Archive for Januar 2015
700 Euro pro Pille oder: ein Menschenleben kann ganz schön teuer sein…
Hepatitis B und C sind fiese Krankheiten.
Das Virus fängt man sich über Kontakt mit Blut oder Körperflüssigkeit eines infizierten Menschen.
Wer Glück hat, der steckt die Sache locker weg und kann bald wieder ein normales Leben führen.
Den weniger Glücklichen zerfrisst das Virus die Leber und wer ganz viel Pech hat, der stirbt an Leberversagen oder Leberkrebs.
Viele Patienten überleben zwar die Infektion, werden das Virus jedoch nie mehr wieder los.
Manchen dieser Menschen kann man helfen.
Seit vielen Jahren schon sind Medikamente bekannt, die manchmal mehr und manchmal weniger gut wirken – allen gemeinsam jedoch ist, dass sie sehr teuer sind. Und die Behandlung ist lang und langwierig.
Ein neues Medikament verspricht Wunderdinge. Es wirkt besser, hat wenige Nebenwirkungen – und kostet 700 Euro pro Tablette. Eine komplette Behandlung kostet dabei locker so viel wie ein Einfamilienhaus in einer guten Wohnlage.
Nun ist eine Versicherung genau dazu da, notwendige Dinge zu bezahlen, die man sich normalerweise nicht so ohne Weiteres leisten kann. Aber auch eine Versicherung muss sich das erst einmal leisten können – und mit den Ressourcen der Beitragszahler sinnvoll umgehen.
In Deutschland sind Hepatits B und C zum Glück relativ selten.
Deutsche Krankenkassenbeitragszahler sind – im internationalen Vergleich – relativ reich.
In Ägypten sind Hepatitis B und C extrem häufig. Krankenkassen gibt es nicht.
Auch in Deutschland gibt es nur eine begrenzte Anzahl von Einfamilienhäusern, die man an Krankenkassenbeitragszahler verfüttern kann.
Wer entscheidet also, welches Leben gerettet wird und welches nicht?
- Siehe: Spiegel Online
Bin ich Charlie? Ein paar verspätete Betrachtungen
Ich mache Satire.
Ich schreibe manchmal gerne böse und ich freue mich, wenn man mich scharfzüngig nennt.
Ich lebe in einem freien und demokratischen Staat. Hier ist nicht alles Gold, was glänzt aber zumindest ist es hier nicht üblich, dass man sich gegenseitig die Köpfe abhackt und ich bin ziemlich froh darüber.
Hier darf jeder sagen, was er will. Das ist für mich Lebensqualität.
Hier muss sich jeder von jedem sagen lassen, was der andere will.
Wirklich?
Nein, ich brauche nicht zu dulden, dass man mich beleidigt.
Ich brauche es auch nicht zu dulden, dass man meine Religion oder andere Dinge, die mir wichtig sind, beleidigt.
Ein Moslem ist beleidigt, wenn man eine Karikatur des Propheten Mohamed veröffentlicht.
Das weiß ich, und wenn ich nach Saudi-Arabien fahre werde ich sorgfältig darauf achten, keine Mohamed-Karikatur im Gepäck zu haben und werde meine Zunge im Zaum halten.
Nun gehört der Islam nicht nur zu Saudi-Arabien sondern auch zu Deutschland.
Das ist nun einmal so. Der Islam gehört mittlerweile genauso zu Deutschland wie die katholische oder die evangelische Kirche, das Judentum oder der Atheismus.
Das ist nun einmal so. Wir sind eine multikulturelle Gesellschaft und ich bin stolz darauf.
Ich bin stolz darauf, die katholische oder die evangelische Kirche oder den Atheismus oder den Materialismus nach Herzenslust zu kritisieren und dabei kein Blatt vor den Mund nehmen zu müssen.
Ich darf auch den Islam kritisieren. Hier bei uns darf ich das.
Auch Dumpfbacken dürfen den Islam kritisieren.
Ich darf auch die Dumpfbacken kritisieren und ich tu das auch.
Auch die Dumpfbacken gehören zu Deutschland und ich freue mich über jeden, der sie kritisiert und trotzdem darf ich ihnen nicht verbieten, auf die Straße zu gehen, Deutschlandfahnen zu schwingen und dabei Weihnachtslieder zu singen.
Aber ich darf öffentlich sagen, was ich von ihnen halte.
Es mag Länder geben, in denen ich eine Gefängnisstrafe oder Schlimmeres riskiere, wenn ich etwas gegen den Papst sage. Wenn ich da hinfahre, dann weiß ich das und benehme mich entsprechend. Aber wohnen will ich da sicher nicht. Im Iran oder in Saudi-Arabien darf ich den Islam nicht kritisieren, das weiß ich, und da wohne ich auch nicht.
Hier bei uns in Europa darf ich jeden kritisieren, aber niemand braucht sich beleidigen zu lassen, und dafür gehe ich gerne auf die Straße.
Und deshalb bin ich Charlie.
vom szenigen Schreiben unterwegs
Ich sitze in einer szenigen Kneipe in einem szenigen Szeneviertel in einer szenigen europäischen Metropole.
Um mich herum szenige schöne junge Leute, die an ihren Szenegetränken nippen, mit ihren szenigen Tischnachbarn szenige Gespräche führen oder szenig gelangweilt aus dem Fenster in die szenige Nacht schauen…
Ich selbst trage einen schwarzen Rollkragenpullover, ausgewaschene Jeans und einen Dreitagebart. Ob das wohl noch als szenig durchgeht?
Alles hier ist furchtbar szenig kreativ…. also will ich es aufschreiben. Könnte ja sein, dass mir gerade die szenige Inspiration für meinen nächsten Szenigen Bestsellerroman über den Weg läuft.
Ich nehme also einen Schluck Proletenbier – lange in mein abgeschabtes Aktentäschchen und…. nein, Du wirst hier doch jetzt nicht Deinen Laptop hervorholen!
Das wäre ja ganz furchtbar langweilig unszenig!
Okay, den Ipad hätte ich noch im Angebot.
Ob der wohl als szenig durchgeht?
Nee, nicht so richtig!
Vielleicht den Schreibblock?
Oh, wie megauncool!
Nebenbei: was ist eigentlich das Gegenteil von cool? Ich nehme mal an heiß? Oder eher lauwarm? Aber das tut jetzt nichts zur Sache, ich will endlich meine genialen Gedanken…. ein schweinsledergebundenes schickes Notizbüchlein wäre jetzt szenig, habe ich aber nicht, da es preislich gesehen ungefähr soviel kostet wie ein Mittelklasse-Handy… oh, genau, das wär’s! Auf dem Handy tippen, das darf man hier. Macht ja jeder, der gerade keinen Tischnachbarn zur Verfügung hat. Und auch manche, die einen Tischnachbarn haben, tippen gebannt vor sich hin. Darüber, dass Sozialnetzwerkfreunde wichtiger sind als Reallebensfreunde ist ja schon viel geschrieben worden. Ist ja auch egal. Heißt jedenfalls, dass auch ich jetzt ungestraft mein Handy…. aber wie kriege ich meine supergeialen Gedanken jetzt aus dem Handy raus und in die Welt hinein? Abgesehen davon, dass meine Supergenialen Gedanken natürlich mehr als hundertvierzig Zeichen haben und das Tippen auf dem virtuellen Mäuseklavierhandytouchscreen auf Dauer nicht unbedingt Spaß macht…. aber was tut man nicht alles, um szenig zu sein!
Liebes Salzamt der Deutschen Bahn!
Ja, ich weiß, es ist eine längere Geschichte, aber ich fange mal an.
Also, liebes Salzamt der Deutschen Bahn, jetzt stellen Sie sich mal folgendes vor: Ich wohne in A und ich will nach B. Verstanden? Sehen Sie, ist doch gar nicht so schwer!
So, und jetzt folgen Sie mir weiter: Also, ich will von A nach B und ich beabsichtige dabei, die Dienstleistungen Ihres Unternehmens in Anspruch zu nehmen. Draussen stürmt der Wind ums Haus und ich sitze auf meinem kuscheligen Sofa und schaue mir an, wie das geht: ist ja wunderbar! Starte ich um 6 Uhr früh in A Hauptbahnhof, bin ich um kurz nach 7 in C, wo ich umsteigen muss und kurz nach 9 bin ich in B, wunderbar rechtzeitig um meinen Termin um halb zehn wahrzunehmen. Ist nämlich ein wichtiger Termin um halb zehn. In B, wohlgemerkt!
Ich merke mir also die Verbindung, drucke sie mir vielleicht so gar auf ein Stück Papier aus und erwerbe eine Fahrkarte. Auch die kann ich mir selbst ausdrucken. Geht doch alles wunderbar mit der Bahn!
Gut gelaunt mache ich mich also auf den Weg zum Bahnhof. Frage dort vorsichtshalber mal nach, ob gerade gestreikt wird, aber es ist alles okay und gut gelaunt steige ich in den Bummelzug…. Verzeihung, in die Regionalbahn. Die fährt auch pünktlich los und pünktlich erreiche ich meine Umsteigestation.
Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie am übernächsten Gleis ein Zug einfährt. Den muss ich kriegen!
Die Türen öffnen sich, ich warte geduldig bis die Omi vor mir sich mit Gehstock auf den Bahnsteig bewegt hat und dann sprinte ich los…. raus aus dem Zug, die Treppe runter, durch den Tunnel, Treppe rauf zum Nachbarbahnsteig, wo mein Anschlusszug… gerade dabei ist, ohne mich loszufahren.
Was mache ich jetzt?
Der nächste Zug geht in zwei Stunden. Dann ist mein Termin vorbei. Ein wichtiger Termin, wohlgemerkt, es geht um…. ist ja egal, um wichtige Dinge jedenfalls. Ob es noch eine Chance gibt?
Nee, gibt’s nicht!
Die junge Angestellte am Fahrkartenschalter – Verzeihung Reisezentrum – schüttelt bedauernd den Kopf.
„Nehmense doch den Zug in zwei Stunden!“ flötet sie.
Scherzkeks! Und mein Termin?
„Könnense den Termin nicht verlegen?“
Nochmal Scherzkeks!
„Dann nehmen Sie sich doch ein Taxi!“
Für fünfzig Kilometer? Auf Kosten der Bahn? Das nenne ich Service!
„Nein, das müssten Sie schon selber zahlen!“
Jetzt mal tief durchatmen.
Ist es vielleicht meine Schuld, dass mir der Zug vor der Nase weggefahren ist? Hätte ich die Oma doch lieber über den Haufen rennen sollen?
„Die Züge warten heutzutage nicht mehr aufeinander! Es gibt keine Anschlussgarantie. Steht alles so in unseren Beförderungsbedingungen, könnense nachlesen!“
Das heißt also….
„Wenn der Zug verspätet ist, müssense sich halt beim Zugbegleiter melden!“
War mein Zug denn verspätet? Soweit ich weiß, bin ich doch auf die Minute pünktlich hier angekommen.
Fahrkarten-Mäuschen lacht.
„Sehense, Sie hatten noch nicht einmal Verspätung, was regen Sie sich denn dann auf?“
Warum ich mich aufrege? Weil mir der Zug vor der Nase weggefahren ist! Weil sieben Minuten Umsteigezeit zwar normalerweise ausreichen, um die Treppe hinunter und wieder hinauf zu hechten, aber es nun einmal nicht von mir zu vertretende Umstände gibt, die bewirken, dass es auch schonmal siebeneinhalb Minuten dauern kann…
Mäuschen schaut mich mit herausforderndem Blick an.
„Wissense, sieben Minuten Umsteigezeit ist ja auch ganz schön sportlich, junger Mann, selbst wenn Sie etwas jünger und durchtrainierter wären!“
Das will ich jetzt aber überhört haben!
Also: Wenn in meiner Verbindung ein Anschluss von sieben Minuten angegeben ist…
„Es gibt keine garantierten Verbindungen mehr, junger Mann, das sagte ich Ihnen doch schon! Und garantierte Anschlüsse sowieso nicht. Wie gesagt, in unseren Beförderungsbedingungen….“
Inzwischen hat sich hinter mir eine längere Schlange gebildet.
„Nehmen Sie doch den nächsten Zug!“ zischt mir ein Typ von schräg hinten ins Ohr.
Der nächste Zug? In zwei Stunden? dann kann ich es auch gleich sein lassen!
„Wenn Ihr Termin so wichtig ist, dann müssen Sie halt nächstes Mal früher aufstehen!“ sagt Mäuschen noch bevor sie sich dem nächsten Kunden zuwendet.
Früher aufstehen…. also nächstes Mal nicht um sechs, sondern um vier Uhr losfahren? Zwei Stunden in einer zugigen Provinzbahnhofshalle verbringen, weil man ja nie wissen kann, ob gerade die Türen klemmen oder sonst irgendwas passiert ist?
Ich glaube, da schaut man sich dann lieber nach ernsthaften Alternativen um…
Also, liebe Damen und Herren von der Deutschen Bahn, ich weiß, dass es bei Ihnen kein Salzamt gibt.
In Österreich ist das so, da kann man sich beim Salzamt beschweren, wenn man das Bedürfnis hat, sich beschweren zu wollen. Aber auch da gibt es keine Salzämter mehr. Also kann man das Beschweren auch sein lassen.
In gewissen Regionen Deutschlands gibt es eine andere Ausdrucksweise, und so verbleibe ich
mit Schwäbischem Gruß,
Ihr
Medizynicus