Medizynicus Arzt Blog

Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

Archive for November 2014

Spendenmafia

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November.
Regen. Sturm. Wind pfeift ums Haus, der Sturm stürmt heulend durch die Gegend, Donner donnert, Blitze blitzen und…
„Dingdong!“
Wie bitte?
„Dingdong! Dingdong!“ dingelt es an meiner Wohnungstür.
Wer stört?
Ich erwarte niemanden. Also vorsichtig mal durch den Türspion gelinst und…
„Dingdong! Dingdong! Dingdong!“
….Mist, jetzt ist klar, dass jemand zu Hause ist, Licht unter dem Türspalt, verräterische Knackgeräusche und so, aber ist ja egal, zwingt mich doch niemand dazu, aufzumachen, wenn ich keinen erwarte, meine Wohnung ist meine Wohnung und die gehört mir und nur mir allein…. also zumindest so lange, wie ich die Miete bezahle. Also, warum sollte ich aufmachen?
„Dingdong! Dingdong! Dingdingdong! Dingdongdingeldong!“ klingelt es weiter.
Sollte ich vielleicht doch aufmachen?
Wer weiß, vielleicht ist es ja die Lottofee?
Sie ist es nicht.
Ein Typ mit Vollbart, Lederjacke, zwei Meter groß, fast ebenso breit stellt seinen Kampfspringerstiefel in meinen Türspalt.
„Sind Sie Herr Armschlag?“
Wer sonst?
„Herr Benno Armschlag?“
Mr. Kampfspringerstiefel wedelt mit einem laminierten Ausweisdingsda
Nicken. Zu Boden starren. Sich nochmal zwanzig Zentimeter kleiner fühlen.
„Herr Armschlag, ich erwarte von Ihnen, dass auch Sie den Verein der Wohltätigen Wohltäter mit einer großzügigen Spende unterstützen!“
Er rammt mir eine Spendendose vor die Nase.
„Sie werden doch spenden, oder?“
Zurückweichen. Vorsichtiges Kopfschütteln.
„Äh… nee!“
„Sie behaupten, das Schicksal der von den Wohltätigen Wohltätern wohltätigst versorgten Menschen ist Ihnen egal?“
„Äh… nee… also…. äh, ich spende direkt!“
„Oho! Sie haben also Interesse an einer Fördermitgliedschaft? Dann unterschreiben Sie einfach hier, geben mir kurz Ihre Bankkarte und den Rest trage ich dann schon selbst ein. Damit werden Sie dann jeden Monat….“
„Nö!“
„Herr Armschlag, Sie wollen doch nicht sagen, dass Sie herzlos sind, gegenüber der Not…“
Seine Stimme ist plötzlich ganz weich. So weich wie meine Knie. Und mein Hirn rattert. Rattert immer schneller.
„Ich bin doch bei der Konkurrenz!“
Mr. Kampfspringerstiefel hält mit offenem Mund inne.
„Ich bin doch bei den lebensrettenden Lebensrettern! Wenn Sie also so gütig wären, mir gütigerweise Ihre Kreditkarte zur Verfügung zu stellen, dann könnte ich gleich einen Beitrag in frei gewählter Höhe als steuerabzugsfähige Spende abbuchen….“
Mr. Kampfspringerstiefel zieht vor Schreck seinen Kampfspringerstiefel aus meiner Tür. Klackrums, ist die auch schon zugeschlagen. Und jetzt schnell die Kette vorgehängt und die Klingel ausgeschaltet. Ist ja noch gerade mal gut gegangen!

special thanks an Molly!

Written by medizynicus

22. November 2014 at 14:20

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Arzt-Karrieren: das Brainstorming

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So, liebe Kollegen,
…es ist mal wieder Zeit für ein leckeres Tässchen Kaffee und die nächste Folge von dem Onkel Medizynicus sein Karriereseminar. Also, fangen wir mal an. Was gibt’s denn da so alles im Angebot? Machen wir mal ein kleines Brainstorming: Wo könntet, wo wolltet Ihr in zehn, fünfzehn, zwanzig Jahren sein, was habt Ihr für Möglichkeiten:

  • Chefarzt – Schön für Dich, wenn Du ein echtes High Potential bist. Noten sind vielleicht nicht ganz so wichtig, aber Du solltest mindestens einen Doktortitel haben und vielleicht ein paar wissenschaftliche Veröffentlichungen vorzuweisen haben. Worum es da geht, ist nebensächlich, die Leute, die über Deine Einstellung zu entscheiden haben, haben davon vermutlich sowieso keine Ahnung. Wichtig sind möglichst viele Zeugnisse über irgendwelche tollen Qualifikationen: Facharzt ist obligatorisch, doppelter Facharzt gerne gesehen, und jede Zusatzbezeichnung willkommen. In Amerika gewesen zu sein eindeutig von Vorteil. Anderes Ausland zählt nicht so. Amerikanisches Examen hingegen schon…. Wie gesagt, Ausnahmen bestätigen die Regel. Und in kleinen Provinzklitschen ist es heutzutage gar nicht mal so schwer wie vor zehn oder zwanzig Jahren. Aber, wie gesagt, eher etwas für die Ehrgeizigeren unter Euch.
  • Oberarzt – …ist doch auch schonmal was. Ganz ohne Ehrgeiz, Fleiß und Zielstrebigkeit geht es nicht. Aber wer die Facharztprüfung geschafft hat, hat heutzutage keine schlechten Karten, einen Oberarztjob zu finden, wenn er sich ein wenig umschaut und ein wenig flexibel ist. Als Oberarzt ist man in einer klassischen Sandwichposition: Dem Chef gegenüber sollte man loyal sein (nicht unbedingt devot – diese Art Chefs gibt’s zwar auch noch, aber es gibt zunehmend auch Andere), und den Stationsärzten gegenüber kollegialer Vorgesetzter. Nicht ganz einfach. Und Leistungsträger sollte man auch noch sein.
  • Altassistentz – War früher der klassische Looser-Posten, aber klingt fieser als es ist. Darauf kommen wir noch zu sprechen!
  • Niederlassung – Ist auch ein Riesenthema, kommen wir noch drauf zu sprechen. Unterscheiden muss man zwischen:
    • Niederlassung als Facharzt – der klassische Job für Oberärzte, die keine Chefs werden.
    • Niederlassung als Hausarzt – das sind oft Leute, die immer schon Hausarzt werden wollten. Kommen wir auch noch drauf zu sprechen!
  • Außenseiterfächer – zum Beispiel Psychosomatik, Rehakliniken, Palliativmedizin, Arbeitsmedizin, Psychotherapie – hat man meist nicht auf dem Schirm, wenn man frisch von der Uni kommt, weil man sich da oft wenig drunter vorstellen kann. Kann aber echt eine spannende Karriere-Alternative sein
  • Aussteigen – …also aus der direkten Patientenversorgung. Zum Beispiel ins Gesundheitsamt, MDK, Öffentliches Gesundheitswesen, in die (Pharma-) Industrie, Firmen, Medizinjournalismus und was es sonst noch alles gibt…. kann spannend sein, ich komme noch drauf zu sprechen!
  • Auswandern – Tja, für viele von Euch vielleicht DIE Alternative. Aber wohin?
    • Schweiz – Geographisch das Nächstliegende. Vorteil: Schönes Land, viel Geld, angenehmeres Arbeitsklima. Nachteile: hohe Lebenskosten, und man bleibt sein Leben lang so gerade geduldeter Ausländer…. die Schweizer sind nicht einfach (Kollege Dienstarzt kann Euch mehr dazu erzählen!)
    • Schweden – Vorteil: Geregelte Arbeitszeiten, gutes kollegiales Arbeitsklima, schönes Land. Nachteile: der lange dunkle Winter, hohe Lebenshaltungskosten, Sprache
    • Norwegen – Vorteile und Nachteile: Wie Schweden, noch schöneres Land, noch dunklere Winter, noch mehr Geld, noch höhere Lebenshaltungskosten
    • England – Vorteile: Angenehmes, kollegiales Arbeitsklima, gute Weiterbildungsstrukturen, verständliche Sprache. Nachteile: Stellen zunehmend schwieriger zu finden. Viel Arbeit!
    • Australien, Neuseeland – Vorteile und Nachteile: Wie England, nur weiter weg, mehr Exotik, schwierig reinzukommen wenn man nicht vorher in England oder Amerika war
    • Amerika, also USA – wohl DAS Traumziel für Leute, die Karriere machen wollen. Vorteil: macht sich gut im Lebenslauf. Nachteil: das amerikanische Examen (USMLE) ist nicht einfach. Und dann muss man einen Job finden und konkurriert da natürlich mit den ehrgeizigsten Kollegen der ganzen Welt, die alle in die USA wollen. Wenn man dann einen Arbeitsplatz gefunden hat, dann muss man auch arbeiten: nicht vierzig, eher sechzig, siebzig, achtzig Stunden pro Woche. Und Urlaub? Zehn Tage im Jahr sind schon Luxus!

….hab ich noch was vergessen? Wie gesagt, Details gib’s später….

Written by medizynicus

21. November 2014 at 08:47

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Arztkarrieren: die Beta-Player

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Also, liebe Kollegen,
nehmt Euch einen Kaffee, setzt Euch und macht es euch gemütlich. Ein paar Kekse sind auch noch da, aber den Streuselkuchen, von dem würde ich die Finger lassen, den hat nämlich die Schwiegertochter von Herrn Chromsky gebacken, da wäre ich vorsichtig!
Ja, herzlich Willkommen hier in Bad Dingenskirchen!
Wie das so funktioniert und was man so macht als Stationsarzt, das wisst Ihr ja und wenn Ihr es nicht wisst, dann könnt Ihr es auf meinem Blog nachlesen, da habe ich ja inzwischen eine Menge drüber geschrieben, oder?
Was ich Euch heute erzählen möchte ist: Wie es denn weitergeht.
Ja, Leute, Ihr wollt doch nicht Euer Leben lang Stationsarzt bleiben, oder?
Früher war es ganz einfach: Da hat man sechs Jahre als Assistenzarzt gearbeitet, dann war man sieben, acht Jahre lang Oberarzt und dann wurde man Chef. Wenn’s denn stimmt, was die alten Knacker sagen, die inzwischen im besten kardiologischen Patientenalter sind. Aber damals wurde schließlich nicht jeder Chef. Und auch nicht jeder Assistent wurde automatisch Oberarzt. Nee, das war weder damals noch heute so!
Wenn man sich die ganze Sache genauer anschaut, dann braucht man nicht lange, um festzustellen, dass es deutlich weniger Chefs als Oberärzte gibt. Und deutlich weniger Oberärzte als Assistenzärzte…. und wenn man einmal nachrechnet, dann fragt man sich irgendwann mal unwillkürlich: was wird eigentlich aus den Anderen?
Nehmen wir mal an – ja, ich weiß schon, was jetzt kommt, und ja, ich werde auch darauf noch eingehen, aber nehmen wir mal an….. die zehn Prozent Besten eines jeden Studien-Absolventen-Jahrgangs werden irgendwann einmal Chefärzte oder Professoren (oder Beides). Dann gibt es Neunzig Prozent, die nicht zu den Besten gehören. Im Manager-Sprech nennt man solche Leute „Beta-Player“.
Auch die haben ihre Lebensberechtigung. Aber wo?
Ja, es gibt Oberärzte, die niemals Chefs werden. Und es gibt auch Stationsärzte, die niemals Oberärzte werden.
Ist das wirklich die Schlechteste aller Berufsperspektiven?
So, liebe Kollegen, jetzt trinkt Euren Kaffee mal schnell aus, wir müssen wieder an die Arbeit.
Denkt mal nach über das, was ich Euch gerade erzählt habe. Und wenn ihr mit dem Nachdenken fertig seid, dann rede ich weiter….

Written by medizynicus

20. November 2014 at 20:24

Veröffentlicht in Nachdenkereien

Verklickt

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Entschuldigung, Leute, die Fortsetzung des Karriere-Coachings muss noch ein bisschen warten…. ich habe mich nämlich gestern verklickt.
Verklickt?
Also… ja, ich weiß, es ist mir ja alles furchtbar peinlich, aber das kann schließlich jedem mal passieren, oder?
Ja, dann erzähle ich mal:
Wie Ihr wisst, gibt es da den einen oder anderen großen deutschen Freemail-Anbieter, der…. ja, eben kostenlose Email-Adressen anbietet. Natürlich will so eine Firma auch Kohle machen. Klar, die sind ja nicht die Heilsarmee!
Also haben sie verschiedene Geschäftsmodelle. Das eine besteht darin, dass man nicht nur kostenlose Email-Adressen anbietet, sondern das ganze auch noch ein bisschen aufhübscht und dann gegen Geld verkauft.
Ja, und damit die Leute das auch kaufen, wird natürlich Reklame gemacht. Und da haben sie sich eine ganz fiese Masche ausgedacht: Wenn man auf sein Postfach über den Webmail-Zugang zugreifen will, dann kommt da manchmal so eine Nachricht. Da ist ein riesengroßer Button drauf: „Bitte hier klicken!“
Das darf man aber nicht tun, denn dann landet man bei diesen kostenpflichtigen Sachen. Wenn man in sein Gratis-Postfach will, dann muss man auf einen ganz kleinen Link in der Ecke klicken.
Ja, das weiß man. Und darum tut man es auch.
Aber manchmal…. also wenn man zum Beispiel gerade einen anstrengenden Tag hinter sich hatte und müde und unaufmerksam ist, dann kann es einem eben passieren… ja, und genau das ist mir gestern passiert!
Und jetzt?
Jetzt habe ich einen Monat lang kostenlosen Zugriff auf was weiß ich was für Sachen, die mich nicht interessieren und die ich gar nicht haben will. Danach fängt es an Geld zu kosten. Also, danach würde es Geld kosten, wenn ich eine Kontonummer oder einen echten Namen und eine echte Adresse angegeben hätte….. Aber ich bin ja nicht doof. Sind wir ja alle nicht, oder?
Also in einem Monat wird irgendwer irgendwohin irgendwelche Mahnungen schicken und spätestens dann muss man sich von der Email-Adresse verabschieden…
…es sei denn, man macht die ganze Chose rückgängig.
Geht doch, man hat schließlich ein vierzehntägiges Widerrufsrecht!
Aber das kann man nur wahrnehmen, indem man entweder eine kostenpflichtige Telefonnummer anruft oder einen echten Brief mit echter Unterschrift abschickt. Per Mail oder Rückgängig machen geht nicht. Einmal verklickt, immer verklickt.
Hab natürlich gleich eine Mail an die Kundenverdingsda-Stelle geschickt und bin gespannt, ob da was kommt…. aber warum sollten die von ihrem bewährten Geschäftsmodell abrücken?
Na gut. Jedenfalls ist Medizynicus wohl bis auf Weiteres nicht mehr per Mail zu erreichen…. und mit den nächsten Beiträgen dauert es dann wohl erstmal, bis die Sache geklärt ist….
Also, einen schönen Tag noch Euch allen…. Bis demnächst!

Written by medizynicus

19. November 2014 at 08:37

Wie man als Arzt Karriere macht

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Ja, liebe Leute, ich weiß, Ihr wollt es wissen. Ihr wolltet es schon immer wissen, wie wir Ärzte das so hinkriegen, also das mit der Rolex am locker aus dem Fenster des vor einer Villa an der Costa Soundso geparkten Luxus-Cabrios baumelnden Handgelenks…. okay, okay, ich weiß schon, dass glaubt uns heute niemand mehr und diese Zeiten jemals gegeben hat, dann sind sie heutzutage endgültig vorbei. Aber für ein schnuckeliges Einfamilienhäuschen in guter Lage sollte es trotzdem ausreichen, das Gehalt, wenn man ein paar Jahre lang fleißig war und ein paar Ratschläge beherzigt hat.
Was für Ratschläge?
Genau die will ich Euch jetzt geben. Seid doch nicht so ungeduldig, liebe Leute! Ich schlage ja schon… äh, ich erzähle ja schon!
Also, Ratschlag Numero eins:
Seid zielstrebig. Haltet Augen und Ohren offen. Überlegt Euch früh genug, wo Ihr später einmal landen wollt…. Identifiziert Euer Ziel und haltet stetig darauf zu…..
….okay, okay, ich sehe schon, das brauche ich Euch nicht zu sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihr seid ja längst viel zielstrebiger als die zwei, drei Generationen vor Euch, die seit Achtundsechzig hauptsächlich Kiffen, Saufen und Party im Kopf hatten, dafür habt Ihr heute gar keine Zeit mehr, denn Ihr müsst ja studieren, wollt ja vorwärts kommen und wenn Onkel Medizynicus Euch jetzt ein paar Tipps geben will, dann soll er sich gefälligst nicht lange mit dieser blöden Vorrede aufhalten sondern endlich auf den Punkt kommen!
Also, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wie Ihr Euch durchs Studium wuselt, das haben Andere Leute besser und ausführlicher beschrieben (zum Beispiel Saskia in ihrem Studienführer) und wie man sich eine Stelle sucht, dazu gibt’s auch genügend Tipps, z.B. im Blog von Arzt-an-Bord.
Fangen wir also da an, wo man gewöhnlich anfängt, nämlich am Anfang.
An Eurem ersten Arbeitstag.
Zum Beispiel im Krankenhaus Bad Dingenskirchen.
Da stehst Du also, im frisch gewaschenen und gebügelten weißen Kittel, das Stethoskop um den Hals und schaust noch ein bisschen dumm aus der Wäsche, bis Dich einer der etwas älteren Kollegen mal an die Hand nimmt, Dir eine Tasse Kaffee in die Hand drückt, ins Arztzimmer schiebt und die Tür schließt….

J… morgen geht’s weiter!

Written by medizynicus

18. November 2014 at 08:54

Veröffentlicht in Nachdenkereien

Lass Dich Nieder!

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Gehe ich doch nichtsahnend durch die Fußgängerzone und…. strahlt mich da eine hübsche junge Frau an.
Okay, das tun hübsche junge Frauen öfters, vor allem wenn sie sich auf Plakaten an Litfasssäulen befinden… aber diese Frau… die war anders, die hatte nämlich weder Bikini noch ein knappes Kleidchen an sondern einen weißen Kittel plus Stethoskop – allgemein bekannt als Symbole meines Berufsstandes.
Na Hoppla, denk ich mir, was macht die Kollegin denn da auf der Plakatwand?
Reklame natürlich, was sonst!
Und wofür?
Für’s Arztsein natürlich. Genauer: Für’s Landarztsein. Nee, stimmt nicht, nicht nur für’s Landarztsein sondern für das Ambulante Arzt-Sein. Also: Studierende und junge Kollegen sollen dazu motiviert werden, sich in eigener Praxis nieder zu lassen.
…sowas kennen wir doch, oder? Gab’s da nicht vor ein paar Monaten schon mal etwas Ähnliches?
Was soll diese Aktion?
Dazu muss man wohl ein wenig ausholen:
Das deutsche Gesundheitssystem ist bekanntlich in zwei Teile gespalten, die einander in inniger Feindschaft gegenüberstehen.
Auf der einen Seite sind da Leute wie meine Kollegen und meine Wenigkeit, die ihren Dienst in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen versehen, also im stationären Sektor.
Wir arbeiten und knechten so vor uns hin…. Über uns thront der Chef und ganz oben die Verwaltungsdirektoren, die vom Landkreis, von Kirchen oder in zunehmendem Maße von privaten Firmen eingesetzt werden.
Draußen, vor unseren Türen, im ambulanten Sektor, da tobt das wahre Leben, da werkeln die niedergelassenen Kollegen in ihren Praxen, die sind ihre eigenen Chefs und sie lachen und strahlen und machen eine Menge Geld.
Geld, das wir – die Leute aus den Krankenhäusern – nicht kriegen. Und das Geld, das wir kriegen, das fehlt im ambulanten Sektor. Kurz und gut: beide Seiten konkurrieren um dasselbe Geld, und das kommt von den Krankenkassen oder genaugenommen von den Leuten, die dort ihre Beiträge zahlen.
Warum diese Konkurrenz so unversöhnlich ist?
Gute Frage! Aber das ist eine spezifisch deutsche Spezialität – anderswo ist es anders, wirklich, Ehrenwort, aber das erkläre ich Euch ein anderes Mal. Für heute halten wir fest: es ist nun einmal so.
Jetzt kann man sich vorstellen, dass es billiger ist, einem Menschen draußen in freier Wildbahn ein paar Pillen zu verschreiben und ihn von Papa, Mama, Oma, Opa, Tochter oder Enkelin gesund pflegen zu lassen als ihn für teures Geld im Krankenhaus zu behandeln.
Prima, denken sich diejenigen, die das Geld verwalten, also bauen wir in den Krankenhäusern Betten ab und stecken mehr Geld in den ambulanten Sektor.
Prima, denken sich die niedergelassenen Kollegen, jetzt werden wir alle reich, gönnen uns was Feines und drehen den Klinik-Knechten eine lange Nase.
Prima, denken sich den Klinik-Knechte, wir wollen uns auch was Feines gönnen und machen auch unsere eigenen Praxen auf.
Pustekuchen, sagen die Krankenkassen, genug ist genug und ab jetzt darf sich keiner mehr neu niederlassen. Genaugenommen sagen das nicht die Krankenkassen, sondern die kassenärztlichen Vereinigungen, aber das ist wieder ein anderes Thema.
Tatsache ist, dass man irgendwann einmal begonnen hat, das Sich-Niederlassen-in-eigener-Praxis deutlich schwieriger zu machen. Plötzlich – das ist so ungefähr zwanzig Jahre her – ging das nicht mehr so einfach.
Die Kollegen, welche sich vor zwanzig Jahren niedergelassen haben, nähern sich jetzt dem Rentenalter. Und auf einmal merkt man, dass der Nachwuchs ausbleibt.
Warum das so ist?
Nun, das ist eine laaaange Geschichte….

Written by medizynicus

17. November 2014 at 05:00

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Rezension: „Heilbronn 37 Grad“

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Ich freue mich immer, wenn ich Bekannte treffe.
In diesem Fall eine Bekannte aus dem Forum, welches ich regelmäßig mit meiner Anwesenheit beehre.
Und da lag sie also, in der Buchhandlung meines Vertrauens, ganz vorne, auf einem hohen Stapel und blitze mich an. Jawohl, sie blitzte: aus einer düsteren Gewitterwolke schoss ein…. sagte ich schon!
Also: zugegriffen, an der Kasse vorbei und ab ins nächste Café.
Heute früh um halb drei hatte ich ausgelesen.
Also: was gibt’s zu erzählen:
Zuerst einmal: Hier wurde gemogelt! Das Buch ist ein spannender Psycho-Thriller mit Elementen von Mystery und Suspense – aber ob man es als Kriminalroman bezeichnen kann, wage ich doch zu bezweifeln, denn auf 256 Seiten taucht nirgendwo ein Kommissar auf und ermittelt wird auch nicht.
Es geht um eine junge Künstlerin aus Heilbronn, die sich im drückend-schwül-heißen Hochsommer auf ihre erste Ausstellung vorbereitet – und plötzlich von ihrer Vergangenheit eingeholt wird. Irgend jemand verfolgt sie…. oder bildet sie sich das bloß ein? Was hat der erfolgreiche Rechtsanwalt und Bürgermeister-Kandidat mit der Ganzen Sache zu tun? Und dann ist da noch diese geheimnisvolle Katze, die immer wieder an verschiedenen Orten auftaucht….
Der Plot ist rund und spannend und trotz einiger „loser Enden“ toll umgesetzt. Die Auflösung wird natürlich nicht verraten. Nur soviel: ich habe es zweimal lesen müssen, aber, wie gesagt, es war ja auch schon spät…

p.s.: Nein, hier steht kein Link zum großen A – Bücher gibt’s in der Buchhandlung!

Written by medizynicus

16. November 2014 at 13:05

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Wer hat das erste Herz transplantiert? Eine sehr südafrikanische Geschichte – und was wir daraus lernen können

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Im Dezember 1967 wurde in Kapstadt einem 55jährigem Gemüsehändler das Herz einer jungen Frau implantiert, die kurz zuvor an einem Verkehrsunfall verstorben war. Der Chirurg Christiaan Barnard wurde schlagartig weltberühmt und er hat seinen Ruhm genossen: Er trat im Fernsehen auf, trieb sich auf den angenagtesten Jet-Set Partys herum, hatte Affären mit Starlets, ließ sich feiern, wurde vom Papst empfangen und gilt auch heute noch als zweitgrößter Volksheld Südafrikas, nach Nelson Mandela.
Aber kein Chirurg kann eine derartig komplizierte Operation alleine durchführen. Christiaan Barnard brauchte ein gutes Team.
Wer also hatte ihm geholfen?
Und gab es da nicht Gerüchte, dass Barnard an Rheumatoider Arthritis litt und dadurch in seiner manuellen Geschicklichkeit deutlich eingeschränkt war?
Es gibt Photos von Barnard’s Team, auf denen ganz im Hintergrund ein unauffälliger Mann zu sehen ist. Ein Mann mit schwarzer Hautfarbe. Fragte man den großen Chirurgen nach diesem Mann, so erhielt man ausweichende Antworten. Irgend so eine Putzhilfe, sei das.
Der unauffällige Schwarze Mann im Hintergrund hieß Hamilton Naki.
Offiziell war er als Gärtner angestellt.
Aber er war weder Gärtner noch Putzhilfe. Seine Mitarbeit in Barnards Transplantationsteam musste streng geheim bleiben, denn Menschen schwarzer Hautfarbe durften damals niemals, auf gar keinen Fall an der gesundheitlichen Versorgung von Menschen mit weißer Hautfarbe mitwirken. Das war damals so im Südafrika zur Zeit der Apartheid.
Hamilton Naki hatte seine Schullaufbahn mit vierzehn Jahren abbrechen müssen. Ehrgeizig und intelligent war er aus der Provinz nach Kapstadt getrampt und hatte sich einen Job gesucht. So war er schließlich im Krankenhaus gelandet. Im Tierversuchslabor hatte er seine Fingerfertigkeit und sein chirurgisches Geschick beweisen können, hatte für mehrere Wissenschaftler gearbeitet und war schließlich auch Christiaan Barnard aufgefallen, der ihn in sein Team aufgenommen hat.
Hamilton Naki behauptete, auch bei der ersten Herztransplantation nicht nur anwesend gewesen zu sein, sondern das Spenderherz präpariert und damit den technisch schwierigsten Teil der Operation übernommen zu haben. Das wird zwar inzwischen bezweifelt, aber Tatsache ist, dass Naki ein begnadeter Chirurg hätte werden können, wenn er die Gelegenheit gehabt hätte, Medizin studierten zu dürfen.
So aber hat er wohl nur an Versuchstieren operiert – hat hier aber neue Operationsmethoden entwickelt und Ärzte ausgebildet.
Kurz vor seinem Tod hat man ihm deshalb die Ehrendoktorwürde verliehen. Da war er aber längst im Ruhestand zurück in der tiefsten Provinz und lebte von einer Rente von ein paar hundert Dollar.

Was wir daraus lernen können?

Erstens: Medizin ist immer Teamwork. Auch Star-Chirurgen sind keine Einzelkämpfer
Zweitens: Ein Studium ist nicht Alles. Auch Leute ohne Schulabschluss können hochqualifizierte und unverzichtbare Arbeit leisten

Written by medizynicus

10. November 2014 at 05:40

Die Bloglandschaft verändert sich….

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Angeregt durch Mollys gestrigen Beitrag möchte ich nun auch mal ein paar backstagige Gedanken loswerden….
Wenn ich nämlich in meine Blogroll schaue, entdecke ich jedes Mal ein paar Leichen, die eigentlich in die Pathologie gehören…. und das Sterben macht selbst unter meinen lieben Best Of’s nicht halt.
Letztens hat Monsterdoc – seit 6 Jahren unterwegs und damit so etwas wie Urgestein – seinen Rückzug angekündigt. Und auch bei Pinchen, der Chirurgenwepin und bei Arzt-an-Bord ist schon lange keiner mehr an Bord. Anna schreibt weiterhin regelmäßig, und Molly natürlich, und ab und zu entdecke ich bei meinen Kommentatoren ein paar Perlen… aber auch viele von denen kommen und gehen und sind schon fast wieder verschwunden, bevor man sie richtig wahrgenommen hat…
Wo sind sie hin?
Zu Facebook?
Ich denke mal, da ist was dran: Die ganz privaten, persönlichen Blogs, die sind tatsächlich weitgehend zu den diversen „sozialen Medien“ – an erster Stelle natürlich das berüchtigte Fratzbuch – gewandert.
Andere von den Urgesteinen – wie Kinderdoc und PharMama – die inzwischen richtig professionell geworden….
Was gibt’s sonst noch?
Ich denke mal, es wird Zeit, mich mal wieder bei meinen lieben Kommentatoren umzuschauen…..

Written by medizynicus

4. November 2014 at 08:32

Veröffentlicht in Ein Herz für Blogs