene Nebennierentumor.
Die Pferde, das sind die „funktionellen Beschwerden“.
Damit beschreibt man eine Krankheit, deren Ursache man nicht kennt und die man auf psychosomatische Zusammenhänge zurückführt.
Das Tückische daran ist, daß man psychosomatische Zusammenhänge nur in den seltensten Fällen eindeutig beweisen kann, obwohl es eigentlich ganz logisch auf der Hand liegt: Streß, Ärger und Ängste machen krank.