Archive for Juni 2011
Marketingstrategien (Teil 3): Tante Edeltrud ihr Laden
Ich mag den Laden von Tante Edeltrud. Er befindet sich gleich in der Nähe des Marktplatzes, an der Ecke der kleinen Gasse die hinunter zum Fluss führt. Tante Edeltrud verkauft allerlei Krimskrams, darunter Wein, eigenwilliges Kunsthandwerk und Bücher. Aber nur ganz bestimmte Bücher: nämlich nur solche, die sie selbst gelesen und für gut befunden hat. Tante Edeltrud liest eine Menge Bücher und so befindet sich in der kleinen Schaufensterauslage neben jedem ausgestellten Buch eine kleine Karte mit so etwas wie einer handgeschriebenen Kurzrezension.
Wie gesagt, ich mag diesen Laden… und trotzdem habe ich mich noch nie hineingetraut…. also zumindest bis heute noch nicht.
Und jetzt stehe ich also mit gewaltigem Herzklopfen und drei Exemplaren eines ganz bestimmten wunderbaren Buches in der Tasche vor dem uralten Fachwerkhaus mit der winzigen Schaufenstervitrine und bin gerade dabei, meinen Inneren Schweinehund zu überwinden.
Tante Edeltrud begrüßt mich mit mütterlich-fürsorglichem Lächeln.
„Was kann ich für Dich tun?“
„Äh… ich suche… äh… ich hätte gern… so ein wirklich gutes Buch!“
Tante Edeltrud lächelt noch viel breiter.
„Da kann ich Dir helfen!“ sagt sie mit Verschwörerstimme, „Ich schreibe nämlich selbst, weißt Du?“
Sie deutet mit der linken Hand auf ein eindrucksvolles Regal welches vollgestopft ist mit ihren eigenen Werken.
Zehn Minuten später verlasse ich Tante Edeltrauds Laden wieder. In der Tasche habe ich jetzt fünf weitere Bücher.
Und die drei Exemplare des ganz besonderen wunderbaren Buches… die habe ich immer noch.
in den Knast, weil der Arzt zu teuer ist
Wir befinden uns in einem Gerichtssaal in einer Kleinstadt in West-Spelunkistan. West-Spelunkistan gehört bekanntlich zu den reichsten Gegenden des Landes, es gibt dort eigentlich alles, was ein Mensch so braucht, unter anderem auch exzellente Kliniken mit allen Schikanen.
Allerdings ist West-Spelunkistan nur deshalb so reich, weil dort gnadenlos freie Marktwirtschaft herrscht und das heißt auch: wer zum Arzt geht, der zahlt. Käsch in die Tässch. Das heißt, alle gängigen Kreditkarten werden natürlich auch genommen, aber wer weder über Bargeld noch über Kreditkarten verfügt, der hat schlechte Karten. So wie dieser etwas angegraute Herr, der hier und heute vor dem Richter steht.
„Ihnen wird vorgeworfen, eine Bank überfallen zu haben,“ sagt der Richter mit strenger Stimme, „und ich frage Sie jetzt: Sind Sie schuldig oder nicht schuldig?“
„Schuldig!“ sagt der Angeklagte, „komme ich jetzt endlich ins Gefängnis?“
Der Richter schaut ihn erstaunt an. Die Sache scheint ja unerwartet schnell zu gehen. Ob man den Fall vielleicht noch vor der Mittagspause abschließen kann? Aber zunächst sollte man den Angeklagten ja noch nach seinen Tatmotiven fragen, das gehört schließlich zum guten Ton!
„Ich bin krank, Herr Richter!“ sagt der, „und ich habe keine Versicherung und kein Geld, um mir die Behandlung leisten zu können!“
„Aha, und Sie dachten also, dass Sie mit der Beute…“
„Nein, nicht mit der Beute, Herr Richter. Die gebe ich ja gerne sofort wieder zurück. Aber im Gefängnis gibt es doch eine Krankenstation, nicht wahr, Herr Richter? Wenn Sie mich nur schnell dahin schicken würden…“
„Sie wollen also das System manipulieren!“
„Nein, Herr Richter… ich bitte Sie nur darum, mich schnell zu verurteilen, Weil, Sie wissen schon, ich muss dringend zum Arzt….“
Alles erstunken und erlogen?
Keineswegs! Echt passiert. Und zwar nicht in Spelunkistan.
Rationierung? Prio… dingsda? oder: wo anfangen mit dem Sparen im Gesundheitswesen?
„So geht das nicht mehr weiter, meine Damen und Herren!“
In einem Konferenzraum im obersten Stock des spelunkistanischen Gesundheitsministeriums hat sich die Elite der Geundheitsexperten des Landes versammelt, nur die Elite, also die besten der allerbesten. Und die starren jetzt mit dummen Gesichtern auf die Leinwand, wo nur eine einzige Zahl zu sehen ist: eine ziemlich hohe Zahl.
„Mehr Geld gibt es nicht, meine Damen und Herren. Die Versicherungsbeiträge sind so hoch wie nie zuvor. Wenn wir sie noch weiter erhöhen, dann meutern unsere Bürger. Ich darf daher um Ihre Vorschläge bitten, meine Damen und Herren!“
Eine Sekunde lang ist es totenstill im Saal.
„Wir könnten… wir könnten die Ärzten die Honorare kürzen…“ sagt schließlich ein Beamter aus dem Publikum.
Leichtes Raunen, Kopfschütteln hier, Zustimmung dort. Der Minister nickt.
„Weitere Vorschläge, bitte!“
„Wie wäre es, wenn wir den ganzen Sch… also Kristallaurahokuspokustherapie, Wellness-Kuren und so, also wenn wir das alles einfach nicht mehr bezahlen würden?“
„Und auch die ganze Luxusmedizin! Schönheitschirurgie und so…“
„Zahlen wir doch schon längst nicht mehr!“ kommt es aus der hintersten Reihe.
„Wir sollten uns auf die Grundsicherung konzentrieren… und nur die Leistungen finfanzieren, die wirklich etwas bringen…“
„Genau, und teure Therapien, die nachweislich keinen signifikanten Nutzen haben, die werden gnadenlos abgelehnt!“
Der Minister schüttelt den Kopf.
„Das wissen wir doch schon alles, meine Damen und Herren. Die Frage ist: wo sollen wir anfangen mit dem Sparen?“