Medizynicus Arzt Blog

Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

Archive for März 2019

Mein Einsatz… für mich… für euch… für alle?

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Die Kolleginnen und Kollegen vom Twankenhaus berichten gerade reihum unter dem Hashtag #MeinEinsatzFürDich über das, was sie tun und warum sie es tun. Hier also mein Beitrag:

Ich bin Arzt. Ich arbeite in einem Krankenhaus in einer kleinen Stadt. Mein Beruf ist ein Job wie jeder andere auch, genauso wichtig wie der Job der Pflegenden, der Physiotherapeuten, der Service-Kräfte, der Sekretärinnen und Verwaltungsangestellten in unserem Haus. Ich bin kein Held. Ich tu, was ich gelernt habe und ich tu es, weil ich damit meinen Lebensunterhalt verdiene und es eine schöne und sinnvolle Tätigkeit ist die dem Ziel dient, dass es unseren Patienten nachher besser geht als vorher. Das erreichen wir manchmal, aber nicht immer. Einen großen Teil meiner Zeit verbringe ich am Schreibtisch mit Verwaltungs- und Dokumentationsaufgaben. Immer wieder verbringe ich auch Zeit damit, meinen Patienten und deren Angehörigen die Grenzen dessen zu erklären, was wir erreichen können. Unser Gesundheitssystem ist eines der Teuersten weltweit und im weltweiten Vergleich sind die Leistungen wirklich nicht schlecht. Aber wir sind Ärzte, Pflegekräfte und Therapeuten – keine Magier. Wer gesund werden oder bleiben will, kann die Verantwortung dafür nicht an der Krankenhauspforte oder am Empfang der Arztpraxis abgeben. Unser Gesundheitssystem setzt hier nicht immer die richtigen Anreize.

Written by medizynicus

31. März 2019 at 20:43

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Warum ich kein Chirurg bin – und verstehen kann, warum niemand Chirurg werden will

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Okay, ich übertreibe wieder mal. „Niemand“ ist übertrieben. Es gibt ja nette Chirurgen. Im realen Leben kenne ich da Einige, und auch im Netz gibt es den einen oder Anderen… darunter sogar Kolleginnen, die es schaffen, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. Offenbar geht das. Zumindest manchmal. Aber eben leider nicht immer.
Die Chirurgenwelpin twittert in diesen Tagen heftig von einem Kongress in München, der heute oder Morgen zu Ende geht.
Dort hat sich ein Oberchirurg zu Wort gemeldet und verkündet, dass die Branche Probleme hat, Nachwuchs zu finden.
Wen wundert’s?
Sterben die Chirurgen also aus? Das wäre schade! Chirurgen kommen sich wichtig vor und – ja, sie sind wirklich genauso wichtig wie Internisten, Hausärzte und Kollegen anderer Disziplinen. Und eigentlich ist Chirurgie ein schönes Fach. Chirurgie kann richtig Spaß machen… wenn nur die Chirurgen nicht wären… damit meine ich jene Arr von älteren Kollegen, die sich seinerzeit einen Dreck um ihren Nachwuchs gekümmert haben. Aber sterben die nicht aus?
Ich komme vom Thema ab. Ich wollte erzählen, warum ich kein Chirurg geworden bin.
Das Problem ist etwas komplizierter, man kann es nicht nur Oberarzt Biestig in die Schuhe schieben…
…to be continued…

Written by medizynicus

28. März 2019 at 05:14

Veröffentlicht in Alltagswahnsinn

Keine fiesen Krankheiten mehr für fiese Ärzte

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Wer berühmt wird, bekommt ein Denkmal. Vielleicht bekommt man auch seine eigene Straße, einen Park, eine Schule oder – wenn man so richtig viel berühmt wird – sogar einen Flughafen geschenkt, wohl gemerkt, erst wenn man tot ist. Für einen Flughafen sollte man dann schon so richtig in der ersten Liga gespielt haben, also die Geschicke eines Staates gelenkt oder richtig tolle kulturelle Leistungen vollbracht haben.
Als Arzt kriegt man höchstens Krankheiten.
Also so richtig private Krankheiten, denen man seinen eigenen privaten Namen leihen darf. Das können ziemlich fiese Krankheiten sein und deshalb würde ich mich im Grabe umdrehen, wenn irgendwer auf die Idee kommen sollte, eine Krankheit nach mir zu benennen.
Nun ist Krankheiten-nach-toten-Ärzten-Benennen ein bisschen aus der Mode gekommen. Zum Glück, muss man sagen. Denn es sind ein paar ziemlich fiese Fieslinge dabei. Nicht nur bei den Krankheiten, die sind fast immer fies, sondern auch bei den Namensgebern: Die granulomatöse Polyangiitis zum Beispiel war einmal nach Friedrich Wegener benannt.
Das war ein deutscher Pathologe und überzeugter Nationalsozialist der ersten Stunde: schon seit 1932 bei der SA und seit 1933 Mitglied der NSDAP. Ob er wirklich mit Menschenversuchen an KZ-Häftlingen zu tun hatte, ist unklar und lässt sich nicht mehr beweisen (und damit gilt für ihn die Unschuldsvermutung). Gut dokumentiert ist hingegen, dass er unter den Nazis eine steile Karriere hinlegte und mit dem System ganz gut zurecht gekommen ist. Aus diesem Grund hat man ihm seine Krankheit wieder weggenommen, die Wegener-Granulomatose gibt’s jetzt nicht mehr, zumindest nicht mehr unter dem Namen.
Das Asperger-Syndrom hingegen heißt immer noch so. Hans Asperger war ein Kinderarzt, der sich seit 1932 als Leiter der heilpädagogische Abteilung der Kinderklinik der Universität Wien rührend um seine kleinen Patienten kümmerte und ihnen hin und wieder Geschichten vorlas. Möglicherweise schickte er manche von ihnen in den Tod: Nach dem „Anschluss‟ Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland soll er mittelbar am Kinder-Euthanasieprogramm beteiligt gewesen sein und verhaltensauffällige junge Patienten in die „Euthanasie“-Anstalt „Am Spiegelgrund“ überwiesen haben, auch wenn er wahrscheinlich selbst niemals todbringenden Medikamente verabreicht hat.
Als gläubiger Katholik war er zwar vermutlich kein überzeugter Nazi, aber hat wohl getan, was man von ihm erwartet hat. Jetzt ist er weiterhin Namensgeber eines Krankheitsbildes, zu dem unter anderem mangelndes Einfühlungsvermögen und Unverständnis für zwischenmenschliche Gefühle gehören.
Nun ja.

Written by medizynicus

18. März 2019 at 05:14

Veröffentlicht in Alltagswahnsinn

Wir wollten doch mal die Welt verändern…

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…wollten wir mal. Uns dafür einsetzen, dass alles besser wird: die Menschheit, die Welt, das große Drumherum, eigentlich alles und so. Darum bin ich Arzt geworden. Leben retten, Menschen helfen, S-Bahn-fahren, sich ganz toll dabei vorkommen, also beim Leben retten, meine ich jetzt. Das war mal. Ganz toll komme ich mir schon lange nicht mehr vor. Leben retten tut man zwar hin und wieder und man kann sich auch einbilden, dass man den Menschen, die man da tagtäglich behandelt alles in allem vielleicht wirklich ein bisschen hilft, also ein ganz kleines bisschen, vielleicht, aber die Welt habe ich, ehrlich gesagt, noch nicht großartig verändert.
Dazu habe ich schlicht und einfach keine Zeit.
Andere Leute schaffen das: sie ziehen nebenbei noch drei Kinder groß, bauen ein Haus, zahlen die Hypothek ab, gehen mit dem Hund gassi, schreiben einen Bestseller, lassen sich in den Stadtrat, Gemeinderat, Ärztekammervorstand wählen, kümmern sich nebenbei um Flüchtlinge und Obdachlose und, ganz vergessen, haben einen Vollzeitjob in der Klinik mit Diensten ohne Ende.
Geht das?
Manchmal schon.
Manchmal auch nicht. Wenn man Kinder hat und Dienste schrubbt, muss man sehen, wo man bleibt: Kollegin X. Ist schon wieder kind-krank! Und wer übernimmt den Dienst heute Nacht? Ich hatte ja eigentlich was vor heute Abend, aber irgendwer muss ja…
Also muss das Welt-Verändern noch ein bisschen warten. Geht heute leider nicht. Und morgen auch nicht. Übermorgen auch nicht. Und danach hab ich schon wieder Dienst…
Ist dieser Job eigentlich noch mit dem Leben vereinbar? Mit dem eigenen, meine ich jetzt?
Okay, das war böse… ist ja früher auch gegangen, da hat man noch viel mehr geschuftet, behaupten diejenigen, die damals schon dabei waren, vor 20, 30 oder 50 Jahren oder so.
Jammern wir nicht auf hohem Niveau?

Written by medizynicus

12. März 2019 at 06:51

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Das #twankenhaus und andere Utopien

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Der Frühling naht und die Ideen sprießen: es tut sich was in der Welt!
…endlich mal, möchte man sagen…
…endlich mal? Wieder mal! Es ist ja nicht so, dass sich noch nie etwas getan hat…
…also: endlich wieder mal! Wie schon gesagt, der Frühling naht, die Stürme brausen durch die Luft und… es tut sich was. Aber das sagte ich schon.
Genug der ellenlangen Vorrede!
Lieschen Müller, Unfallchirurgin, Mutter und Bloggerin, hat mich angestupst: vor ein paar Wochen haben sich eine Reihe von Menschen, die im deutschen Gesundheitswesen arbeiten, auf Twitter zusammengetan und das #twankenhaus gegründet.
Zunächst ist es noch ein ganz lockeres Netzwerk. Man kennt sich vor allem virtuell, man twittert, und einige bloggen.
Und es gibt so etwas wie den Ansatz einer Grundsatzerklärung:

Wir sind eine Initiative von Menschen, die in der unmittelbaren Patientenversorgung zuständig sind und sich für eine bessere Medizin einsetzen. Wir arbeiten interdisziplinär, demokratisch, ehrenamtlich unentgeltlich, organisieren uns digital und mit flachen Hierarchien. Wir hören einander zu, respektieren uns, schätzen unseren gegenseitigen Wert und arbeiten produktiv in unserer Ideenschmiede für das #twankenhaus.

Wie es weitergeht?
Das Schöne am Twankenhaus ist, dass erstaunlich wenig gemeckert wird. Es ist nämlich bekanntlich immer einfacher, gegen etwas zu sein, als positive Utopien zu entwickeln.
Und wenn diese Utopien dann auch noch in die Wirklichkeit umsetzbar sein sollen, wird die Luft oft erstaunlich dünn und die meisten Meckerer rasch erstaunlich kleinlaut.
Daher bin ich meist skeptisch: Kollegen, die laut ihre Unzufriedenheit über irgendwas kundtun waren allzu oft bloß neidisch auf den Nachbarn ist, der sich angeblich ein viel größeres Stück vom Kuchen unter den Nagel gerissen hat. Sobald man dann sein eigenes Schäfchen im Trockenen hatte, hat man brav wieder das Maul gehalten.
Beim Twankenhaus gibt es tatsächlich positive Utopien: Es geht um „faire Arbeitszeiten gibt, faire Chefs, Zeit für den Patienten und Gleichberechtigung zwischen Geschlechtern und den verschiedenen Arbeitsgruppen“, schreibt Kinderdoc.
Etwas ausführlicher wird Schwesterfraudoktor, in ihrer Grundsatzerklärung… oder sowas in der Art.
Man darf gespannt sein!

Written by medizynicus

11. März 2019 at 21:22