Medizynicus Arzt Blog

Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

Die Knolle – aber keine Probleme

with 8 comments

„Also, Herr Chromsky, jetzt erzählen Sie mal!“
Irgendwie werde ich aus der ganzen Sache nicht schlau. Der gute Mann hat einen bösartigen Lungentumor, und das nicht erst seit heute. Aber irgendwie scheint sich niemand darum gekümmert zu haben, weder Herr Chromsky selbst noch die behandelnden Ärzte.
Der Patient keucht und schaut mich verständnislos an. Ich versuche, ihm auf die Sprünge zu helfen.
„Letztes Jahr, in St. Andeswo: was war da?“
„Hatte ich Schmerzen in Hüfte. Beide Seiten. Wollte ich Operation. Haben die nicht gemacht!“
„Hat man Ihnen gesagt, warum die Operation zurückgestellt worden war?“
„Haben gesagt wegen die Knolle…“
Ich hole tief Luft. Es hilft alles nichts.
„Herr Chromsky,“ sage ich, „Sie wissen, dass es sich bei dem, was Sie da als Knolle bezeichnen um einen bösartigen Tumor handelt?“
Der Patient schaut mich an und sagt eine ganze Weile lang nichts.
„Is besartig?“ fragt er dann.
Es ist zum die Wand hoch laufen… wenn es nicht so traurig wäre! Habe ich ihm das nicht vorgestern in aller Ausführlichkeit erzählt? Und ich bin mehr als überzeugt davon, dass ich nicht der Erste war.
„Ja, es ist bösartig. Und wir müssen Sie behandeln!“
„Behandeln? Wann?“
„Jetzt!“
Der Patient schüttelt den Kopf.
„Hab ich nie Probleme gehabt…“
Keine Probleme? Luftnot? Blutiger Auswurf? Blitzeblau im Gesicht? das alles sind keine Probleme?
„Was ist denn mit Ihrem Hausarzt? Hat der Ihnen nichts gesagt?“
Herr Chromsky macht eine wegwerfende Handbewegung.
„Hat mich Überweisung gegeben. Bin ich nicht gegangen.“
Das gibt’s doch nicht!
„Herr Chromsky,“ sage ich vielleicht eine Spur zu laut, „morgen machen wir eine Lungenspiegelung, ja? Schlauch in die Lunge, Sie verstehen? Und Übermorgen eine Untersuchung für Ihre Knochen!“
Auf den Versuch, ihm zu erklären, was eine Szintigraphie ist will ich mich gar nicht einlassen.
„Und heute kommen Sie nochmal in die Röhre. Da untersuchen wir Ihren Kopf. Und dann machen wir eine Ultraschalluntersuchung. Verstanden?“
Er nickt. Ob er wirklich verstanden hat, wage ich zu bezweifeln.

Written by medizynicus

12. Februar 2011 um 05:29

8 Antworten

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  1. Na immerhin scheint er mitzumachen. Ich glaube dem muss man nur sagen, was zu tun ist, nicht so sehr warum das wie genau zusammenhängt.
    Im Zweifel setzt man ihn unter Druck mit „ohne Knollenbehandlung keine neue Hüfte – je schneller Sie mitmachen umso schneller kriegen Sie ihre Hüfte“

    Blogolade

    12. Februar 2011 at 09:26

  2. Kopf untersuchen ist eine gute Idee… Und ein Dolmetscher noch eine bessere. Hat der gute Mann denn keine Verwandten? Verwandte, die deutsch können, meine ich.

    zwerg

    12. Februar 2011 at 18:43

  3. Er will es nicht hören!
    Er will es nicht verstehen!
    Gibt es Angehörige? Wenn ja würde ich mit ihnen sprechen!

    ohnevorwaesche

    12. Februar 2011 at 20:48

  4. Er weiß doch was er will.
    Ein neues Hüftgelenk und Zigaretten. Und seine Ruhe.

    Was bringt die ganze Diagnostik, wenn der Patient sowieso nicht an einer Therapie interessiert ist?

    Wenn er sein Hüftgelenk nicht bekommt, dann geht er wieder. Wetten?

    alleinverziehend

    12. Februar 2011 at 23:19

  5. Was ist denn zwischenzeitlich mit einem Übersetzer geworden?

    Graf Nudu

    13. Februar 2011 at 00:02

  6. Jeder Mensch hat seine eigene Wahrheit und will nur das hören, was dazu passt.

    spirukryon

    13. Februar 2011 at 06:47

  7. So spart man sich zumindest die teure Hüft-OP. Und wenn die Compliance nicht besser wird auch die Krebs-Behandlung.

    Phil

    13. Februar 2011 at 14:47

  8. Na warte mal, der lässt dich erst mal alle Scheine ausfüllen, alle Termine und Fahrten organisieren, die Vorstellung in der Fallkonferenz wartet er vielleicht auch noch ab, und just DANN verzieht er sich gegen ärztlichen Rat, weil ihm alles zu brenzlig geworden ist. 🙂

    Em

    22. Februar 2011 at 20:37


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