Medizynicus Arzt Blog

Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

Archive for Juni 2011

Wegen Unterzuckerung ins Krankenhaus?

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Soeben lese ich im Rettungsdienstblog eine Geschichte, die ich gerne weiterspinnen möchte.
Vor allem deshalb, weil der Andere Hausarzt vor etwa einem halben Jahr eine ganz ähnliche Geschichte aus einer anderen Perspektive erzählt hat.
Die beiden Geschichten unterscheiden sich, aber sie haben eines gemeinsam:
ein älterer Mann ist kollabiert und jetzt liegt er da und ist zwar bei Bewusstsein, ansprechbar aber ein wenig benommen.
Der Rettungsdienst wird gerufen, und bald hat man die Ursache erkannt: Niedrige Blutzuckerwerte. Das kommt bei Diabetikern immer wieder mal vor, wenn versehentlich zuviel Insulin gespritzt oder eine zu hohe Medikamentendosis eingenommen oder anschließend zu wenig gegessen wurde oder wenn der Patient sich außergewöhnlich stark körperlich belastet hat oder Alkohol getrunken hat oder gerade mit irgendeinem Infekt herummacht oder, oder oder…
Die Therapie ist denkbar einfach: Man führt dem Patienten Zucker zu. Und zwar intravenös. Eine kleine Spritze oder Infusion (natürlich mit Zucker drin) kann hier Wunder wirken.
Patient geheilt, alle glücklich und zufrieden.
Wirklich?
Nee, nicht ganz.
Anstatt sich freundlich mit Handschlag zu verabschieden schleppen die wackeren Rettungsleute den Patienten ins Krankenhaus und laden ihn bei uns in der Notaufnahme ab.
Und da an nimmt das Unglück seinen Lauf.
Nein, den tapferen Rettungsdienstlern mache ich keinen Vorwurf, die müssen so, die können nicht anders.
Aber es ist einfach… einfach eine dieser Irrsinnsgeschichten, die unser Gesundheitssystem so teuer und so hundsmiserabel machen.
Warum?
Wie es bei uns in der Notaufnahme weitergeht, das erzähle ich Euch morgen.

Written by medizynicus

30. Juni 2011 at 22:57

Gebt mal ’n paar Infusionen ! (Die Fortsetzung)

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„Und was machen wir jetzt?“
Kopfschüttelnd komme ich aus Kabine drei. Kleiner Umweg zur Küche, einen Becher Kaffeeplörre abfüllen, dann nehme ich am Dienstzimmerschreibtisch Platz.
„Was machen?“ fragt Schwester Anna.
Ich deute wortlos mit dem Daumen in Richtung Kabine drei. In Kabine drei liegt ein Bündel Mensch. Dieses Bündel Mensch ist fünfundachtzig Jahre alt, weiblich und lacht und wenn man es anspricht, dann bewegt es Lippen und Kiefer, aber das, was da rauskommt, ist leider nicht in verständliche Worte geformt.
„Gibt’s ’nen Einweisungsgrund?“
Seufzend schiebe ich Anna das postkartengroße rote Einweisungszettelchen hin.
„Deutliche, massive AZ-Verschlechterung“ steht darauf.
Anna schüttelt den Kopf.
„Wahrscheinlich ein Versorgungsproblem!“ sagt sie.
Gerade jetzt in der Urlaubszeit nicht gerade eine Seltenheit. Trifft aber leider nicht zu.
„Nee, die Dame kommt aus ‚m Heim!“
„Dann ruf doch da mal an!“
Ja, warum eigentlich nicht? Eine Minute später habe ich eine Altenheimtuss an der Strippe.
„…der ging es einfach nicht so gut,“ sagt sie.
Ja, was denn genau? Hat unsere gemeinsame Kundin bis gestern Kreuzworträtsel gelöst und über scholastische Philosophie diskutiert?
„Nee, die war immer schon so…“
Okay, und jetzt?
„…und da haben wir dann den Doktor geholt und der hat sie dann ins Krankenhaus geschickt!“
Mehr Informationen gibt’s nicht. Und Einweiserdoc? Was will der von uns?
Glücklicherweise ist der tatsächlich noch in seiner Praxis erreichbar.
Was wir mit der Dame tun sollen? Er druckst ein wenig herum.
„Gebt Ihr doch einfach ein paar Infusionen!“
Ist schon okay, Kollege.

Written by medizynicus

29. Juni 2011 at 22:47

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Infusionen und Routine

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Blick auf die Uhr. Eigentlich schon zwei Minuten nach Feierabend, aber unten in der Notaufnahme warten noch zwei Patienten. Okay, einen für Sarah, einen für mich, mit etwas Glück sind wir in einer halben Stunde fertig, dann kann ich Sarah ja vielleicht davon überzeugen, noch mit zu kommen zu Gepetto auf einen dreifachen Espresso oder eine Latte Macchiato oder einen Eisbecher Coppa Amore… egal. Aber erst die Arbeit!
Blick in die Akte und dann ran an den Patient. Fester Händedruck, dabei schonmal die Venen des Unterarmes scannen. Einmal mit dem Stethoskop über Herz und Lunge, einmal auf den Bauch langen, ein paar dumme Fragen stellen, dann alles sorgfältig aufschreiben, vor allem die Medikamentenliste, wenn’s geht natürlich nach Möglichkeit leserlich.
„Hast Du schon Blut abgenommen?“ fragt Schwester Anna.
Nee, noch nicht, aber mach ich sofort.
„Kannst ihm ja gleich eine Braunüle legen!“ sagt Schwester Anna.
Natürlich, machen wir doch immer so.
„Bring mir mal ’ne fünfhunderter Nah-Zel!“ rufe ich ihr noch nach, „dann häng ich ihm sofort etwas an!“
Anna nickt. Na, das klappt ja wie am Schnürchen. Vielleicht bin ich ja schon in einer Viertelstunde an der Sonne. Wenn Sarah bloß nicht so trödeln würde!
„Jetzt gibt’s mal ’nen kleinen Pieks!“ sage ich zum Patienten, greife seine Hand, lege die Staubinde an und steche zu. Wunderbar, er hat prima Venen!
Trotzdem beäugt er mich argwöhnisch.
Ein dünner Blutstrahl zischt in die Röhrchen. Jetzt abklemmen, Pflaster drauf und die vorbereitete Infusionslösung anhängen.
Patient runzelt die Stirn.
„Was ist denn da drin?“
„Äh… wodrinn?“
„Da in der Flasche!“
„Ach, Sie meinen die Infusion? Nee, nur Wasser, ich meine natürlich physiologische Kochsalzlösung!“
„Und wozu brauche ich das?“
Ja, wozu eigentlich?
„Äh… ja, so’n bißchen Flüssigkeit, jetzt im Sommer, wo es draußen so heiß ist…“
Jeder kriegt bei uns in der Notaufnahme eine Infusion angehängt. Das ist einfach so. Pure Routine. Egal ob es draußen dreißig Grad im Schatten sind oder Hagel und Schneesturm.
„Aber ich kann doch trinken!“
„Ja… äh… es geht nur darum, dass wir ja vielleicht einen venösen Zugang brauchen, wenn wir Ihnen Medikamente geben müssen…“
„Was für Medikamente kriege ich denn?“
Woher soll ich das denn wissen? Im Moment noch gar nichts!
„Das hängt davon ab, was bei den Untersuchungen herauskommt…“
„Ich will aber keine Infusion, wenn sie nicht notwendig ist!“
Und ich will keine Diskussion. Ich will jetzt an die Sonne. Zu Gepetto, zu Sarah und zu Coppa Amore.

Written by medizynicus

28. Juni 2011 at 07:11

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Ohne Worte

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Written by medizynicus

27. Juni 2011 at 18:16

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Marketingstrategien (Teil 3): Tante Edeltrud ihr Laden

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Ich mag den Laden von Tante Edeltrud. Er befindet sich gleich in der Nähe des Marktplatzes, an der Ecke der kleinen Gasse die hinunter zum Fluss führt. Tante Edeltrud verkauft allerlei Krimskrams, darunter Wein, eigenwilliges Kunsthandwerk und Bücher. Aber nur ganz bestimmte Bücher: nämlich nur solche, die sie selbst gelesen und für gut befunden hat. Tante Edeltrud liest eine Menge Bücher und so befindet sich in der kleinen Schaufensterauslage neben jedem ausgestellten Buch eine kleine Karte mit so etwas wie einer handgeschriebenen Kurzrezension.
Wie gesagt, ich mag diesen Laden… und trotzdem habe ich mich noch nie hineingetraut…. also zumindest bis heute noch nicht.
Und jetzt stehe ich also mit gewaltigem Herzklopfen und drei Exemplaren eines ganz bestimmten wunderbaren Buches in der Tasche vor dem uralten Fachwerkhaus mit der winzigen Schaufenstervitrine und bin gerade dabei, meinen Inneren Schweinehund zu überwinden.
Tante Edeltrud begrüßt mich mit mütterlich-fürsorglichem Lächeln.
„Was kann ich für Dich tun?“
„Äh… ich suche… äh… ich hätte gern… so ein wirklich gutes Buch!“
Tante Edeltrud lächelt noch viel breiter.
„Da kann ich Dir helfen!“ sagt sie mit Verschwörerstimme, „Ich schreibe nämlich selbst, weißt Du?“
Sie deutet mit der linken Hand auf ein eindrucksvolles Regal welches vollgestopft ist mit ihren eigenen Werken.
Zehn Minuten später verlasse ich Tante Edeltrauds Laden wieder. In der Tasche habe ich jetzt fünf weitere Bücher.
Und die drei Exemplare des ganz besonderen wunderbaren Buches… die habe ich immer noch.

Written by medizynicus

26. Juni 2011 at 22:04

Veröffentlicht in Das Buch

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Einmal im Kreis herum

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Die Patientin schaut mich kurz an, dann weicht sie meinem Blick aus, schaut zur Decke, aus dem Fenster und dann auf den Boden.
„Was ist mit meinen Kopfschmerzen?“ fragt sie.
„Ja wissen Sie, Frau Bernsdorf, wir haben bislang noch keine Ursache finden können, aber…“
Die Patientin fällt mir ins Wort.
„Und mein Schwindel?“
„…auch bezüglich Ihres Schwindels kann ich Sie beruhigen, dass wir die wichtigsten gefährlichen Dinge weitgehend ausgeschlossen haben und…“
„…diese ständige Unruhe, Herr Doktor…“
„Genau, Frau Bernsdorf. Und deshalb denken wir, dass es vielleicht an Ihren Nerven liegen könnte!“
Endlich ist es raus. Aber sie verstanden hat, weiß ich nicht.
„Warum ist mir immer so übel?“
Ich überhöre den Einwand.
„Wissen Sie, ich wollte den Vorschlag machen, Sie mal einem Nervenarzt vorzustellen…“
Sie starrt mich mit weit aufgerissenen Augen an.
„Nein!“
„Warum nicht?“
„Die sind böse auf mich!“
„Aha?“
„Ja, die sind böse auf mich. Und deshalb traue ich mich da nicht mehr hin!“
„Äh… Sie waren also schon einmal bei einem Nervenarzt?“
„Da komme ich doch gerade her!“
„Also, jetzt bitte noch einmal von vorn…“
„Ich habe Angst. Da will ich nicht wieder hin!“
„Also, Sie waren in nervenärztlicher Behandlung…?“
„Ich war in der Psychiatrie. Bin gegangen. Gegen ärztlichen Rat. Und deshalb sind die böse auf mich. Da gehe ich nicht mehr hin.“
„Gut, Frau Bernsdorf, ich verstehe natürlich…“
„Was ist jetzt mit meinen Kopfschmerzen?“

Written by medizynicus

24. Juni 2011 at 22:08

in den Knast, weil der Arzt zu teuer ist

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Wir befinden uns in einem Gerichtssaal in einer Kleinstadt in West-Spelunkistan. West-Spelunkistan gehört bekanntlich zu den reichsten Gegenden des Landes, es gibt dort eigentlich alles, was ein Mensch so braucht, unter anderem auch exzellente Kliniken mit allen Schikanen.
Allerdings ist West-Spelunkistan nur deshalb so reich, weil dort gnadenlos freie Marktwirtschaft herrscht und das heißt auch: wer zum Arzt geht, der zahlt. Käsch in die Tässch. Das heißt, alle gängigen Kreditkarten werden natürlich auch genommen, aber wer weder über Bargeld noch über Kreditkarten verfügt, der hat schlechte Karten. So wie dieser etwas angegraute Herr, der hier und heute vor dem Richter steht.
„Ihnen wird vorgeworfen, eine Bank überfallen zu haben,“ sagt der Richter mit strenger Stimme, „und ich frage Sie jetzt: Sind Sie schuldig oder nicht schuldig?“
„Schuldig!“ sagt der Angeklagte, „komme ich jetzt endlich ins Gefängnis?“
Der Richter schaut ihn erstaunt an. Die Sache scheint ja unerwartet schnell zu gehen. Ob man den Fall vielleicht noch vor der Mittagspause abschließen kann? Aber zunächst sollte man den Angeklagten ja noch nach seinen Tatmotiven fragen, das gehört schließlich zum guten Ton!
„Ich bin krank, Herr Richter!“ sagt der, „und ich habe keine Versicherung und kein Geld, um mir die Behandlung leisten zu können!“
„Aha, und Sie dachten also, dass Sie mit der Beute…“
„Nein, nicht mit der Beute, Herr Richter. Die gebe ich ja gerne sofort wieder zurück. Aber im Gefängnis gibt es doch eine Krankenstation, nicht wahr, Herr Richter? Wenn Sie mich nur schnell dahin schicken würden…“
„Sie wollen also das System manipulieren!“
„Nein, Herr Richter… ich bitte Sie nur darum, mich schnell zu verurteilen, Weil, Sie wissen schon, ich muss dringend zum Arzt….“
Alles erstunken und erlogen?
Keineswegs! Echt passiert. Und zwar nicht in Spelunkistan.

Written by medizynicus

22. Juni 2011 at 23:03

Rationierung? Prio… dingsda? oder: wo anfangen mit dem Sparen im Gesundheitswesen?

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„So geht das nicht mehr weiter, meine Damen und Herren!“
In einem Konferenzraum im obersten Stock des spelunkistanischen Gesundheitsministeriums hat sich die Elite der Geundheitsexperten des Landes versammelt, nur die Elite, also die besten der allerbesten. Und die starren jetzt mit dummen Gesichtern auf die Leinwand, wo nur eine einzige Zahl zu sehen ist: eine ziemlich hohe Zahl.
„Mehr Geld gibt es nicht, meine Damen und Herren. Die Versicherungsbeiträge sind so hoch wie nie zuvor. Wenn wir sie noch weiter erhöhen, dann meutern unsere Bürger. Ich darf daher um Ihre Vorschläge bitten, meine Damen und Herren!“
Eine Sekunde lang ist es totenstill im Saal.
„Wir könnten… wir könnten die Ärzten die Honorare kürzen…“ sagt schließlich ein Beamter aus dem Publikum.
Leichtes Raunen, Kopfschütteln hier, Zustimmung dort. Der Minister nickt.
„Weitere Vorschläge, bitte!“
„Wie wäre es, wenn wir den ganzen Sch… also Kristallaurahokuspokustherapie, Wellness-Kuren und so, also wenn wir das alles einfach nicht mehr bezahlen würden?“
„Und auch die ganze Luxusmedizin! Schönheitschirurgie und so…“
„Zahlen wir doch schon längst nicht mehr!“ kommt es aus der hintersten Reihe.
„Wir sollten uns auf die Grundsicherung konzentrieren… und nur die Leistungen finfanzieren, die wirklich etwas bringen…“
„Genau, und teure Therapien, die nachweislich keinen signifikanten Nutzen haben, die werden gnadenlos abgelehnt!“
Der Minister schüttelt den Kopf.
„Das wissen wir doch schon alles, meine Damen und Herren. Die Frage ist: wo sollen wir anfangen mit dem Sparen?“

Written by medizynicus

21. Juni 2011 at 18:06

Marketingstrategien (2)

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Sauberer Kittel, souverän-gewinnendes Lächeln und zur Feier des Tages sogar eine Krawatte, so trete ich heute die Visite an.
„Also, Frau Gerber, das Warten hat ein Ende!“
Die Patientin strahlt.
„Werde ich jetzt gesund?“
Langsam schüttele ich den Kopf.
„Nein, das leider nicht.“
Die Patientin sinkt in Ihre Kissen zurück.
„Schade, Herr Doktor…“
„Ich sagte: das Warten hat ein Ende!“
Sie runzelt die Stirn.
„Wie meinen Sie das?“
Ich deute auf den zerlesenen Arztromantikliebescnnulzkitschroman auf ihrem Nachttisch.
„Den brauchen Sie jetzt nicht mehr!“
„Äh… wieso?“
„Weil es jetzt etwas Besseres gibt!“
Sie schaut mich argwöhnisch an.
Ich lange in meine Kitteltasche und hole etwas hervor. Dieses Etwas ist blau, hat 208 Seiten und die ISBN 9783842364103. Frau Gerber nimmt es mit zitternden Händen entgegen.
„Ein Buch?“ fragt sie.
Ich räuspere mich.
Balthasar und die Kunst des Heilens,“ hebe ich an, „ist ein wunderbares Werk. Es handelt von…“
Frau Gerber starrt mich an. Ihre Gesichtsfarbe geht jetzt ins Rötliche.
„Das macht dann elf Euro fünfundneunzig!“ sage ich.
„Das ist doch die größte Unverschämtheit, die mir je untergekommen ist!“ brüllt Frau Gerber, „Was fällt Ihnen ein, Sie… Sie…“
Das Buch fliegt einen halben Zentimeter an meinem linken Ohr vorbei und landet zielsicher im Papierkorb. Ich traue mich nicht, es dort herauszuholen.
„Ich glaube, wir müssen die Sache anders angehen!“ sage ich zu Anna am Telefon.

Written by medizynicus

19. Juni 2011 at 19:11

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über die heilsame Wirkung von Kaffee

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Der junge Mann ist mit Notarzt gekommen und jetzt liegt er da in Kabine zwo und stöhnt und jammert. Akutes Abdomen heißt es, und das kann erstmal so ziemlich alles sein, entweder ein durchgebrochener Blinddarm mit dicker Bauchfellentzündung oder auch ein quersitzender Furz. Unsereins lässt sich davon jedenfalls nicht aus der Ruhe bringen, wir spulen das gewohnte Programm ab. Und das heißt: Blut abnehmen, venösen Zugang legen, Infusion anhängen mit Schmerzmittel drin, Ultraschalluntersuchung und dann allmählich mal die Chirurgen anfunken.
Und während wir auf den Meister der messerschwingenden Zunft warten, könnte man die Zeit nutzen um ein paar kluge Sätze in die Krankenakte zu schreiben.
„Gibt’s irgendwelche Vorerkrankungen?“ frage ich den Patienten.
Der schüttelt den Kopf.
„Nee, eigentlich nicht, aber…“
„Aber was?“
„Aber… äh… ich war heute noch nicht…“
„Sie waren heute noch nicht… was?“
„Na, aufm… Klo…“
Aha?
„Wann waren Sie denn zuletzt?“
„Gestern. Ich gehe jeden Morgen.“
Hmmm.
„Sie gehen jeden Morgen?“
Der Patient schielt auf meine Kaffeetasse.
„Krieg ich auch einen?“ fragt er.
„Das geht aber nicht!“ sagt Jenny.
„Warum nicht?“
„Weil Sie nüchtern bleiben sollen… für den Fall, dass Sie operiert werden müssen…“
„Ich hatte aber heute noch keinen!“
„Keinen… was?“
„Na, keinen Kaffee! Ohne meinen Kaffee kann ich nicht…“
Kein Wunder, dass es ihm schlecht geht!
„Er kann einen haben!“ sage ich zu Jenny.
„Aber die Chirurgen…“
Oberarzt Biestig ist der größte Choleriker unter der Sonne. Der wird so oder so etwas auszusetzen haben und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen Anlass für einen Tobsuchtsanfall finden. Und wer weiß, wie lange es noch dauert, bis er auftaucht. Und warum sollte ich diesen jungen Mann bis dahin ohne Koffein im Blut darben zu lassen? Ich bin doch schließlich kein Kerkermeister!
„Ist schon okay. Gib ihm einen Kaffee! Das nehme ich auf meine Kappe!“
Der Patient strahlt. Und eine Viertelstunde später strahlt er immer noch.
„Es hat geklappt, Herr Doktor!“
„Was hat geklappt?“
Er druckst ein wenig herum
„Na… es… äh… Sie wissen schon… hat geklappt. Darf ich jetzt heimgehen?“
Merke: koffeininduzierte Darmentleerung kann Wunder wirken.

Written by medizynicus

17. Juni 2011 at 21:44

Veröffentlicht in Alltagswahnsinn