Medizynicus Arzt Blog

Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

Stinkefüsse und Chirurgenmanieren

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Oma Höbelmann ist tot. Nun kann man sagen, dass eine Patientin mit Geburtsdatum Neunzehnfünfundzwanzig im Jahre Zwanzigelf das Recht hat zu sterben, vor allem dann wenn die Liste ihrer Krankheiten oder besser gesagt ihrer Diagnosen in etwa so klingt wie das Inhaltsverzeichnis eines Lehrbuches der Inneren Medizin. Aber gestorben ist sie bei den Chirurgen. Und interessieren tut es mich ja doch…
Mittags in der Kantine setze ich mich also zu Martin Bückling an den Tisch, der mich böse anfunkelt, während er seine Gulaschsuppe löffelt.
Er nimmt es mir wohl immer noch krumm, dass ich ihn im Verlauf der letzten Woche mehrfach angefunkt habe wegen Frau Höbelmann.
„Was soll die denn bei uns?“ hat er gefragt, „Die ist doch so glasklar internistisch…“
„Ihr sollt sie ja nicht übernehmen, ihr sollt sie ja nur anschauen!“
„Für Konsile ist der Chef zuständig.“
„Und wie erreiche ich den?“
„Momentan gar nicht. Er hat nämlich Urlaub.“
„Na prima. Wer vertritt ihn?“
„Oberarzt Biestig. Der steht gerade im OP. Außerdem hat er schlechte Laune.“
Da muss ich jetzt durch. Oberarzt Biestig hat immer schlechte Laune. Drei Stunden später kommt er missmutig auf Station geschlurft und schaut sich den rechten Fuß von Frau Höbelmann an. Der sieht übel aus: diabetische Gangrän vom Feinsten.
Oberarzt Biestig lüpft nur einmal kurz mit spitzen Fingern den Verband.
„Schieb sie rüber zu uns!“ sagt er dann zu mir und greift dann gleich zum Telefon um im OP anzurufen: „Wir haben da einen internistischen Stinkefuß eingekauft,“ bellt er, „die soll heute noch unterschreiben, dann kann sie morgen aufs Programm!“

Written by medizynicus

5. April 2011 um 23:32

Veröffentlicht in Alltagswahnsinn

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6 Antworten

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  1. Ware Patient mal wieder…

    retterweblog

    5. April 2011 at 23:37

  2. Also ich hab, was das Benehmen am Patientenbett betrifft, eher die umgekehrte Erfahrung gemacht (gleiches Krankenhaus). Die Chirurgen waren deutlich netter und höflicher, was vermutlich auch mit den jeweiligen Chefs zusammenhing. Was sie OP reden ist mir ziemlich schnuppe, das kreig ich ja nicht mit, da dürfen sie meinetwegen auch über mich ablästern.

    drkall

    6. April 2011 at 00:27

  3. Wenn ‚ihr‘ Sie schon zum Freiwild der Chirurgie macht….Hätte da nicht wenigstens mal ein Anästhesist ‚vetoen‘ können…???

    blogwesen

    6. April 2011 at 07:18

  4. Hehe, diabetische Stinkefüsse, was ganz Feines. Da erinnere ich mich mit Wonne an meinen Zivildienst in der septischen Chirurgie. Wie sagte doch der AiPler Dr. Schaufuß (genau, so hiess der): Immer schön im Süffigen operieren.

    Da lernt man ganz schnell, tunlichst durch den Mund zu atmen. Und hach ja, die Wasserstoffperoxid-Spülungen. Oben am Schenkel rein ins Loch, unten an der Wade kam der Schaum dann raus.

    Wäre doch mal ein Thema für nen Horrorfilm…

    Christian

    6. April 2011 at 09:07

  5. Ware Mensch, ..und da sage noch einer Medizin sei doch romantisch…^^

    rettungsdienstblog

    6. April 2011 at 21:43

  6. Also ich mag die nüchtern-herzliche Art der Chirurgen. Meiner hat mich nach der Not-OP trocken und ohne eine Miene zu verziehen mit den Worten begrüßt: „Na mit Ihnen hatten wir ganz schön viel Arbeit!“

    Ist eben mehr so der „herbe Charme“ ohne viele (unnötige) Worte. ^^

    Die Internisten haben allerdings auch ihren eigenen Humor. => „Ach essen können Sie im Prinzip alles, der Körper sagt Ihnen dann schon, was er davon hält!“

    Man muss sie einfach mögen. Außerdem bin ich sowohl den Chirurgen, als auch den Internisten und den Pflegern alles in allem sehr dankbar. (Nur die Überdosierung mit Glykoseinfusionen – mit entgleistem Blutzuckerspiegel und entsprechenden Beschwerden – hätte es nicht gebraucht. Das ist aber auch der einzige Kritikpunkt.)

    itayiriki

    28. November 2019 at 02:40


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