Archive for Februar 2012
Bitte keine Sterbenden in meinem Vorgarten!
Der Tod ist Böse.
Natürlich wissen wir, dass wir ihm nicht entgehen können, irgendwann, irgendwann einmal , aber weil wir alle hoffen, dass es bis dahin noch ziemlich weit hin ist, denken wir besser nicht dran. Und allem, was uns daran erinnert, gehen wir am liebsten aus dem Weg.
Wenn beim Nachbarn der Leichenwagen vorfährt, dann bleibt uns vor Schreck das Frühstücksbrötchen im Hals stecken. Und wenn das mit dem Leichenwagen jeden Tag passiert?
Böse, böse! Besser nicht….
Nun gibt es Menschen, die schwer krank sind. So schwer krank, dass das unvermeidbare Ende keine Frage von Jahren oder Jahrzehnten, sondern eher von Wochen und Tagen ist. Und es ist möglich, dafür zu sorgen, dass auch diese Menschen in ihren letzten Tagen mitten im Leben stehen…. ein bißchen zumindest…. oder dass man ihnen die letzten Tage so angenehm wie möglich gestaltet.
Zwar ist Deutschland in Bezug auf Palliativmedizin fast noch ein Entwicklungsland, aber allmählich passiert hier etwas… zumindest hier und dort.
Im Hamburger Süden soll ein neues Hospiz entstehen. Zwei Anwohner klagen dagegen. Die Argumente erscheinen an den Haaren herbeigezogen: man mache sich Sorgen um den Wert der umliegenden Immobilien, redet von Belästigung durch erhöhten Leichenwagen-Verkehr und wenn schon, dann soll sich das Ding zumindest hinter einer hohen Mauer verstecken….
Die gute Nachricht: fünfundneunzig Prozent der Anwohner teilen die Bedenken offenbar nicht.
Gesundheit oder Profit? Pharmakonzern streitet mit der indischen Regierung
Okay Leute, das Leben ist kein Ponyhof.
Ein intnernationaler Pharmakonzern investiert Millionen und Milliarden von Dollars und Euronen um ein neues Medikament zu entwickeln, dann ist man endlich im Geschäft und plötzlich… kommen ein paar dahergelaufene Heinis aus der Dritten Welt daher und bauen das Zeug nach um es den armen Leuten viel billiger zu verticken und scheren sich dabei einen Teufel um internationales Patentrecht.
Sind das jetzt Helden? Also nicht Novartis, sondern die Nachbastler meine ich jetzt… äh… oder vielleicht doch Novartis?
Um das Geld für die Entwicklung eines neuen Medikamentes wieder reinholen zu können, müssen die Preise hochgehalten werden. Auch dann, wenn es sich um Medikamente gegen HIV und andere Infektionskrankheiten handelt, die in Drittweltländern dringend benötigt aber unter diesen Bedingungen unerschwinglich sind. Nun gibt es auch in solchen Ländern clevere Chemiker und manchmal ist die Herstellung dieser Pillen gar nicht so kompliziert… eine große Versuchung also für Robin-Hood-Drugs-Incorporated aus Süd-Spelunkistan.
Und so geschieht es auch: In Indien zum Beispiel gab es bis 2005 keinen Patentschutz für Medikamente.
Dass die großen Konzerne sich das nicht gerne gefallen lassen, liegt auf der Hand.
Am 28.2. steht vor dem Obersten Gerichtshof in Neu-Delhi ein Verfahren an (in dem es zwar vordergründig um etwas ganz anderes geht).
Die wohlbekannte Hilfsorganisation Ärzte Ohne Grenzen hat hierzu die Öffentlichkeit mobilisiert – und sammelt Unterstützer für eine Petition.
- Petitions-Kampagne bei
Avaaz.Org: „NOVARTIS: Millionenprofit auf Kosten der Armen“.
- Ärzte Ohne Grenzen über die Hintergründe der Kampagne.
Wenn ich König von Deutschland wär… dann kommt die staatliche Einheitskrankenkasse
Vorgestern wurde bekannt, dass in Berlin ab sofort ein hoher Beamtenjob vakant ist. Das wär doch was für mich, hab ich mir gedacht, denn Beamter wollte ich immer schon mal werden. Aber dann hab ich mir gedacht, noch viel besser wäre doch, wenn man mir doch bei der Gelegenheit gleich eine Krone aufsetzen und mich zum König machen könnte. Dann hat man halt länger was davon. Irgendwo tief im Westen gibts ja bekanntlich eine Insel, da wo so eine Königin draufsitzt, die jetzt seit fast sechzig Jahren das Zepter in der Hand hält, und das muss man erstmal schaffen.
Ehrlich gesagt, hätte mir ja auch der Job des Gesundheitsministers schon gereicht, aber der ist ja derzeit leider nicht frei, aber wenn ich König bin, dann könnte man das ja rasch ändern. Natürlich würde ich auf diesen Posten einen vertrauenswürdigen Mitstreiter setzen.
Und dann?
Ja, dann geht‘s los.
Erstmal wird das gesamte Gesundheitswesen verstaatlicht.
Alles. Krankenhäuser, Krankenwagen, Krankenkassen, alles gehört dem Staat. Also mir. Oder Euch. Denn ich bin ja ein demokratischer König, aber davon später.
Die Krankenkassen werden vereinigt. Nix mehr mit AOK, DAK, BKK, TKK – nur noch die EKK bleibt übrig, die große Einheitskrankenkasse. Da ist jeder drin, der sich in unserem Lande aufhält, keiner braucht sich anzumelden oder abzumelden und man muss auch keine Beiträge mehr zahlen: Das Geld für die Einheitskrankenkasse kommt direkt vom Staat, also aus dem großen Steuertopf: die Steuern werden ein bißchen erhöht, dafür entfällt eine Menge komplizierter Abrechnerei. Und weil in der Einheitskrankenkasse jeder drin ist, kann auch keiner mehr rausfallen, selbst wenn er kein Geld hat.
Das Ganze bringt natürlich mit sich, dass ziemlich viele Bürokraten überflüssig geworden sind. Aber die werden nicht arbeitslos, die werden nämlich umgeschult, zu Pflegekräften zum Beispiel. Also Leistungserbringer statt Leistungsverwalter.
Und wir alle hätten nur noch einen einzigen Arbeitgeber. Das wäre ein ziemlich großer Arbeitgeber. Der hätte also ein Monopol. Und Monopole sind böse, sagt Ihr, ja?
Eben! Und da kommt jetzt die Sache mit dem Staat ins Spiel.
Denn weil ich ein demokratischer König bin, habt Ihr die Möglichkeit, meine Einheitskrankenkasse zu kontrollieren. Jeder von Euch kann das. Der Chef von der Einheitskrankenkasse wird vom Parlament ernannt und ist diesem rechenschaftspflichtig und wenn er Mist baut, dann fliegt er raus. Alle lokalen Unterorganisationen werden von den örtlichen Parlamenten kontrolliert, und wenn die Mist bauen… siehe oben.
Ihr seht, vor dem Staat braucht man keine Angst zu haben! Zumindest dann nicht, wenn es sich um einen demokratischen Staat handelt und man seine Rechte, und auch seine Pflichten als demokratischer Bürger ernst nimmt.
Tja, und weil ich das nun einmal tu – also das ernstnehmen meiner demokratischen Rechte – da bin ich gleich mal hin zur Regierung und habe so einen Vorschlag eingereicht.
Den kann man unterstützen, wenn man will.
Muss man natürlich nicht.
Kann man auch kommentieren.
Man kann auch einen Gegenvorschlag machen.
So ist das halt mit der Demokratie.
Welcome back!
Ja, herzlich willkommen zurück in Klein-Blogistan, Josephine. Auf den ersten Beitrag vor drei Tagen gab’s über dreihundert Kommentare und auf den zweiten Beitrag von gestern auch schon achtzig, ja, also, herzlich Willkommen, und dank an Docangel (ohne Link?) für den Tipp, wobei die Ehre aber eigentlich Sophie Sternenmond gehört, die sich durch Josephines Comebeck bemüsigt hat, auch wieder loszubloggen, also in diese Richtung gleichfalls ein herzliches Willkommen, und auf das nächste Ranking bin ich jetzt wirklich gespannt!
Die Namen der Pillen (Teil 2)
Also, zunächstmal möchte ich doch all den Kommentatoren danken – insbesondere Kelef und McCloud, die das Wesentliche längst wunderbar erklärt haben.
Fassen wir also zusammen:
Nehmen wir an, ein paar Forscher wollen ein neues Medikament entwickeln.
Zum Beispiel ein Schmerzmittel.
Sie testen verschiedene Substanzen aus und stellen fest, hey, eine davon funktioniert ja tatsächlich! Man durchläuft die langwierigen und komplizierten Phasen der klinischen Testung und, hey presto, am Ende ist da ein neues Medikament.
Das besteht aus einer chemischen Substanz, die sich – gemäß den Richtlinien für Nomenklaturen chemischer Substanzen – beschreiben lässt.
Lange und komplizierte Moleküle haben lange und komplizierte Namen.
Beispiel gefällig?
Wie wäre es mit: 2-[2-(2,6-Dichlorphenylamino)phenyl]acetat
Kann das irgendwer aussprechen?
Allein schon die Schreibweise mit den vielen Zahlen und runden und eckigen Klammern ist ja eine Kunst für sich! Damit das Zeug halbwegs über die Zunge kommt – also ich meine jetzt die Zunge des Wissenschaftlers, nicht die des potentiellen Patienten – ist also eine Vereinfachung fällig. Lassen wir also ein paar Zahlen und Klammern weg, auch ein paar Buchstaben:
2-[2-(2,6-Dichlorphenylamino)phenyl]acetat.
Diclophenac. Oder Diclofenac.
Klingt doch schon etwas einfacher, oder?
Das ist jetzt der Begriff, den Wissenschaftler verwenden, wenn sie von der neuen Substanz sprechen.
Das ist dann der Internationale Freiname oder „Generic Name“ des neuen Medikaments. Den Begriff darf jeder verwenden, er ist nicht gesetzlich geschützt.
Gut, wir haben also tatsächlich ein neues Medikament.
Und das geht jetzt in Serie, es wird produziert und es muss vermarktet werden.
Dazu braucht der Hersteller – der natürlich flugs ein Patent angemeldet hat – einen neuen Begriff, der einzigartig ist, denn man will ja, dass der Käufer an das Produkt der eigenen Firma denkt und nicht an irgendwelche chemischen Substanzen.
Wie findet man einen solchen Markennamen?
Heutzutage hat jeder Pharmakonzern natürlich eine hochbezahlte Marketing-Abteilung und das „Branding“ ist eine richtige Wissenschaft für sich… früher ging man da viel hemdsärmeliger vor: Im Falle der oben beschriebenen Substanz schaute also der Mitarbeiter der betreffenden Abteilung mal kurz aus dem Fenster und stellte fest, dass er sich in der schönen Stadt Basel auf dem hässlichen Volta-Platz befand und – hey, Presto, das Zeug heißt bis heute Volta-ren (danke, Pharmama!).
Was bedeutet das für uns Ärzte?
Die meisten Medikamente haben mindestens zwei Namen. Das ist sehr verwirrend. Sowohl für die Patienten, als auch für alle Angehörigen von Berufsgruppen, die professionell mit dem Verteilen von Medikamenten zu tun haben.
Medizinisch macht das Ganze jedenfalls keinen Sinn.
Und im schlimmsten Fall gefährdet es sogar Menschenleben.