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Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

Das #twankenhaus und andere Utopien

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Der Frühling naht und die Ideen sprießen: es tut sich was in der Welt!
…endlich mal, möchte man sagen…
…endlich mal? Wieder mal! Es ist ja nicht so, dass sich noch nie etwas getan hat…
…also: endlich wieder mal! Wie schon gesagt, der Frühling naht, die Stürme brausen durch die Luft und… es tut sich was. Aber das sagte ich schon.
Genug der ellenlangen Vorrede!
Lieschen Müller, Unfallchirurgin, Mutter und Bloggerin, hat mich angestupst: vor ein paar Wochen haben sich eine Reihe von Menschen, die im deutschen Gesundheitswesen arbeiten, auf Twitter zusammengetan und das #twankenhaus gegründet.
Zunächst ist es noch ein ganz lockeres Netzwerk. Man kennt sich vor allem virtuell, man twittert, und einige bloggen.
Und es gibt so etwas wie den Ansatz einer Grundsatzerklärung:

Wir sind eine Initiative von Menschen, die in der unmittelbaren Patientenversorgung zuständig sind und sich für eine bessere Medizin einsetzen. Wir arbeiten interdisziplinär, demokratisch, ehrenamtlich unentgeltlich, organisieren uns digital und mit flachen Hierarchien. Wir hören einander zu, respektieren uns, schätzen unseren gegenseitigen Wert und arbeiten produktiv in unserer Ideenschmiede für das #twankenhaus.

Wie es weitergeht?
Das Schöne am Twankenhaus ist, dass erstaunlich wenig gemeckert wird. Es ist nämlich bekanntlich immer einfacher, gegen etwas zu sein, als positive Utopien zu entwickeln.
Und wenn diese Utopien dann auch noch in die Wirklichkeit umsetzbar sein sollen, wird die Luft oft erstaunlich dünn und die meisten Meckerer rasch erstaunlich kleinlaut.
Daher bin ich meist skeptisch: Kollegen, die laut ihre Unzufriedenheit über irgendwas kundtun waren allzu oft bloß neidisch auf den Nachbarn ist, der sich angeblich ein viel größeres Stück vom Kuchen unter den Nagel gerissen hat. Sobald man dann sein eigenes Schäfchen im Trockenen hatte, hat man brav wieder das Maul gehalten.
Beim Twankenhaus gibt es tatsächlich positive Utopien: Es geht um „faire Arbeitszeiten gibt, faire Chefs, Zeit für den Patienten und Gleichberechtigung zwischen Geschlechtern und den verschiedenen Arbeitsgruppen“, schreibt Kinderdoc.
Etwas ausführlicher wird Schwesterfraudoktor, in ihrer Grundsatzerklärung… oder sowas in der Art.
Man darf gespannt sein!

Written by medizynicus

11. März 2019 at 21:22

Krankenschein To Go

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Das Leben ist einfacher geworden! Was früher kompliziert war und mehrere Stunden Lebenszeit in Anspruch genommen hat, lässt sich heutzutage in wenigen Klicks erledigen.
Zum Beispiel die Krankschreibung.
Also: Da liegt man mit knapp vierzig Grad Fieber im Bett, hustet und röchelt sich einen ab und arbeiten… das geht heute nun wirklich nicht. Einfach mal liegen bleiben, auskurieren und morgen oder übermorgen sieht die Sache vielleicht schon ganz anders aus. Brav stellt man sich den Wecker, greift morgens drei Minuten nach acht zum Telefon, ruft in der Firma an, Personalabteilung bitte… ach… tatsächlich? So ein Scheiß denkt man sich, während man das Handy wütend in die Ecke knallt (vor dreißig Jahren hätte man „den Hörer wütend auf die Gabel geknallt‟, aber heutzutage weiß ja kaum noch jemand, dass es mal Telefone mit Gabeln gab).
Seufzend quält man sich aus dem Bett, hustet noch ein bisschen, sammelt das Telefon wieder ein, googelt die Nummer seines Hausarztes – sofern man überhaupt einen hat, andernfalls muss man erstmal googeln, wo sich in der Nähe des Wohnsitzes überhaupt eine Hausarztpraxis befindet. Wenn man mit dem googeln fertig ist, wählt man dann mit zittrigen Fingern eine Nummer, drückt fluchend auf Wiederwahl – denn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist die Nummer besetzt – also wählt man nochmal und nochmal und nochmal und wenn man dann irgendwann durchkommt, landet man natürlich zunächst in der Warteschleife bis dann endlich eine genervt klingende weibliche Stimme antwortet:
„Praxis Doktor…‟
„Morgen, Ich brauch‘ n Termin!‟
„Sind Sie Patient bei uns?‟
„Bisher nicht, aber…‟
„Tut mir leid, wir nehmen leider keine neuen Patienten an…‟
„Wirklich nicht?‟
„Mal sehen….. übernächsten Freitag, vierzehnuhrdreißig?‟
„Äh…. vielleicht lieber heute?‟
„Isses ein Notfall?‟
Noch ein überzeugender Huster, dann erhält man die huldvolle Erlaubnis, jetzt aber bitte sofort in die Praxis zu kommen und viel Zeit mitzubringen, weil Montagmorgen, Sie wissen schon!
Weiter hustend und fröstelnd wuchtet man seinen Körper mühsam in die Horizontale, an Klo und Dusche vorbei zur Wohnungstür – Kaffee muss heute ausfallen, Kamillentee auch, keine Zeit – und schleppt sich in die Praxis.
Nach eineinhalb Stunden Wartezeit dann endlich der erlösende Weißkittelkontakt: kurz auf die Lunge gehört, Zunge rausstrecken und „Aaaaaaa!‟-sagen, dreißig Sekunden bis zum Urteil: „Is’n Virus! Gehensemal zurück ins Bett und kurieren sich aus!‟
Danke, Herr Doktor, wär ich echt nicht selbst drauf gekommen, aber hier ist nicht der Ort für Sarkasmus, also schnell her mit dem Krankenschein…
„Hättense doch erst am dritten Tag…‟
Nein, mein Arbeitgeber verlangt ihn schon am ersten Tag. Ist so, darf er, darf er wirklich, brauchense gar nicht so den Kopf zu schütteln, Herr Doktor, ach, können Sie mir nicht gleich eine ganze Woche geben, damit ich mich wirklich auskurieren kann?
Jetzt noch zur Post, Briefmarke und Briefumschlag kaufen um das wertvolle Dokument dann gleich auf den Weg zu schicken, damit man keine Abmahnung riskiert…

Das war gestern!

Heute braucht man das Bett erst gar nicht zu verlassen: Man googelt ein bisschen herum und kriegt den begehrten gelben Schein dann per WhatsApp. Ganz ohne Arztbesuch, aber legal: ein schlauer Jurist hat eine Gesetzeslücke gefunden und flugs ausgenutzt zu einer Geschäftsidee. Schön ist das nicht. Warum ist der Hausarzt hier im Ort eigentlich noch nicht auf die Idee gekommen?

Written by medizynicus

4. Februar 2019 at 05:37

Recht auf Abzocke

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„Sie müssen was tun!‟, schallt es flehentlich aus dem Telefon.
Ja, mit wem spreche ich denn überhaupt?
„Binswanger hier, meine Mutter liegt gerade auf Ihrer Station und das geht so nicht weiter, Herr Doktor, da müssen Sie unbedingt was tun!‟
Und was genau soll ich tun?
„Ja, das muss aufhören, Herr Doktor, unbedingt! Machen Sie Ihren Einfluss geltend. Sagen Sie ihr, dass damit Schluss sein muss, unbedingt, sofort, oder es passiert noch eine Katastrophe, wenn es nicht schon zu spät ist, aber Herr Doktor, Sie sind doch Arzt, Sie haben doch bestimmt Möglichkeiten….‟
Okay, okay, okay, jetzt mal ganz langsam! Frau Binswanger senior ist gerade dabei, sich von einer schweren Lungenentzündung zu erholen, und im Grunde geht es ihr gar nicht mal so schlecht. In ein paar Tagen wollen wir sie entlassen. Unsere Sozialdienst-Dame ist noch dabei, herauszufinden, ob sie zu Hause noch irgendwelche Hilfen braucht, und wenn sie damit fertig ist, mit dem Herausfinden, dann wird Frau Binswanger wieder in ihr kleines Häuschen am Stadtrand zurückkehren.
Also, wo ist das Problem?
„Ja, da muss ich wohl ein bisschen ausholen, Herr Doktor, ich hoffe, Sie haben ein paar Minuten Zeit?‟
Nein, eigentlich nicht. In fünf Minuten fängt die Röntgenbesprechung an. Die ist zwar strunzlangweilig und mir fallen da regelmäßig die Augen zu, aber schwänzen ist trotzdem nicht, es sei, denn man hat einen sehr guten Grund, zum Beispiel den furchtbar wichtigen Anruf einer aufgebrachten Angehörigen. Also, schießen Sie los!
Räuspern am anderen Ende der Leitung.
„Vor zwei Jahren hat es angefangen, Herr Doktor. Da hat meine Mutter auf so eine Anzeige geantwortet. So eine Anzeige in einem von den Klatschblättern, wo sie einem das Blaue vom Himmel versprechen. Jedenfalls hat dann so eine Wahrsagerin geantwortet. Die hat gleich am nächsten Tag angerufen und sich dann immer wieder gemeldet. Meine Mutter hat sich gefreut, sie hat ja sonst niemanden, mit dem sie reden kann. Naja, und dann hat die Wahrsagerin natürlich Geld haben wollen, also natürlich nicht so direkt, sie hat das ganz geschickt angestellt, ihr ständig Briefe geschickt und wertlose Geschenke, angebliche Wunder-Kristalle und so…. wir haben das ja sofort durchschaut, aber unsere Mutter war da einfach viel zu gutmütig!‟
Haben Sie nicht mit ihr reden können?
„Natrürlich habe ich ihr das erklärt. Und mein Bruder auch. Wir haben uns den Mund fusselig geredet. Aber wissen Sie, Herr Doktor, wir sind ja beide über dreihundert Kilometer weit weg und sehen unsere Mutter nur wenige Male im Jahr, da geht das nicht so einfach!‟
Ja, und was soll ich jetzt tun?
„Machen Sie Ihren Einfluss geltend! Als Doktor haben Sie doch Autorität. Und können Sie nicht einen Psychiater dazu ziehen? Sowas ist doch nicht normal, oder was meinen Sie, Herr Doktor?‟
Frau Binswanger ist zwar über achtzig, aber geistig voll auf der Höhe. Die braucht ganz bestimt keinen Psychiater… kann es sein, dass sie einfach einsam ist?
„Natürlich, Herr Doktor, sie hat ja sonst niemanden mehr…. aber muss sie deshalb ihr ganzes Vermögen mit so einer Wahrsagerin durchbringen?‟
Es gibt zugegebenermaßen spannendere Wege, sein Geld auszugeben.
Aber erstens muss ich jetzt wirklich zur Röntgenbesprechung und zweitens…. im Rheinland würde man sagen: jeder Jeck ist anders!

Written by medizynicus

31. Januar 2019 at 05:15

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Tod an der Schneeschaufel

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Schrapp, Ratsch, klack.
Rrrrratach, Klack, Schrapp. Schrapp. Rrraaaatsch. Ratsch. Rrrrrrrraaaaaatsch. Klack. Schrappt. Klack. Ratsch.
Was ist los, verdammte Scheiße?
Blick auf die Uhr: Noch nichtmal sechs. Wecker hat noch lange nicht losgedüdelt. Aber jetzt kann ich nicht mehr schlafen, also raus aus den Federn, rein in die Klamotten, Kaffeemaschine an und Blick aus dem Fenster: was gibt’s da zu sehen? Nichts als dunkle, dunkle Winternacht! Nee, gar nicht dunkel: im Laternenlicht glänzt es verdächtig weiß: Straße, Autos, Dächer, Gärten, alles winterwunderlandmäßig überzuckert. Auch der Bürgersteig. Und auf dem steht Herr Rumburak. Oskar Rumburak wohnt im Haus gegenüber, ist im Hauptberuf Rentner und nebenbei ehrenamtlicher Müllpolizist. Vor zwei Monaten hat er mich dabei überführt, wie ich heimlich eine Ladung dreckiger Joghurtbecher voller Teebeutel in den Gelben Sack geschmuggelt habe, die gehören nämlich in den Biomüll, also nicht die Joghurtbecher, sondern die Teebeutel, aber erst, nachdem man das Etikett entfernt hat und die Joghurtbecher muss man bekanntlich erst saubermachen, bevor man sie wegwirft. Hat Herr Rumburak mir erklärt. Und jetzt schrappt und schrappt er mit seiner knallroten Schaufel die weiße Pracht vom Bürgersteig. Morgens um sechs. Verdammt, geht das nicht auch leise?
Schrapp, Ratsch, Klack.
Letztens hat Herr Rumburak mir einen Vortrag über die Räumpflicht gehalten: spätestens ab sieben muss der Bürgersteig frei sein, auch am Wochenende, so steht es in der entsprechenden Vorschrift von der Stadt. Und wenn es weiterschneit, muss man tagsüber alle paar Stunden neu schrappeln, bis einundzwanzig Uhr abends, dann ist man bis zum nächsten Morgen von der Pflicht befreit, es sei denn, man ist Gastwirt und hat noch länger geöffnet. Auf meiner eigenen Straßenseite liegt der Schnee inzwischen bestimmt fast zwanzig Zentimeter hoch. Wie gut, dass wir einen Hausmeister haben! Der hat sich zwar noch nicht blicken lassen, aber es ist ja auch noch lange nicht sieben Uhr.
Mein Kaffee ist fertig. Ich setze mich und verbrenne mir beim ersten Schluck die Zunge. Autsch!
Herr Rumburak stützt sich mit beiden Armen auf die Schneeschaufel und macht eine kurze Pause. Es schneit wieder. Auf dem frischgefegten Bürgersteig bildet sich eine neue dünne weiße Schicht. Herr Rumburak verschwindet im Hauseingang und kommt kurz darauf mit einem Eimer Streusalz wieder.
Fast könnte er mir leid tun. Der ist doch bestimmt schon an die achtzig, der Gute!
Ich trinke der Kaffee aus und stelle die Tasse in die Spülmaschine.
Als ich abends wieder nach Hause komme, ist der Bürgersteig auf meiner Straßenseite blitzblank sauber gefegt, der Hausmeister kommt mir mit seiner motorisierten Schneefräse entgegen. Gegenüber hingegen liegt der zertrampelte Schneematsch knöchelhoch.
Herr Rumburak wurde noch am Vormittag mit Notarzt in die Klinik gebracht: Verdacht auf akutem Myokardinfarkt aufgrund von körperlicher Schwerstarbeit bei Minusgraden.
Aber was will man tun? Räumpflicht ist schließlich Räumpflicht!

Written by medizynicus

28. Januar 2019 at 05:21

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Schon wieder MoFi!

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Schnarch.
Schnarchschnarchschnarchsägschnarch.
Dunkel ist die Nacht. Und still. Angenehm still.
Ring.
Ringdüdelschrill.
Was?
Ring. Ringdüdelschrill.
Wie bitte? Wo bin ich? Ach ja, hab ja Dienst!
„Ja?“
„Herr Doktor? Hier Schwester Paula, Station zwo.“
„Und?“
„Herr Schulze ist aus dem Bett gefallen.“
„Ach?“
„Dicke Beule an der Stirn. Blutet außerdem.“
Hab ich wohl keine Wahl: raus aus dem Bett, schlappschlappschlapp auf Station…. wie zu erwarten, alles halb so wild.
„Herr Doktor?“
„Ja, Schwester Paula?“
Der einzig akzeptable Satz, die ich jetzt zu hören bereit bin, wären: „Möchten Sie eine Tasse Kaffee, Herr Doktor?“
Kommt aber nicht, der Satz.
„Schauen Sie mal aus dem Fenster!“
Aus dem Fenster? Ja, was ist da? Das nächtlich dunkle Bad Dingenskirchen und oben drüber ein voller Vollmond… Moment…. Wo is’n der Mond hin? Nur noch eine ganz schmale Sichel ist übrig, und die wird immer schmaler, ist dann ganz weg und jetzt ist der Mond ganz bleich und blutrot, bis sich dann eine Wolke davorschiebt.
„Eindrucksvoll, nicht wahr?“
„Was’n das?“
„Mondfinsternis.“
Mondfinsternis? Hatten wir doch letztens erst!
„Kommt erst in neun Jahren wieder!“
In neun Jahren? Was wird bis dann alles passiert sein? Ist mir aber auch egal. Ich brauch jetzt einen Kaffee. Und dann nochmal für ein Stündchen ins Bett.

Written by medizynicus

21. Januar 2019 at 06:52

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Zum Arzt wird man geboren oder man ist es nie… Kann man Arzt-sein wirklich lernen?

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Arzt kann jeder werden.
Also, zumindest im Prinzip: wenn man Abitur hat, natürlich gut genug um den NC zu schaffen, und der liegt heutzutage bei… puh… einskommanull, fast überall, nicht wahr? Ehrlich gesagt, so gut war ich nicht, damals. Okay, die Hürden sind nicht ohne, wenn man einen Studienplatz erlangen will. Und das Studium selbst hat es ebenfalls in sich, zumindest die ersten Jahre, und dann muss man noch das Examen schaffen, aber dann ist man Arzt. Endlich!
Pustekuchen, sagen Diejenigen, die es unbedingt besser wissen müssen: Wer Medizin studiert hat, ist Mediziner. Ein Mediziner ist noch lange kein Arzt. Arzt kann man nicht werden, Arzt muss man sein: man ist es, oder man ist es nicht, und wer es ist, der war es immer schon, Punkt, aus basta!
„Zum Arzt wird man geboren oder man ist es nie. Gütige Götter legen ihm Gaben in die Wiege, die nur geschenkt, niemals aber erworben werden können.“ – das soll der Schlaumeier Erwin Liek einmal im ersten Drittel des letzten Jahrhunderts behauptet haben (wobei interessant sein dürfte, welcher Religionsgemeinschaft er eigentlich angehört hat, da er ja von Göttern in der Mehrzahl spricht).
Arzt sein ist also etwas ganz Besonderes, das ist einem entweder in die Wiege gelegt oder halt nicht.
Hmm. Ich dachte bislang immer, Arzt sei ein ganz normaler Beruf wie jeder Andere auch – ein bisschen mehr Sozialprestige als ein Müllmann (womit ich nichts gegen Müllmänner und -Frauen gesagt haben möchte) und ein bisschen weniger Geld als Investmentbanker oder Top-Anwalt. Aber ehrlich gesagt, so ganz unter uns, bin ich mir ziemlich sicher, dass damals, als ich in die Windeln gemacht und im Kinderbettchen geschlafen habe (Wiegen waren, soweit ich weiß, zu meiner Zeit schon nicht mehr so verbreitet) noch kein Arzt war. Wirklich nicht. Seid ihr jetzt enttäuscht?
Ich wurde es erst während meines Studiums… oder vielleicht erst nachher?
Zugegeben: nicht jeder, der das ärztliche Staatsexamen erfolgreich besteht, wird ein guter Arzt. Es mag sogar Kollegen geben, die das Examen mit Bravour und Bestnote bestanden haben und trotzdem (oder gerade deswegen?) furchtbare Ärzte sind.
Es gibt sogar furchtbare Verbrecher, Mörder und sogar Massenmörder in unserem Berufsstand: Leute – ich schäme mich hier, das Wort „Kollegen‟ in den Mund zu nehmen – also miese Typen, die ihr Gewissen an der Garderobe abgegeben haben.
Womit wir beim Thema wären: ein Arzt sollte so etwas wie ein Gewissen haben. Er sollte so etwas wie Wertschätzung für seine Patienten (und andere Mitmenschen) empfinden. Ein Arzt sollte ethisch handeln.
Das Zauberwort heißt „Empathie‟. Empathie ist die Fähigkeit und die Bereitschaft, sich in andere Menschen hineinzudenken.
Nicht jeder Mensch ist empathisch. Es gibt Menschen, denen jede Empathie fehlt – eng verbunden damit ist das Krankheitsbild der Dissiozialen Persönlichkeitsstörung, in seiner schweren Form auch als „Psychopathie‟ bezeichnet. Nun liegt es auf der Hand, dass Psychopathen in der Regel keine guten Ärzte sind – wobei es durchaus Fachgebiete gibt, in denen Empathie nicht ganz so wichtig ist – ich denke da zum Beispiel an Pathologen und Labormediziner (bitte keine Chirurgenwitze an dieser Stelle!). In diesen Disziplinen kommt man weitgehend ohne Patientenkontakte aus.
Wer mit Patienten zu tun haben will – und das dürfte die weit überwiegende Mehrheit aller Kolleginnen und Kollegen sein – der sollte sich irgendwann einmal ein paar Gedanken zum Thema Empathie gemacht haben.
Nun darf man Empathie nicht mit Mitleid verwechseln. Zwar gehört laut Wikipedia zur Empathie auch „die Fähigkeit zu angemessenen Reaktionen auf Gefühle anderer Menschen‟, wie eben Mitleid, Trauer, Schmerz und Hilfsbereitschaft, aber es geht vor allem darum, Gefühle – seine eigenen und die seiner Mitmenschen – wahrnehmen und auch richtig einschätzen zu können. Ein Arzt, der beim Anblick eines jeden schwerkranken Patienten sofort in Tränen ausbricht mag zwar ein wesentlich sympathischerer Mensch sein als ein fieser Psychopath, ob er seinen Patienten damit weiterhilft, steht aber auf einem anderen Blatt.
Empathie fällt nicht vom Himmel. Empathie kann man lernen, so wie man anatomische Strukturen, physiologische Abläufe und die Entstehung und Behandlung von Krankheiten lernen kann.
Empathie wird übrigens auch tatsächlich gelehrt – zumindest gibt es für engagierte Studenten/innen und Jung-Ärzte genügend Möglichkeiten, empathisches Handeln lernen. Wenn man denn will. Ob man das will und ob es einen in seiner Karriere wirklich weiterbringt, steht natürlich auf einem anderen Blatt.
Aber, um auf den Ausgangspunkt zurückzukommen: Ja, Arzt sein kann man wirklich lernen – und man muss es auch tun, denn es wird einem eben nicht in die Wiege gelegt.

Written by medizynicus

20. Januar 2019 at 18:33

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Unerwartete Hilfe für Trump: Finanziert Putin die Mauer?

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Amerika steht still. Selbst im Weißen Haus gibt es nur noch Fastfood in dekorativer Plastikverpackung. Tausend Hamburger will Donald Trump besorgt – und selbst bezahlt! – haben um sie an ein Football-Team zu verfüttern. Innerhalb einer Stunde war alles Ratzeputz-weggefegt. Sagt er.
Die Sache mit dem Haushaltsstreit hingegen ist noch lange nicht gegessen. Weil die bösen Demokraten alles blockieren. Denn die wollen die Rechnung für die böse Mauer nicht bezahlen…
Läppische fünf Milliarden!
Ist doch kein Ding… fast geschenkt… könnte man doch glatt aus der Portokasse nehmen, müsste man nur den einen oder anderen Oligarchen etwas nachdrücklich um eine kleine Spende bitten…
Also, Onkel Putin, worauf wartest du noch? Mach schon, lass die Kohle rüberwachsen, bevor noch ein Unglück passiert und der nächste Football- oder Baseballspieler sich an einem Hamburger verschluckt!

Written by medizynicus

17. Januar 2019 at 21:55

Ein Frohes Neues Jahr

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…trotz andauernder Blogopause herzliche Neujahrsgrüße an alle!
Wie und ob es weitergeht? Schaunwirmal….

Written by medizynicus

1. Januar 2019 at 02:22

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Vor 29 Jahren ist eine Mauer gefallen…

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…und jetzt baut man ein paar hundert Kilometer weiter neue Mauern auf.
Kleiner Zeitsprung gefällig? Man muss schon mindestens fünfunddreißig Jahre alt sein, um sich zu erinnern: damals gab es eine Grenze. Eine Grenze, die nicht nur unseren Kontinent, sondern die ganze Welt in zwei feindliche Lager teilte. Heute rast man ganz selbstverständlich im Schnellzug mit 300 KM/h darüber hinweg, und das ist gut so.
Aber auch heute stehen Menschen vor Zäunen, die sie nicht überwinden können.

Written by medizynicus

9. November 2018 at 23:34

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Patientenverarsche Zwo Null

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Um es gleich mal vorwegzunehmen: kostenlos gibt’s nicht!
Das, über das wir hier reden, kostet Geld und das Geld kommt von dir und mir, nämlich von unseren Krankenkassenbeiträgen. Worum es geht?
Also gut, fangen wir mal von vorne an:
Patienten wollen informiert sein.
Patienten wollen wissen, was die Ärzte (und ihre Helfershelfer) so alles mit ihnen anstellen.
Patienten wollen nicht für dumm verkauft werden.
Und deshalb haben sich vor knapp zwanzig Jahren ein paar Leute, die etwas zu sagen haben zusammengesetzt und mal überlegt, was man da so machen kann. Herausgekommen ist die „Unabhängige Patientenberatung Deutschland„, die dich und mich über Gesundheitsdinge aufklären, beraten und informieren soll. Bei Bedarf nicht nur auf deutsch, sondern auch auf russisch und türkisch. Und zwar objektiv, unabhängig, auf hohem Niveau und ohne dass du und ich an Ort und Stelle dafür bezahlen müssen.
Organisiert war das Ganze als Gemeinnützige GmbH, beteiligt waren unter anderem die Verbraucherzentralen und der Sozialverband VdK.
Finanziert wird die Sache, wie gesagt, direkt und indirekt aus den Krankenkassenbeiträgen. Da kommt schon einiges zusammen und wenn man’s richtig macht, kann man damit sogar richtig gut Geld verdienen. Das dachte sich schon anno 2015 ein privates Dienstleistungsunternehmen und kaufte den Laden mal so eben auf. Beraten und informieren kann man ja auch als privatwirtschaftliche Firma. Muss nicht unbedingt schlecht sein, auch wenn die Firma gleichzeitig irgendwie irgendwo mit Pharmaunternehmen zusammenarbeitet.
Jetzt wurde der Laden erneut verkauft – und zwar über ein ziemlich undurchsichtiges Konstrukt von Mutter- und Tochterfirmen mit wohlklingenden Namen – und am Ende steht ein Unternehmen, welches unter anderem auch Pharmareferenten rekrutiert und ausbildet.
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Die Rechnung zahlst weiterhin du. Und ich. Egal, ob wir gerade Lust auf Pharma-Interessen-gesteuerte Beratung haben, oder nicht.

Written by medizynicus

30. September 2018 at 09:24

Veröffentlicht in Gehört und gelesen