Archive for Februar 2011
Medizin und Demokratie
Letztens habe ich Dr. Wuschelmann getroffen: eine konspirative Unterredung auf neutralem Territorium. Die genauen Umstände dieses Treffens spielen keine Rolle.
Ach ja, Dr. Wuschelmann ist hier in Bad Dingenskirchen der König der Kügelchen. Er hat eine Praxis für Naturheilkunde, Homöopathie, Akupunktur, traditionelle chinesische Medizin, Voodoo und Kristallaurahokuspokustherapie (Okay, die letzten beiden Punkte waren gelogen).
Dr. Wuschelmann nippte also an seinem Kräutertee und schüttelte den Kopf.
„Ihr Schulmediziner seid Despoten!“ sagte er dann.
„Warum?“
„Weil es in der Schulmedizin eine lange antidemokratische Tradition gibt. Schauen Sie sich doch die Strukturen eines Krankenhauses an: Chefarzt, Oberarzt, Assistenzarzt. Das sind doch Rangordnungen, wie man sie sonst nur beim Militär kennt!“
„Hmm…. hat das nicht historische Gründe?“
Dr. Wuschelmann nickte heftig.
„Genau. Die deutsche Schulmedizin hat ihren Ursprung im Militär. Siebzehn-fünfundneunzig, da hat Friedrich Wilhelm der Zwote, der König von Preußen die Pépinière gegründet.“
„Was war das?“
„Die Ausbildungsstätte für preußische Militärärzte.“
„Was hat das mit unseren heutigen Krankenhäusern zu tun?“
„Der Geist von damals besteht immer noch fort. Und deswegen lasst Ihr Schulmedizinier auch keine anderen Meinungen gelten. Glaubt Euch im Besitz der Alleinseligmachenden Wahrheit. Überall sonst sind die Tyrannen gestürzt worden. Die Menschen haben kapiert, dass die Diktatur keine ideale Regierungsform ist. Nur in der Medizin, da ist man noch nicht so weit.“
„Und… äh… wie wollen Sie das ändern?“
Dr. Wuschelmann lächelt.
“ Mut zur Vielfalt!“ sagt er, „und genau das lebe ich in meiner Praxis. Es gibt nun einmal nicht nur eine einzige alleinseligmachende Wahrheit. Weder in der Politik noch in der Medizin!“
Er trank seinen Tee aus, reichte mir die Hand, zog seinen Mantel an und trat hinaus in die Nacht.
Jawoll, wir Ärzte sind bös und geldgeil…
…hab ich doch vorhin in meinem Privatjet auf dem Weg vom Golfclub zur Oper schon wieder so einen respektlosen Artikel im Spiegel gelesen.
Wir Ärzte sind mächtig, die Regierung ist schwach und deswegen schiebt sie uns immer mehr Geld in irgendwelche Körperöffnungen. Zehn Milliarden Euro mehr sollen es in den letzen drei Jahren gewesen sein, nun weiß ich nicht zwar genau, wie viele Ärzte es in diesem Land gibt, aber wenn von diesem großen Kuchen vieleicht das eine oder andere Milliönchen bei mir hängenbleiben würde, dann… ja, dann könnte ich mich doch endlich wieder den schönen Dingen des Lebens widmen und würde auch ernsthaft erwägen, bis auf Weiteres das Maul zu halten.
Echt jetzt.
Aber jetzt muss ich los, nach der Oper ist noch ein kleiner Umtrunk in der Bar angesagt und dann gehts weiter zum nächtlichen Wellnessing… so ist das halt in unserem Job, immer im Dienst, auch am Wochenende.
Ärzte dürfen Fehler machen
Okay, heute mal wieder ein ernstes Thema. Ich möchte anknüpfen an den Beitrag einer Leserin. Wir erinnern uns:
Ein Mensch ist gestorben. Hätte dieser Tod vermieden werden können? Waren die Ärzte schuld oder „die Umstände“? Dürfen Ärzte Fehler machen? Wer ist schuld, wenn im Krankenhausbetrieb etwas schief läuft? Ist überhaupt jemand schuld?
Anstatt vieler Worte möchte ich zunächst einmal ein paar andere Artikel zitieren, die sich mit dem Thema beschäftigen:
- Ärztezeitugung: Minister Rösler wirbt für offenen Umgang mit Fehlern
- Oberlandesgericht billigt Ärzten Fehleinschätzungen zu
- Deutsches Ärzteblatt: „KBV wirbt für anonymes Fehlermeldesystem“
- Deutsches Ärzteblatt: „BÄK wehrt sich gegen zentrales Register für Behandlungsfehler“
- Spiegel Online: Fatale Behandlungen: Experten streiten über Ärztepfusch-Meldepflicht
- Blasenspülung mit Isopropanol: Falsche Beschriftung sorgt für Behandlungsfehler
- Medizynicus über Critical Incident Reporting
Guttenplag, Chefärzte und der Doktortitel
Unser Herr Minister, Freiherr von und zu hat einen Fehler zugegeben und darf weiter Minister bleiben. Nur gut, dass der Herr Minister kein Chefarzt ist. Chefärzte nämlich dürfen keine Fehler machen, wenn sie weiter Chefärzte sein wollen, das heißt Fehler machen dürfen sie schon, tun sie sogar, und nicht zu knapp, nur zugeben dürfen sie es nicht, wenn sie ihre Approbation behalten wollen.
Bei Politikern ist das bekanntlich anders: der eine plagiiert Doktorarbeiten, der andere verführt kleine Praktikantinnen und beide bleiben im Amt. Warum?
Vielleicht, weil die Wähler doch nicht so doof sind wie man denkt: Ein Minister braucht keinen Doktortitel um ein Ministerium zu führen.
Ein Chefarzt hingegen schon. Oder doch nicht?
Womit wir dann endlich beim Thema wären:
Wie ist das denn so bei Euch, liebe Kollegen?
Wer von Euch hat denn noch keinen…?
Und falls Ihr keinen Doktortitel habt, welche Aussage trifft dann am Ehesten zu, bitte ankreuzen:
- Lebenslüge Nr. 1: Meine Doktorarbeit, die schon seit 10 Jahren irgendwo in der Schublade liegt werde ich noch fertigschreiben. Ich muss ja nur noch…..
- Lebenslüge Nr. 2: Irgendwann, irgendwann mal fange ich eine neue, schnelle Doktorarbeit an….
- Lebenslüge Nr. 3: Irgendwann mal, irgendwann mal nehme ich eine Stelle in einer Uniklinik an, da wird mein Chef mich schon unterstützen…
- Lebenslüge Nr. 4.: Irgendwann mal, wenn ich in Rente bin….
- Doktortitel? Ist mir doch wurst….
- Ja, ich habe schon mal dran gedacht, mir einen Titel zu kaufen. Weiß aber noch nicht, wo.
Ja, und damit wären wir dann entgültig beim Thema:
Medizynicus möchte sich nämlich auch einen Doktortitel kaufen.
Jawohl, kaufen. Also, so mit Copy und paste kann ich natürlich schon umgehen. Aber ich will ja nicht, dass es mir so ergeht wie dem Herrn Minister und den sauer erworbenen Titel irgendwann mal zurückgeben müssen nur weil irgendwer dahinter… äh, nee, dann lieber echte Qualität, also, das ist mir die Sache wert, da mache ich schon ein paar Euros locker. Ernstgemeinte Angebote bitte ins Kommentarfeld unten!
Arzt sein: Hobby oder Beruf?
Die Ärztezeitung schreibt über die verzweifelte Situation einer jungen Kollegin.
Die 35 jährige Allgemeinmedizinerin aus Schleswig-Holstein hat die gut laufende Hausarztpraxis ihres Vaters übernommen. Leben kann sie davon nicht. Zumindest dann nicht, wenn sie sich ab und zu den Luxus leisten will, Zeit für ihre Familie zu haben. So wird die Praxis zum „Zuschussbetrieb“, die Familie lebt vom Verdienst des Mannes.
Ähnliche Geschichten hört man öfters, und das nicht nur von Hausärztinnen: Kolleginnen, die sich auf den Spagat zwischen Beruf und Familie einlassen, haben es nicht leicht. Und wenn man nicht das Glück hat, auf ein Netzwerk von Omas und Opas zur Kinderbetreuung zurückgreifen zu können und Geld für Tagesmütter oder Kita ausgeben muss, wird der Beruf oft zum Hobby: aus wirtschaftlicher Sicht völlig unrentabel.
Muss das sein?
Oder ist es vielleicht sogar politisch gewollt?
Unvermeidbares Schicksal oder… hätte sie gerettet werden können?
Vor ein paar Tagen erreichte mich folgende Mail einer Leserin, die ich zunächst einmal unkommentiert hier weitergeben möchte:
Zugetragen hat sich das alles im Jahre 2009. Zum Ende des Sommers sollte meine Mutter ein neues Hüftgelenk erhalten. Sie war leider übergewichtig und nicht zuletzt deshalb hatte sich die OP schon mehrere Jahre nach hinten verschoben. Ein weiterer Grund für die Verzögerung war, dass sie erst 50 Jahre alt war und dementsprechend „kleine“ Kinder hatte. Ganz zu schweigen von drohenden Ersatz-OPs der Gelenkprothese (gemeint sind: Wechsel der Prothese nach 15-20 Jahren – d.Red.). Die OP sollte wegen der jahrelangen Arthrose durch die angeborene Fehlstellung schwierig werden, weshalb sich auch eine Privatklinik mit fadenscheinigen Argumenten davor drückte (Hautveränderung als Petechien bezeichnet, hat später ein anderer Arzt als nicht wahr bezeichnet). Also nahm sich schlussendlich 2009 die Uniklinik ihres Hüftgelenks an.
Die OP verlief gut, neben einem größeren Hämatom, lief die Heilung super. Nach knapp 2 Wochen sollte es zur Reha gehen, aber im ganzen Bundesland gab es keinen Platz. Also erstmal eine Woche nach Hause und warten auf bis der Platz in einer der vielen Reha-Einrichtungen nahe der Ostseeküste frei war. Dabei zeigte sie mir noch ganz stolz, wie gut sie schon die Thrombose-Spritzen sich selbst setzen konnte. Dann ging es in die Reha-Einrichtung, 3 Wochen. Auch dort bekam sie die Thrombose-Prophylaxe. Lediglich an den letzten 2 Abenden vor der Entlassung war sie zum Zeitpunkt der „Spritzengabe“ nicht im Zimmer. Das hat sie uns Kindern noch berichtet. Nach Haus ging es einen Abend früher als geplant, das Bett wurde gebraucht. Nach der Verabschiedung am Morgen vor der Arbeit, fand man sie mittags, schon einige Zeit verstorben. Der Notarzt diagnostizierte eine Lungenarterienembolie.
Die Frage ist, ob das Pflegepersonal nicht vielleicht hätte nachkommen sollen mit dem Spritzen?
Oder ob so zwei Tage nichts ausmachen. Jedoch hab ich gelesen, dass gerade adipöse Patienten besonders lange so eine Prophylaxe benötigen. Fast 6 Wochen waren ja schon rum seit der OP.
Bundesärztekammer: Kristallaurahokuspokustherapie soll Kassenleistung bleiben
Berlin – Ein hoher Vertreter der Bundesärztekammer hat sich gegen die Forderung gewandt, Kristallaurahokuspokustherapie nicht mehr von den Kassen erstatten zu lassen. „Die Wirkung von Kristallaurahokuspokustherapie ist zwar nicht naturwissenschaftlich belegbar, trotzdem ist die Kristallaurahokuspokustherapie ein wichtiger Zweig in der Ausbildung von Ärzten geworden“, heißt es in einer Pressemitteilung. Zuvor hatten Politiker verlangt, dass Kristallaurahokuspokustherapie nicht länger Kassenleistung bleibt, da es keinen klaren Nutzennachweis gebe. Patienten sollten solche Naturheilverfahren aus eigener Tasche bezahlen.
Die Ärztekammer unterstützt hingegen die Kombination von Kristallaurahokuspokustherapie und Schulmedizin. Besonders in der Behandlung von Befindlichkeitsstörungen wie Reiseübelkeit oder Wetterfühligkeit könne man mit Kristallaurahokuspokustherapie Erfolge erzielen. Auch in der Vorsorge sei die Kristallaurahokuspokustherapieein wichtiger Helfer. Zu ihrer Philosophie gehöre das lange ausführliche Gespräch zwischen Arzt und Patient. Solche besonderen Behandlungsformen seien Bestandteil des Gesamtspektrums der Medizin.
Glaubt Ihr nicht? Ist aber so. Also…. fast:
Mitteilung der Bundesärztekammer vom 15.07.2010
Liebe Firma Sowienoch (hatten wir doch schonmal, nich?)
Liebe Firma Sowienoch,
Ich schreibe Ihnen weil Sie mich von Ihrer Webseite runtergeschmissen haben. Jawoll, das haben Sie, weil ich nämlich mein Passwort vergessen habe. Weil, da wird man doch verrückt, bei all den Passwörtern. Weil aufschreiben darf man sie ja nicht, das weiß man ja und was das merken angeht… ja, irgendwo ist einfach mal Schluß mit der Merkerei, geht Ihnen das nicht so, ich meine, so Stichwort Alzheimer?
Weil ja bei Ihnen da ist das ja so, wenn man ein einfaches Passwort eingibt, also so eins wie 12345 oder qwertz, dann kriegt man eine Nachricht dass das nicht geht weil es verboten ist weil zu unsicher. Und es muss mindestens eine Zahl drinsein, aber abcd1 geht auch wieder nicht, außerdem muss mindestens ein Buchstabe großgeschrieben und mindestens ein Sonderzeichen drin sein, also ich hab das dann so gemacht Abcde+1, das kann man sich noch halbwegs merken. Naja, merken nicht so ganz, ich hab’s halt doch aufgeschrieben, aber den Zettel, den hab ich leider verloren und jetzt wusste ich nicht mehr welchen Buchstaben ich groß geschrieben habe und nach dreimal ausprobieren war Schicht im Schacht und deswegen schreibe ich Ihnen.
Weil nämlich wenn man sein Passwort wiederhaben will, dann muss man da bei Ihnen so ne Neunhunderter-Nummer anrufen und sowas tu ich ja aus Prinzip nicht, das wissen Sie ja, brauch ich Ihnen eigentlich gar nicht zu sagen, hab ich Ihnen ja in meiner letzten Mail schon geschrieben wo Sie mir dann geantwortet haben dass Sie mir mein Passwort aus Sicherheitsgründen nur am Telefon verraten wollten, aber so ne richtige Telefonnummer, also eine ohne neunhundert die wollten Sie mir auch nicht geben.
Ja, und darum wollte ich Ihnen jetzt… nee, nicht sagen, was Sie mich mal können, ich bin ja ein höflicher Mensch, deswegen sage ich Ihnen jetzt nicht, was Sie mich mal können, aber gestohlen sein, das können Sie mir, also wirklich, also meine Geschäftsbeziehung zu Ihnen, die will ich hiermit beenden, nich, jawoll, das wollte ich Ihnen hiermit sagen.
Hochachtungsvoll,
Ihr Medizynicus