Medizynicus Arzt Blog

Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

Archive for März 2013

Ich habe fertig mit Winter (3)

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Von Hundertachtzig auf annähernd Null in annähernd Null Sekunden…. nicht nur die Beschleunigung, sondern auch die Bremsen sind… einfach Wahnsinn!
Langsam und gemächlich manövriere ich die Lady auf den Raststättenparkplatz. Direkt vor dem Restaurant ist ein Platz frei. Ich steige aus und schließe ab.
Ein Typ kommt vorbeigeschluft, zwei Quengelkinder im Schlepptau.
„Guck mal Papa, ein Rennauto!“
Papa guckt und grinst mich an.
„Wolln wa tauschen?“
Er deutet mit dem Daumen auf einen Golf-Variant schräg gegenüber, wo Mama geschäftig im Kofferraum werkelt.
No way, Alter! Meine Lady gebe ich nicht her! Sieht ja schon schick aus, muss man sagen, so mit Doppelauspuff, extragroßen Rücklichtern und noch so ein paar Spielereien, auf die mich Matze vorhin hingewiesen hat, die ich aber inzwischen vergessen habe.
Ich trinke meinen Kaffee – den Autoschlüssel lasse ich natürlich ganz diskret gut sichtbar auf dem Tisch liegen und gehe dann wieder zurück. Ach ja, tanken müsste ich auch noch… also gut…
…es gluckert und gluckert… die Anzeige rattert und ratter….
He, Matze, Du knauseriger Sausack! Das nächste Mal kannste gefälligst mit dem Taxi zum Flughafen fahren!
Oder doch nicht?
Immerhin, wenn ich den Sprit schon selbst bezahlt habe, dann will ich ihn auch verfahren dürfen. Also los geht’s!
Hey, das Dach kann man ja aufmachen…
Es nieselschneeregnet zwar ein wenig… aber wozu gibt’s in der Karre eine Sitzheizung? Und das Heizgebläse funktioniert ebenfalls tadellos… und nochwas, Leute: Zwar pladdern inzwischen immer mehr Regentropfen gegen die Windschutzscheibe, aber bei Hundertachtzig Ka Emm Ha, da wird man auch bei offenem Dach nicht nass! Gewusst wie, was? Man muss nur schnell genug fahren!
Ich drehe die Anlage auf und höre Sommermusik vom Feinsten: UB40 besingt den roten Rotwein und schwärmt von der schönen Stadt Kingston.
Wird Zeit, dass der Frühling endlich kommt. Und dem Matze, dem wünsche ich noch viel Spaß in Florida.

Written by medizynicus

31. März 2013 at 12:24

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Ich habe fertig mit Winter (2)

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Ganz, ganz vorsichtig berühre ich das Gaspedal. Der Motor brummt satt und gemütlich. Ich lehne mich in dem bequemen Ledersitz zurück und wundere mich ein wenig, weil diese Schnarchnase da vorne plötzlich so rasch näher gekommen ist… kann der sich nicht ein bisschen beeilen mit dem Lastwagen-Überholen?
Ooops, was ist denn bloß mit dieser Tachonadel los? Wieso steht die plötzlich bei Hundertneunzig?
Wow! Die Lady hat nicht nur ein tolles Gaspedal, sondern auch ganz praktische Bremsen. In Sekundenbruchteilen ist die Tachonadel wieder runter auf Hundertzwanzig, dann noch einmal kurz Aufblenden und die Schnarchnase vor mir schert brav rechts ein. Ich nicke dem Fahrer noch freundlich zu und dann bin ich auch schon wieder weg.
Über mir fliegt ein Flugzeug. Ob darin der Matze sitzt auf dem Weg nach Florida?
Wenn ich jetzt das Gaspedal weiter kräftig durchtrete, bin ich wahrscheinlich genauso schnell in Florida wie er… also, zumindest dann, wenn da nicht dieser große Teich dazwischen wäre.
Aber in diesem Augenblick finde ich es, glaube ich, ziemlich gut dass der Matze die nächsten Tage in Florida verbringen wird. Vor allem finde ich es gut, dass der Matze so ein Geizkragen ist und die unverschämt hohen Parkgebühren am Flughafen als Frechheit betrachtet. Wobei ich allerdings glaube, dass er bloß Angst hat um seine Lady, die er auf keinen Fall für so lange Zeit in einem öffentlichen Parkhaus stehen lassen möchte. Deswegen musste ich ihm ja auch versprechen, die Lady auf keinen Fall über Nacht auf der Straße vor meiner Wohnung stehen zu lassen sondern immer brav an jedem Abend in Matzes Garage zu fahren. Davon abgesehen darf ich mit der Lady machen, was ich will, hat Matze mir großzügig erlaubt… also nichts Unmoralisches natürlich, aber wer hätte denn auch beim Anblick einer solchen Lady irgendwelche unmoralischen Gedanken?
Ich zum Beispiel.
Genau jetzt.
An der nächsten Raststätte fahre ich raus.

Written by medizynicus

30. März 2013 at 00:05

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Ich habe fertig mit Winter

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„Und pass gut auf meine Lady auf, ja?“
Matze Greding schaut nervös auf die Anzeigetafel über unseren Köpfen.
„Aber selbstverständlich tu ich das!“
Ich bemühe mich zu lächeln. In Wirklichkeit habe ich nämlich nicht den Hauch einer Ahnung, wie man mit dieser Lady umzugehen hat.
„Ich habe Dir ja alles erklärt, was Du wissen musst!“ sagt Matze.
Ob mein momentaner Gesichtsausdruck wohl für so etwas wie die Imitation von Zuversichtlichkeit durchgeht?
„Klar hast Du das! So ausführlich, dass Du mir gar nicht erzählen konntest, wohin Deine Reise eigentlich geht…“
„Florida.“ sagt Matze kurz.
„Du bist wirklich zu beneiden!“
„Ich habe seit Jahren keinen richtigen Urlaub mehr gehabt…“
„Willkommen im Club!“
„…aber die Verwaltung wollte mir den Resturlaub ja nicht auszahlen!“
„Und deswegen musstest Du ihn nehmen. Mensch, Du hättest es schlimmer treffen können, oder?“
Matze fährt nervös mit der Hand durch seine grauen Haare. Sein Schnauzbart zittert leicht.
„Aber auf die Lady musst Du gut aufpassen, ja?“
„Hab ich doch versprochen!“
Die Anzeigetafel klackert.
„Du musst zu Gate vierunddreißig!“ sage ich und klopfe ihm auf die Schulter.
Matze langt in seine Jackentasche und drückt mir den Autoschlüssel in die Hand.
„Ja, dann geh ich mal…“
„Viel Spaß in Florida!“
Ich drücke seine Hand. Die ist schweißnass.
Langsam geht er in Richtung Sicherheitskontrolle. Kurz vorher dreht er sich noch einmal um.
„Und pass auf die Lady auf, ja?“
„Mach ich. Und schreib uns eine Postkarte!“
Endlich ist er hinter der Glastür verschwunden.
Zehn Minuten später sitze ich am Steuer einer tiefergelegten Rennflunder mit gefühlten dreihundertfünfzig PS. Vorsichtig bugsiere ich das Teil aus dem Parkhaus auf die Zubringerstraße.
Schön vorsichtig umgehen mit der Lady, habe ich Matze versprochen.

Written by medizynicus

29. März 2013 at 15:57

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Anne Mehlhorn hat unser Buch gelesen und rezensiert

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Auf ihrer Autoren-Seite schreibt sie:

…Unweigerlich fragt man sich bei der Lektüre, wie viele Balthasars vielleicht im örtlichen Krankenhaus herumlaufen…

und weiter heißt es:

Besonders gemein nämlich ist dieses Buch, wenn dem Leser vorgeführt wird, dass die Grenzen zwischen dem Scharlatan Balthasar und den „echten Ärzten“ nicht so scharf zu ziehen sind, wie zu Beginn angenommen.

Übrigens hat Anne auch ein Buch geschrieben. Es heißt „Die Seele des Stachelschweins“ und erscheint in diesem Sommer. Worum es geht? Alles noch streng geheim… 🙂 ! Stay Tuned!

Written by medizynicus

25. März 2013 at 13:55

Diebstahl!

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Freitag Morgen.
Ich sitze in der Stationsküche, starre hinaus in die spätwinterliche Trübnis und trinke einen Schluck Krankenhauskaffeeplörre.
Die Tür geht auf. Kalle kommt rein, greift reflexartig nach Kaffeetasse und Teller und setzt sich.
„Na, schon wieder nicht Papst geworden?“ lästert Jenny.
Kalle schnappt sich ein Brötchen aus dem Korb auf der Tischmitte und beginnt, es dick mit Butter zu bestreichen.
„Nee, waren wohl zu viele Sünden!“
Schwester Paula schaut ihn scheel von der Seite her an.
„Und soeben begehen Sie schon wieder eine!“
Kalle hält im Brötchenstreichen inne.
„Wie bitte?“
„Du sollst nicht stehlen!“
„Äh?“
Kalle klappt das Brötchen zusammen und beißt das erste Stück ab.
„Woher kommt dieses Brötchen?“ fragt Schwester Paula mit inquisitorischem Unterton.
„Aus der Küche!“
„Und wozu ist es da?“
„Hä?“
Kalle schaut etwas verwirrt in die Wäsche.
„Dieses Brötchen ist allein für den Verzehr durch unsere Patienten bestimmt!“ doziert Schwester Paula, „und wenn Sie das essen, Herr Doktor, dann begehen Sie Diebstahl!“
„Höchstens Mundraub!“ verbessert Kalle.
„Ist aber egal. Wenn jemand von der Direktion sieht, kassieren Sie im besten Fall eine Abmahnung. Oder sogar die fristlose Kündigung!“ fährt Schwester Paula ungerührt fort.
„Aber das machen doch alle!“ wirft Jenny ein.
Das ist richtig. Wenn unsere Patienten mit dem Frühtück fertig sind, legt uns eine von den Küchendamen eine große Tüte mit Brötchen auf den Tisch. Das war schon immer so. Dafür bekommt die Küchendame von uns Krankenhauskaffeeplörre bis zum abwinken und wird mit zur Weihnachtsfeier eingeladen. Die Brötchen sind übriggeblieben, wenn sie zurück in die Küche gehen, werden sie weggeworfen. Aus hygienischen Gründen. Und Krankenhausbrötchen dürfen auch nicht kostenlos an Obdachlose verteilt werden, weil… könnten ja fiese böse Bazillen dran sein. Hatten wir schon, diese Diskussion. Und weil wir nun einmal nicht so pingelig sind und an Krankenhausbrötchen nichts auszusetzen haben, essen wir die halt.
„Dürfen wir aber nicht!“ sagt Schwester Paula und öffnet die Tupperdose mit ihren mitgebrachten Vollkornbrotstullen.
Kalle kaut weiter und seufzt.
„Okay, ich habe gesündigt!“ sagt er, „Sechstes Gebot!“
„Achtes Gebot!“ verbessert Schwester Paula.
„Wieso?“
„Das sechste Gebot heißt: Du sollst nicht töten!“
Kalle spült den letzten Bissen mit einem Schluck Krankenhauskaffeeplörre runter und steht auf.
„Sagte ich doch!“

Written by medizynicus

15. März 2013 at 10:16

Frühling in Bad Dingenskirchen

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Das weiße Zeug da draußen ist endlich weg. Stattdessen blühen in den Vorgärten endlich die ersten Krokusse. Den Weg zur Arbeit lege ich inzwischen im Hellen zurück und das Innenfutter aus der Winterjacke habe ich letztens waghalsigerweise herausgeknöpft. Vögel zwitschern und der Pförtner hat mir ein fröhlich-beschwingtes „Guten Morgen“ zugerufen. Sogar der Kaffeee hat heute richtig frisch geschmeckt.
Herr Schrothenkorn steht splitternackt vor mir in seiner ganzen fünfundachtzigjährigen Pracht.
Ich hocke tief gebückt vor ihm und versuche, die Leistenbruch-Fäden aus ihm heraus zu operieren. Der Chirurg wollte es besonders schön machen und hat daher besonders dünnes Nahtmaterial verwendet und einmal der Länge nach so durch die Haut gezogen, dass es beim Versuch des Entfernens sofort abreißt, was zur Folge hat, dass ich die einzelnen Fragment mühsam herausprokeln muss.
Meinem Patienten scheint das alles nichts auszumachen. Gleichmütig schaut er aus dem Fenster. Dann schaut er auf mich herunter und schüttelt den Kopf.
„Geht’s Doktor?“
Klar geht’s! Gehen tut immer. Geht nicht gibt’s nicht in unserem Job.
Herr Schrothenkorn greift nach seiner Körpermitte um die störenden Körperteile mit der Hand aus meinem Weg zu schaffen.
Wirft einen nachdenklichen Blick auf sein bestes Stück und schüttelt erneut den Kopf.
„Hat ja schon eine Menge erlebt, der Gute!“
Wie bitte?
Fast wären mir Pinzette und Fadenmesser aus der Hand gefallen.
„Damals im Krieg,“ fährt er fort, „Die Franzöinnen…“
Ach ja?
Herr Schrothenkorn schaut wieder aus dem Fenster.
„Wird Frühling!“ sagt er nachdenklich.

Written by medizynicus

8. März 2013 at 08:30

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Medizynicus goes Grosse Weite Welt (2)

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O Mannomannomannomann, wo kommen bloß all diese Flugzeuge her in meinem Kopf?
Hmmm…. Mal nachdenken… Ein paar Stunden in diesem schnellen Speisewagenzug, eine kurze U-Bahn-Fahrt (o ja, es handelt sich um eine Stadt, in der es U-Bahnen gibt, große weite Welt hält, sagte ich doch schon….) und dann… Äh, ein paar Flaschen Wein später…. Geht Euch ja alles nix an, nä? Also nach ein paar Flaschen und so…. Hmmmm. Jedenfalls Brauch ich jetzt erstmal ein Cholersterinbrötchen…. Und bekleckere mich dabei, Rühreibröckchen überall über den teuren Kaschmirpullover, Kaffeeflecken auf der billigen Tischdecke, Tomatenrste auf… István egal, also jetzt schnell den ganzen Mist ab ins Tischmülleimerchen und dann ab durch die Mitte zur Dusche….

Written by medizynicus

2. März 2013 at 10:53

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Medizynicus goes Große Weite Welt

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Lange, lange ist’s her seit dem letzen Eintrag in diesem Blog… ist schon so eine Sache, wenn man vor lauter Leben retten gar nicht mehr zum Schreiben kommt. Also zum Schreiben streng genommen schon, nur dass sich meine literarischen Ergüsse in der letzten Zeit auf Dokumente der weniger unterhaltsamen Art beschränkt haben, also Arztbriefe zum Beispiel und sowass…. Gutachten, Formulare und der übliche Kram halt, den man so papiertigermäßig zu bekämpfen hat, wenn man eigentlich weissbekittelt Leben retten will.
Aber jetzt ist Schluss damiit.
Achtundvierzig Stunden lang ist Dolce Vita angesagt.
Ich schreibe diese Zeilen in einem Speisewagen, der mich mit zweihundertfünfzig Stundenkilometern von Bad Dingenskirchen weg katapultiert, das sind in jeder Sekunde…. ist ja auch egal.
Weniger egal ist, dass jetzt gleich ein frischgezapftes kühles Bier vor mir stehen wird.
Und dann werde ich Euch auch bei Gelegenheit ein wenig davon erzählen, was sich in den letzten Wochen so alles zugetragen hat… vorausgesetzt, diese beanzugten handydaddelnden Businessmänner verwickeln mich nicht in ein spannendes Gespräch oder es gelingt mir, mit der blonden Bedienung zu flirten…
Egal.
Jetzt kommt erstmal mein Bier.

Written by medizynicus

1. März 2013 at 20:33

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