Medizynicus Arzt Blog

Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

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Magenbitter

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„Einen wunderschönen guten Morgen, Herr…“ – kurzer Blick auf den Namensaufkleber – „…Herr…“
Ist ja auch egal, wie er heißt. Die Buchstaben verschwimmen vor meinen Augen. Kein Wunder, es ist halb vier in der Nacht und ich bin vor gefühlten dreißig Sekunden aus dem Bett geworfen worden und funktioniere um diese Zeit gewöhnlich wie auf Autopilot.
„Akutes Abdomen“ hatte es geheißen, aber so akut sieht dieser Patient gar nicht aus. Stattdessen sind seine Augen mindestens so glasig wie meine, aber im Gegensatz zu mir müffelt er nicht nach Schweiß und Desinfektionsmittel sondern vor allem nach Zeh-zwei-Hah-fünf-Oh-Hah. Damit hätten wir schonmal eine klare Diagnose. Aber merke: Auch Schnapsleichen können nebenbei noch richtig krank sein, und deshalb werde ich jetzt eine gründliche Anamnese erheben und den Patienten nach allen Regeln der medizinischen Kunst… ach, scheiß drauf!
„Also, was ist los?“ frage ich.
„Mmmeine Tabletten!“
„Was für Tabletten?“
„Mmmagentabletten!“
„Was ist mit denen?“
„Die… b… brauch ich jetzt!“
„Wozu?“
„Weil ich Magenschmerzen hab, verdammtnochmal!“
„Magenschmerzen?“
„Immer… immer wenn ich was trink, kriech ich Magenschmerzen.“
Klingt logisch.
„Irgendwann mal was ernstes gehabt? Magengeschwür? Blut erbrochen? Oder Kaffeesatz? Teerstuhl?“
Er schaut mich an wie ein Auto.
„Was fürn Kaffee? Ich will kein Kaffee, ich will meine Tabletten!“
Okay, ich habe mich missverständlich ausgedrückt. Aber um diese Zeit… Autopilot halt. Ich streife mir einen Gummihandschuh über.
„So, jetzt legen Sie sich mal hin, damit ich Sie untersuchen kann…“
Stattdessen steht er von seinem Stuh auf und tritt einen Schritt zurück.
„Ich… will bloß meine Magentabletten!“
Also gut, jetzt nochmal von vorn: Was ist hier los?
„Ich hab was getrunken!“ sagt er, „Dann hab ich Magenweh gekriegt. Nich schlimm, hab ich öfters. Wollte nie Tablette nehmen, aber hab keine mehr. Also ruf ich ’n Doktor an. Aber der wollte nich rauskommen…“
Und deswegen bist Du also ins Krankenhaus gekommen! Aber hoffentlich doch nicht etwa per Krankenwagen?

Written by medizynicus

13. April 2011 at 05:00

Von Mann zu Mann

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Gerötete Konjunktiven, schwer lallende Sprache, typischer Foetor ex Ore und zum schwankenden Gang ist er nicht mehr in der Lage. Zeh-Zwei-Intox, klare Diagnose. Immerhin, diskutieren kann er noch.
„Is doch alles Scheiße, ey, totale Scheiße, ey…“
„Hmmm.“
„Weissu, ich bin heute einfach Scheiße drauf. Scheiße gelaufen alles. Mit Frauen un so. Dann noch n Anschiss gekriegt. Un mit Kollegen auch Scheiße….“
„Ja?“
„…Ey, un no future, echt, no future, gar nix…“
„Ja?“
„Nee, echt ey, geht alles ’n Bach runter hier in Schlaaand, un annerswo auch, sach ich…“
„Äh…“
„…glaub mir, ich hab schon alles gesehn, ich kenn mich aus…“
Okay. So ist das also. Mit knapp zwei Promille. Und dreizehn Jahren Lebenserfahrung.

Written by medizynicus

26. Juni 2010 at 22:14

Veröffentlicht in Alltagswahnsinn

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Alkohol? Was ist das? Nie gehört!

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…und wieder mal ein Geheimnis aus unserer streng geheimen Geheimsprache:
Heute geht’s um Alkohol. Für die Blitzmerker unter Euch: Alkohol – korrekterweise Äthanol genannt – ist die chemische Verbindung mit der Formel C2-H5-OH, welche als Endprodukt bei der sogenannten Alkoholischen Gärung entsteht. Für den menschlichen Verzehr ist sie – sagen wir mal – bedingt geeignet, steigert in kleinen Mengen durchaus das Wohlbefinden und ist in höheren Konzentrationen leicht flüchtig und brennbar. Und macht auf Dauer die Leber und das Hirn kaputt.
Aber genug der Theorie.
Vergegenwärtigen wir uns den guten Herrn Fusel-Franze. Wir erinnern uns: Fusel-Franze nimmt tagtäglich sein Fläschchen Wodka zu sich, oder manchmal Wein, Bier, Korn, Brennspiritus, was auch immer er in die Finger kriegt.
Wie nennt man solche bedauernswerten Gestalten?
Nein, nicht Schnapsdrosseln, das wäre beleidigend.
Und Alkoholiker gibt’s vielleicht bei den Anoynmen Ebensolchen aber nicht bei uns im Krankenhaus. Hier nennt man die Dinge nicht beim Namen. Zumindest nicht bei dem Namen, welcher in der unwissenden Zivilbevölkerung allgemein bekannt sein könnte.
Wir gehen wissenschaftlich an die Sache ran. Nicht Alkohol sondern C2-H5-OH, oder Zeh-Zwo-Hah-Fünf-Oh-Hah. Oder kurz: Zeh-Zwo. Und mit dem Zeug betreibt man auch keinen Missbrauch, sondern Abusus.
C2-Abusus.
Und wenn der Alk die Leber kaputt macht, dann redet man von einer Äthyltoxischen Schädigung.
Im Falle einer Magenschleimhautentzündung ist man sogar noch vornehmer: Da redet man von einer „ernährungsbedingten“ oder „alimentären“ Gastritis und nur der echte Insider weiß, welches leicht flüchtige, bedingt genießbare Nahrungsmittel sich dahinter verbirgt.
Ach ja, und noch etwas:
Sollte in der Krankenakte etwas stehen von „Foetor Äthylicus ex Ore“, dann ist das absolut nichts Feines oder Vornehmes. Was es bedeutet?
Die betreffende Person stinkt aus dem Hals.
Nach… ja was wohl?

Written by medizynicus

14. April 2010 at 07:39

Skiurlaubsoap (Teil 8): Hurra, die Pistensau!

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Wacker kämpfen wir uns den Hang hinunter. Das Thermometer an der Bergstation hatte zwölf Grad Minus angezeigt. Der Schnee ist entweder pulverig trocken, zwischendurch aber gibt es immer wieder tückische Eisplatten, auf denen wir vorsichtig entlangrutschen – und einmal lande ich kopfüber im Tiefschnee.
Rachel ergeht es nicht besser. Aber sie nimmt es mit Humor.
Am unteren Ende der Piste steht eine Skihütte.
„Ich glaube, wir haben uns einen heißen Kakao verdient!“ sage ich, „Ich lade Dich ein!“
Rachel ist einverstanden. Wir sind ganz froh, unsere Ski abschnallen zu können und treten ein.
Drinnen schallt uns der übliche Skihütten-Soundtrack entgegen.
Die Leute am Nebentisch trinken ein gefährlich aussehendes feuerrotes Getränk.
„Was ist denn das?“ fragt Rachel.
Also gut, probieren geht über studieren. Das Zeug schmeckt gut, und nach zwei oder drei davon machen wir uns – leicht schwankend wieder auf die Piste.
Na, vielleicht wird das ja doch noch ein ganz netter Urlaub werden, denke ich mir.
Zwei Minuten später muss ich diese Aussage revidieren.
Ich ziehe gemächlich meine Bahnen, als plötzlich ein Typ herangeschossen kommt – Ferrari gegen Kleinwagen – und ehe ich genau kapiere, was passiert ist liegen wir beide im Schnee.
Er hat sich schneller wieder aufgerappelt.
„Alles Okay, Kumpel?“
Nicht direkt, will ich sagen, aber da ist er schon wieder auf und davon.
Und dann steht Rachel neben mir.
„Irgendwas passiert?“
Mein rechtes Knie und das zugehörige Sprunggelenk tun höllisch weh.
„Nicht der Rede wert!“ presse ich unter Schmerzen hervor.
„Du musst zum Arzt!“ sagt Rachel.
„Nicht nötig, bin selber einer.“
„Keine Widerrede! Du hast schließlich keinen Röntgenblick!“
Dr. Goldschneiders Praxis für Orthopädie und Unfallchirurgie liegt ganz praktisch gleich bei der Talstation. Vom Pistenende aus braucht man kaum hundert Meter weit zu humpeln.
Am Empfang stehen zwei blonde Hostessen mit maledivensonnengebräunter Haut und makellos weißen Zähnen.
„Herzlich Willkommen!“ flötet die eine, „Wir nehmen alle Kreditkarten, Reiseschecks, Bargeld oder Bankkarte. Aber keine Krankenkassenkarten. Damit sind Sie doch einverstanden, oder?“
Was soll man auf so eine Frage antworten?
Rachel und ich nehmen im Wartezimmer auf Designerstühlchen Platz.
Auf dem Designertischchen liegen keine Gesundheitspostillen sondern Hochglanzmagazine und in der Ecke blubbert eine Designer-Espressomaschine vor sich hin, zur freien Bedienung.

Written by medizynicus

11. Februar 2010 at 07:01

Veröffentlicht in Soap

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