Archive for September 2010
Blogosphären-Review September 2010
Auch in diesem Monat habe ich wieder ein paar neue Blogs entdeckt:
- Sophie bloggt über ihre „Chirurgischen Anfänge“
- Life’s Medical – eine Medizinstudentin aus Freiburg
- Neurostatus – noch eine Medizinstudentin
- Teilzeitoptimistin – Büroalltag einer Krankenhaussekretärin aus Wien
…währnd die Bloggerszene einen herben Verlust hinnehmen musste, nämlich die Anästhesistin Anna-8er-Tubus, die plötzlich und unerwartet verschwunden ist, aber jetzt als Kinomaniac über ein ganz anderes Thema bloggt.
Ach ja… und ich fand es schön, Einige von Euch persönlich kennengelernt zu haben! Bis zum nächsten Mal!
glückliche Ärzte
Dass manche Ärzte unglücklich sind, ist hinlänglich bekannt. Aber was ist mit den Anderen? Gibt es glückliche Ärzte?
Klar gibt’s die. Einige von ihnen bloggen sogar. Als da wären:
- Josephine-Chaos: glückliche Familienmutter und Gynäkologin mit Teilzeit-Beschäftigungsvertrag
- Aufschneiderin Avialle: jung und optimistisch mit klarem Ziel vor Augen
- Patrick „Hell im Hals“: nach Schweden ausgewandert – dort gibt’s zwar deutlich weniger Geld als in Deutschland (gemessen an der Kaufkraft), aber wesentlich bessere Arbeitsbedingungen.
- Holzhammer-Kormak: hat sein Schicksal selbst in die Hand genommen, als Honorararzt, selbstbestimmt, auf eigenes Risiko. Seither sieht er den alltäglichen Wahnsinn viel lockerer.
- Und dann gibt es noch den Anderen Hausarzt. Auch er wirkt zufrieden.
Diese Kolleginenn und Kollegen sind so unterschiedlich wie es unterschiedlicher nicht sein könnte. Und doch haben sie etwas gemeinsam. Gibt es also so etwas wie ein Rezept zum Glücklichsein?
Vielleicht. Was braucht man dazu?
Zunächst einen Job, der einem Spaß macht. Wer nur deshalb Medizin studiert hat, weil er halt einen entsprechend guten NC hatte oder weil das „in der Familie so üblich war“, sollte sich früh genug eine entsprechende Nische suchen, die den eigenen Neigungen entspricht (Und solche Nischen gibt es!). Wer sich seinen Studienplatz gegen Widerstände hinweg erkämpft und das Studium unter schwierigen Bedingungen durchgezogen hat mit einem klaren Ziel vor Augen hat hingegen gute Karten.
Und dann braucht man einen Job, der einem Luft zum Leben läßt: Stressige Dienste machen mir (zumindest manchmal) richtig Spaß – tödlich hingegen ist der Tag danach, wenn man mit dunkeln Augenringen weiterarbeiten muss. Und noch tödlicher ist es, wenn man wegen ständiger Dienstbelastung keine Zeit für Privatleben und nichtmedizinische Hobbies hat (zum Beispiel Bloggen). Also: Teilzeit-Verträge aushandeln, wenn irgendwie möglich. Oder zumindest auf die Einhaltung der Arbeitszeitrichtlinien achten.
Wichtig ist das Gefühl, halbwegs das Heft in der Hand zu haben und nicht Sklave der Umstände zu sein. Wer es geschafft hat, in eine Leitungsposition aufzusteigen ist zufriedener als jemand, der sein Leben lang der „Ewige Zweite“ ist.
Ach ja, und dann ist da noch das liebe Geld… aber das ist wieder ein ganz anderes Thema…
Was soll die Kasse zahlen?
Aus. Schluß. Vorbei. Mehr Geld gibt’s nicht.
Die Arzthonorare sind hoch genug, behaupten die Politiker.
Wer sich mit unserem Gesundheitssystem beschäftigt, weiß: es gibt eine Menge Einsparungspotentiale bei Pharmaindustrie und Bürokratieabbau. Aber selbst wenn jemals politisch durchsetzbar sein sollte, hier konsequent durchzugreifen: irgendwann sind auch diese Ressourcen aufgebraucht und die Ausgaben steigen trotzdem weiter. Und spätestes dann geht’s ans Eingemachte.
Tatsache ist: Wir werden immer älter.
Der Bedarf für medizinische Dienstleistungen steigt. Aber unsere Ressourcen sind begrenzt.
Medizinischer Fortschritt sorgt dafür, dass immer mehr machbar ist, doch ist das Ganze irgendwann nicht mehr bezahlbar. Da helfen keine Schönfärbereien: Früher oder später werden wir uns also ein paar unbequeme Gedanken machen müssen.
„Bisher gilt der Grundsatz, dass das was an Bedarf da ist auch bezahlt wird. In Zukunft bestimmt nicht mehr der Bedarf die Mittel, die verbraucht werden, sondern die Mittel bestimmen die Leistungen, die noch erbracht werden können“
sagte Fritz Beske, Direktor des Instituts für Gesundheits-System-Forschung Kiel letztens.
Was also sollen die Krankenkassen in Zukunft noch bezahlen?
Dass die Behandlung einer akuten Blinddarmentzündung und eines Herzinfarktes auch weiterhin zum Leistungskatalog gehören sollten… darüber sind wir uns einig. Aber wie sieht es mit den Folgenden Dingen aus?
- Prävention – gilt als heißer Kandidat fürs Streichkonzert. Prävention sei nunmal Privatsache und nicht Aufgabe der Kassen. Dass man sich damit ins eigene Fleisch schneidet, haben die Kassen allerdings inzwischen kapiert.
- Vorsorgeuntersuchungen – manche sind sinnvoll, manche nicht.
- Kontrazeption – Warum die Pille in Deutschland nicht von der Kasse bezahlt wird, ist mir schleierhaft
- Raucherentwöhnung – Wenn’s klappt: Lebensqualität gewonnen, langfristig Kosten gespart.
- Hokuspokusmedizin – Wer an die Heilkraft von Kristallen und Sternzeichen glaubt soll es gerne tun, aber nicht auf meine Kosten.
- Kuren – Bringen die etwas, rein medizinisch gesehen? Gibt’s Studien dazu? Kein anderes Land leistet sich diesen Wahnsinn!
- Neue Medikamente, bei denen noch kein Nachweis darüber vorliegt, dass sie erheblich besser sind als bisherige Präparate – heißes Eisen…
- Extrem teure Medikamente – sind manchmal dringend notwendig und unvermeidbar. Lassen sich manchmal aber auch ersetzen. Wer soll darüber entscheiden?
Privatisierung im Gesundheitswesen: Fluch oder Segen?
Vor ein paar Tagen habe ich über den Tod eines Patienten im privatisierten Uni-Klinikum Marburg-Gießen berichtet. Hieraus entspann sich eine spannende Debatte über Fehlermanagement.
In der Diskussion über das Ereignis hört man oft bittere Kritik an der Privatwirtschaft im Gesundheitswesen.
Aber ist das wirklich die Wurzel allen Übels, wie oft behauptet wird?
Privatkliniken hat es immer schon gegeben. Privatklinik, das klang nach Exklusivität, nach Sanatorium für Reiche und Superreiche in den Schweizer Bergen, ein Hauch von Zauberberg eben.
Dann kamen die Achtziger Jahre und die Zeit der klammen Kassen im Gesundheitswesen. 1984 wurde erstmalig ein allgemeines Krankenhaus privatisiert: Die Kommune Hürth bei Köln verschenkte es an einen Klinik-Konzern gegen die Auflage, es in den nächsten 20 Jahren nicht stillzulegen. Möglicherweise eine kluge Entscheidung: Seither ist die Anzahl der Krankenhäuser drastisch gesunken. Und das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht. Experten gehen davon aus, dass sich auch in nächster Zeit immer öfter die Frage stellen wird, ein kleines Haus entweder zu schließen oder zu privatisieren.
Und was passiert danach?
Zunächst einmal: Privatisierte Krankenhäuser funktionieren. Manch ein Krankenhaus fuhr unter öffentlicher Trägerschaft jährliche Verluste in zweistelliger Millionenhöhe ein, stand also kurz vor dem Ruin und kaum war es privatwirtschaftlich betrieben, da bescherte es seinem Betreiber hübsche Gewinne. Sogar die schärfsten Privatisierungskritiker bestreiten nicht, dass privat betriebene Kliniken wirtschaftlicher, rentabler und profitabler laufen.
Aber um welchen Preis?
Ist es wahr, dass Patienten durch „hemmugsloses Profitdenken“ verkauft und Angestellte wie Zitronen ausgepresst werden, weil man sich weder an Tarifverträge muss noch irgendwelchen ethischen Werten verpflichtet ist?
Eine vom Bundesverband deutscher Privatkliniken in Auftrag gegebene Studie behauptet das Gegenteil: Die öffentlichen Häuser seien den Privaten weder in der Versorgungsqualität noch bei der Personalzufriedenheit überlegen. Und sogar ein von der Gewerkschaft Ver.di 2005 in Auftrag gegebenes Gutachten kam zu keinem anderen Schluss.
Privatwirtschaftlich organisierte Kliniken sind mehr als öffentliche Krankenhäuser auf einen Guten Ruf angewiesen. Und in vielen privatisierten Kliniken können Ärzte sich sogar über höhere Gehälter freuen: Wenn sie mehr Leistung zeigen.
p.s.: Nein, es handelt sich hier nicht um einen bezahlten PR-Artikel eines privaten Klinikkonzerns sondern einfach um eine Gegenposition zu diesem Artikel – als Denkanstoss. Ein spannendes Thema übrigens.