Das #twankenhaus und andere Utopien
Der Frühling naht und die Ideen sprießen: es tut sich was in der Welt!
…endlich mal, möchte man sagen…
…endlich mal? Wieder mal! Es ist ja nicht so, dass sich noch nie etwas getan hat…
…also: endlich wieder mal! Wie schon gesagt, der Frühling naht, die Stürme brausen durch die Luft und… es tut sich was. Aber das sagte ich schon.
Genug der ellenlangen Vorrede!
Lieschen Müller, Unfallchirurgin, Mutter und Bloggerin, hat mich angestupst: vor ein paar Wochen haben sich eine Reihe von Menschen, die im deutschen Gesundheitswesen arbeiten, auf Twitter zusammengetan und das #twankenhaus gegründet.
Zunächst ist es noch ein ganz lockeres Netzwerk. Man kennt sich vor allem virtuell, man twittert, und einige bloggen.
Und es gibt so etwas wie den Ansatz einer Grundsatzerklärung:
Wir sind eine Initiative von Menschen, die in der unmittelbaren Patientenversorgung zuständig sind und sich für eine bessere Medizin einsetzen. Wir arbeiten interdisziplinär, demokratisch, ehrenamtlich unentgeltlich, organisieren uns digital und mit flachen Hierarchien. Wir hören einander zu, respektieren uns, schätzen unseren gegenseitigen Wert und arbeiten produktiv in unserer Ideenschmiede für das #twankenhaus.
Wie es weitergeht?
Das Schöne am Twankenhaus ist, dass erstaunlich wenig gemeckert wird. Es ist nämlich bekanntlich immer einfacher, gegen etwas zu sein, als positive Utopien zu entwickeln.
Und wenn diese Utopien dann auch noch in die Wirklichkeit umsetzbar sein sollen, wird die Luft oft erstaunlich dünn und die meisten Meckerer rasch erstaunlich kleinlaut.
Daher bin ich meist skeptisch: Kollegen, die laut ihre Unzufriedenheit über irgendwas kundtun waren allzu oft bloß neidisch auf den Nachbarn ist, der sich angeblich ein viel größeres Stück vom Kuchen unter den Nagel gerissen hat. Sobald man dann sein eigenes Schäfchen im Trockenen hatte, hat man brav wieder das Maul gehalten.
Beim Twankenhaus gibt es tatsächlich positive Utopien: Es geht um „faire Arbeitszeiten gibt, faire Chefs, Zeit für den Patienten und Gleichberechtigung zwischen Geschlechtern und den verschiedenen Arbeitsgruppen“, schreibt Kinderdoc.
Etwas ausführlicher wird Schwesterfraudoktor, in ihrer Grundsatzerklärung… oder sowas in der Art.
Man darf gespannt sein!
Zum Arzt wird man geboren oder man ist es nie… Kann man Arzt-sein wirklich lernen?
Arzt kann jeder werden.
Also, zumindest im Prinzip: wenn man Abitur hat, natürlich gut genug um den NC zu schaffen, und der liegt heutzutage bei… puh… einskommanull, fast überall, nicht wahr? Ehrlich gesagt, so gut war ich nicht, damals. Okay, die Hürden sind nicht ohne, wenn man einen Studienplatz erlangen will. Und das Studium selbst hat es ebenfalls in sich, zumindest die ersten Jahre, und dann muss man noch das Examen schaffen, aber dann ist man Arzt. Endlich!
Pustekuchen, sagen Diejenigen, die es unbedingt besser wissen müssen: Wer Medizin studiert hat, ist Mediziner. Ein Mediziner ist noch lange kein Arzt. Arzt kann man nicht werden, Arzt muss man sein: man ist es, oder man ist es nicht, und wer es ist, der war es immer schon, Punkt, aus basta!
„Zum Arzt wird man geboren oder man ist es nie. Gütige Götter legen ihm Gaben in die Wiege, die nur geschenkt, niemals aber erworben werden können.“ – das soll der Schlaumeier Erwin Liek einmal im ersten Drittel des letzten Jahrhunderts behauptet haben (wobei interessant sein dürfte, welcher Religionsgemeinschaft er eigentlich angehört hat, da er ja von Göttern in der Mehrzahl spricht).
Arzt sein ist also etwas ganz Besonderes, das ist einem entweder in die Wiege gelegt oder halt nicht.
Hmm. Ich dachte bislang immer, Arzt sei ein ganz normaler Beruf wie jeder Andere auch – ein bisschen mehr Sozialprestige als ein Müllmann (womit ich nichts gegen Müllmänner und -Frauen gesagt haben möchte) und ein bisschen weniger Geld als Investmentbanker oder Top-Anwalt. Aber ehrlich gesagt, so ganz unter uns, bin ich mir ziemlich sicher, dass damals, als ich in die Windeln gemacht und im Kinderbettchen geschlafen habe (Wiegen waren, soweit ich weiß, zu meiner Zeit schon nicht mehr so verbreitet) noch kein Arzt war. Wirklich nicht. Seid ihr jetzt enttäuscht?
Ich wurde es erst während meines Studiums… oder vielleicht erst nachher?
Zugegeben: nicht jeder, der das ärztliche Staatsexamen erfolgreich besteht, wird ein guter Arzt. Es mag sogar Kollegen geben, die das Examen mit Bravour und Bestnote bestanden haben und trotzdem (oder gerade deswegen?) furchtbare Ärzte sind.
Es gibt sogar furchtbare Verbrecher, Mörder und sogar Massenmörder in unserem Berufsstand: Leute – ich schäme mich hier, das Wort „Kollegen‟ in den Mund zu nehmen – also miese Typen, die ihr Gewissen an der Garderobe abgegeben haben.
Womit wir beim Thema wären: ein Arzt sollte so etwas wie ein Gewissen haben. Er sollte so etwas wie Wertschätzung für seine Patienten (und andere Mitmenschen) empfinden. Ein Arzt sollte ethisch handeln.
Das Zauberwort heißt „Empathie‟. Empathie ist die Fähigkeit und die Bereitschaft, sich in andere Menschen hineinzudenken.
Nicht jeder Mensch ist empathisch. Es gibt Menschen, denen jede Empathie fehlt – eng verbunden damit ist das Krankheitsbild der Dissiozialen Persönlichkeitsstörung, in seiner schweren Form auch als „Psychopathie‟ bezeichnet. Nun liegt es auf der Hand, dass Psychopathen in der Regel keine guten Ärzte sind – wobei es durchaus Fachgebiete gibt, in denen Empathie nicht ganz so wichtig ist – ich denke da zum Beispiel an Pathologen und Labormediziner (bitte keine Chirurgenwitze an dieser Stelle!). In diesen Disziplinen kommt man weitgehend ohne Patientenkontakte aus.
Wer mit Patienten zu tun haben will – und das dürfte die weit überwiegende Mehrheit aller Kolleginnen und Kollegen sein – der sollte sich irgendwann einmal ein paar Gedanken zum Thema Empathie gemacht haben.
Nun darf man Empathie nicht mit Mitleid verwechseln. Zwar gehört laut Wikipedia zur Empathie auch „die Fähigkeit zu angemessenen Reaktionen auf Gefühle anderer Menschen‟, wie eben Mitleid, Trauer, Schmerz und Hilfsbereitschaft, aber es geht vor allem darum, Gefühle – seine eigenen und die seiner Mitmenschen – wahrnehmen und auch richtig einschätzen zu können. Ein Arzt, der beim Anblick eines jeden schwerkranken Patienten sofort in Tränen ausbricht mag zwar ein wesentlich sympathischerer Mensch sein als ein fieser Psychopath, ob er seinen Patienten damit weiterhilft, steht aber auf einem anderen Blatt.
Empathie fällt nicht vom Himmel. Empathie kann man lernen, so wie man anatomische Strukturen, physiologische Abläufe und die Entstehung und Behandlung von Krankheiten lernen kann.
Empathie wird übrigens auch tatsächlich gelehrt – zumindest gibt es für engagierte Studenten/innen und Jung-Ärzte genügend Möglichkeiten, empathisches Handeln lernen. Wenn man denn will. Ob man das will und ob es einen in seiner Karriere wirklich weiterbringt, steht natürlich auf einem anderen Blatt.
Aber, um auf den Ausgangspunkt zurückzukommen: Ja, Arzt sein kann man wirklich lernen – und man muss es auch tun, denn es wird einem eben nicht in die Wiege gelegt.
Patientenverarsche Zwo Null
Um es gleich mal vorwegzunehmen: kostenlos gibt’s nicht!
Das, über das wir hier reden, kostet Geld und das Geld kommt von dir und mir, nämlich von unseren Krankenkassenbeiträgen. Worum es geht?
Also gut, fangen wir mal von vorne an:
Patienten wollen informiert sein.
Patienten wollen wissen, was die Ärzte (und ihre Helfershelfer) so alles mit ihnen anstellen.
Patienten wollen nicht für dumm verkauft werden.
Und deshalb haben sich vor knapp zwanzig Jahren ein paar Leute, die etwas zu sagen haben zusammengesetzt und mal überlegt, was man da so machen kann. Herausgekommen ist die „Unabhängige Patientenberatung Deutschland„, die dich und mich über Gesundheitsdinge aufklären, beraten und informieren soll. Bei Bedarf nicht nur auf deutsch, sondern auch auf russisch und türkisch. Und zwar objektiv, unabhängig, auf hohem Niveau und ohne dass du und ich an Ort und Stelle dafür bezahlen müssen.
Organisiert war das Ganze als Gemeinnützige GmbH, beteiligt waren unter anderem die Verbraucherzentralen und der Sozialverband VdK.
Finanziert wird die Sache, wie gesagt, direkt und indirekt aus den Krankenkassenbeiträgen. Da kommt schon einiges zusammen und wenn man’s richtig macht, kann man damit sogar richtig gut Geld verdienen. Das dachte sich schon anno 2015 ein privates Dienstleistungsunternehmen und kaufte den Laden mal so eben auf. Beraten und informieren kann man ja auch als privatwirtschaftliche Firma. Muss nicht unbedingt schlecht sein, auch wenn die Firma gleichzeitig irgendwie irgendwo mit Pharmaunternehmen zusammenarbeitet.
Jetzt wurde der Laden erneut verkauft – und zwar über ein ziemlich undurchsichtiges Konstrukt von Mutter- und Tochterfirmen mit wohlklingenden Namen – und am Ende steht ein Unternehmen, welches unter anderem auch Pharmareferenten rekrutiert und ausbildet.
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Die Rechnung zahlst weiterhin du. Und ich. Egal, ob wir gerade Lust auf Pharma-Interessen-gesteuerte Beratung haben, oder nicht.