Medizynicus Arzt Blog

Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

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Zum Arzt wird man geboren oder man ist es nie… Kann man Arzt-sein wirklich lernen?

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Arzt kann jeder werden.
Also, zumindest im Prinzip: wenn man Abitur hat, natürlich gut genug um den NC zu schaffen, und der liegt heutzutage bei… puh… einskommanull, fast überall, nicht wahr? Ehrlich gesagt, so gut war ich nicht, damals. Okay, die Hürden sind nicht ohne, wenn man einen Studienplatz erlangen will. Und das Studium selbst hat es ebenfalls in sich, zumindest die ersten Jahre, und dann muss man noch das Examen schaffen, aber dann ist man Arzt. Endlich!
Pustekuchen, sagen Diejenigen, die es unbedingt besser wissen müssen: Wer Medizin studiert hat, ist Mediziner. Ein Mediziner ist noch lange kein Arzt. Arzt kann man nicht werden, Arzt muss man sein: man ist es, oder man ist es nicht, und wer es ist, der war es immer schon, Punkt, aus basta!
„Zum Arzt wird man geboren oder man ist es nie. Gütige Götter legen ihm Gaben in die Wiege, die nur geschenkt, niemals aber erworben werden können.“ – das soll der Schlaumeier Erwin Liek einmal im ersten Drittel des letzten Jahrhunderts behauptet haben (wobei interessant sein dürfte, welcher Religionsgemeinschaft er eigentlich angehört hat, da er ja von Göttern in der Mehrzahl spricht).
Arzt sein ist also etwas ganz Besonderes, das ist einem entweder in die Wiege gelegt oder halt nicht.
Hmm. Ich dachte bislang immer, Arzt sei ein ganz normaler Beruf wie jeder Andere auch – ein bisschen mehr Sozialprestige als ein Müllmann (womit ich nichts gegen Müllmänner und -Frauen gesagt haben möchte) und ein bisschen weniger Geld als Investmentbanker oder Top-Anwalt. Aber ehrlich gesagt, so ganz unter uns, bin ich mir ziemlich sicher, dass damals, als ich in die Windeln gemacht und im Kinderbettchen geschlafen habe (Wiegen waren, soweit ich weiß, zu meiner Zeit schon nicht mehr so verbreitet) noch kein Arzt war. Wirklich nicht. Seid ihr jetzt enttäuscht?
Ich wurde es erst während meines Studiums… oder vielleicht erst nachher?
Zugegeben: nicht jeder, der das ärztliche Staatsexamen erfolgreich besteht, wird ein guter Arzt. Es mag sogar Kollegen geben, die das Examen mit Bravour und Bestnote bestanden haben und trotzdem (oder gerade deswegen?) furchtbare Ärzte sind.
Es gibt sogar furchtbare Verbrecher, Mörder und sogar Massenmörder in unserem Berufsstand: Leute – ich schäme mich hier, das Wort „Kollegen‟ in den Mund zu nehmen – also miese Typen, die ihr Gewissen an der Garderobe abgegeben haben.
Womit wir beim Thema wären: ein Arzt sollte so etwas wie ein Gewissen haben. Er sollte so etwas wie Wertschätzung für seine Patienten (und andere Mitmenschen) empfinden. Ein Arzt sollte ethisch handeln.
Das Zauberwort heißt „Empathie‟. Empathie ist die Fähigkeit und die Bereitschaft, sich in andere Menschen hineinzudenken.
Nicht jeder Mensch ist empathisch. Es gibt Menschen, denen jede Empathie fehlt – eng verbunden damit ist das Krankheitsbild der Dissiozialen Persönlichkeitsstörung, in seiner schweren Form auch als „Psychopathie‟ bezeichnet. Nun liegt es auf der Hand, dass Psychopathen in der Regel keine guten Ärzte sind – wobei es durchaus Fachgebiete gibt, in denen Empathie nicht ganz so wichtig ist – ich denke da zum Beispiel an Pathologen und Labormediziner (bitte keine Chirurgenwitze an dieser Stelle!). In diesen Disziplinen kommt man weitgehend ohne Patientenkontakte aus.
Wer mit Patienten zu tun haben will – und das dürfte die weit überwiegende Mehrheit aller Kolleginnen und Kollegen sein – der sollte sich irgendwann einmal ein paar Gedanken zum Thema Empathie gemacht haben.
Nun darf man Empathie nicht mit Mitleid verwechseln. Zwar gehört laut Wikipedia zur Empathie auch „die Fähigkeit zu angemessenen Reaktionen auf Gefühle anderer Menschen‟, wie eben Mitleid, Trauer, Schmerz und Hilfsbereitschaft, aber es geht vor allem darum, Gefühle – seine eigenen und die seiner Mitmenschen – wahrnehmen und auch richtig einschätzen zu können. Ein Arzt, der beim Anblick eines jeden schwerkranken Patienten sofort in Tränen ausbricht mag zwar ein wesentlich sympathischerer Mensch sein als ein fieser Psychopath, ob er seinen Patienten damit weiterhilft, steht aber auf einem anderen Blatt.
Empathie fällt nicht vom Himmel. Empathie kann man lernen, so wie man anatomische Strukturen, physiologische Abläufe und die Entstehung und Behandlung von Krankheiten lernen kann.
Empathie wird übrigens auch tatsächlich gelehrt – zumindest gibt es für engagierte Studenten/innen und Jung-Ärzte genügend Möglichkeiten, empathisches Handeln lernen. Wenn man denn will. Ob man das will und ob es einen in seiner Karriere wirklich weiterbringt, steht natürlich auf einem anderen Blatt.
Aber, um auf den Ausgangspunkt zurückzukommen: Ja, Arzt sein kann man wirklich lernen – und man muss es auch tun, denn es wird einem eben nicht in die Wiege gelegt.

Written by medizynicus

20. Januar 2019 at 18:33

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Guten Morgen, hier ist der Martin!

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Die honigsüße Stimme passt nicht zu seinem Eigentümer.
„Wie geht’s Dir, Benno?“ säuselt es aus dem Telefon.
„Danke, gut!“
Die eigentlich obligatorische Rückfrage verkneife ich mir denn ich kann mir schon denken, was jetzt kommt.
„Ja, hier ist der Martin.“
Für Nicht-Insider: Martin Bückling, größtes Arschloch und Kollegenschwein unter der Sonne.
Ich grummele etwas, was mit viel gutem Willen als „Guten Morgen“ durchgehen könnte. Aber mein guter Wille ist begrenzt.
„Du, Benno, ich muss Dir was sagen!“
Na, dann schieß mal los. Angesichts der Tatsache, dass es vier Minuten nach acht ist und keine Spur des leibhaftigen Martin am Stationsflurhorizont braucht man nicht viel Phantasie um zu wissen, was folgt.
„Du, ich lieg mit neununddreißig Fieber im Bett!“
Er hustet einmal demonstrativ ins Telefon und ich halte das Ding instinktiv einen halben Meter weg vom Ohr, man weiß ja nie, wozu Martins Bazillen fähig sind.
„Und?“
Es folgt ein kolossaler Niesser.
„Kannst Du’s dem Chef weitersagen?“
Ich muss mich zwingen, nicht der Versuchung zu erliegen, das nicht zu tun. Unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst… ist das nicht ein Abmahnungsgrund?

Written by medizynicus

4. Dezember 2012 at 12:07

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Cool… cooler.. Palliativ

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Fast hätte ich Gepettos Designermöbel mit unschönen Kaffeeflecken besudelt. Langsam stelle ich die Tasse, die mir beinahe aus der Hand gefallen wäre wieder zurück.
„Kannst den Mund wieder schließen!“ sagt Kalle und grinst.
„Wie meinst Du das jetzt?“ frage ich.
„Hmmm.“
„Also?“
„Cool bleiben. Du wirst der Arzt für besondere Fälle. Du behandelst diejenigen Menschen, die ganz tief unten sind. Menschen, die nichts mehr zu erwarten haben. Menschen, die das Leben fast hinter sich haben.“
„…also alte Leute?“
„Zum Beispiel. Oder Schwerkranke. Schwerstkranke. Todkranke.“
„Hmmm. Macht das nicht jeder Arzt?“
„Mehr oder weniger. Die einen mehr, die anderen Weniger. Der Trick ist ja, dass Du Dich auf die Schwerstkranken und die Todkranken spezialisieren könntest.“
„Um sie zu heilen?“
Kalle setzt seine Sonnenbrille wieder auf.
„Eher weniger!“ sagt er.
„Eher weniger?“
„Hmmm.“
Kalle grinst.
Nein!
Nein, das darf doch nicht wahr sein. Es gibt Vieles, was ich Kalle zutrauen würde, aber das…
„Sterbehilfe?“
Kalle grinst noch breiter. Dann schüttelt er vehement den Kopf.
„Da Gegenteil!“
„Das Gegenteil von Sterbehilfe und doch nicht heilen?“
„Wir reden von Patienten, deren Krankheiten nicht mehr zu heilen sind. Irgendwann blüht das jedem von uns, den einen früher, den anderen später… und das macht diese Art von Medizin ja so faszinierend!“
„Jetzt aber raus mit der Sprache: Wovon redest Du?“
Kalle senkt die Stimme.
„Palliativmedizin!“ sagt er leise.
Hmmmm, denke ich.

Written by medizynicus

13. September 2012 at 00:02

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Wie ein Mensch zur Leiche wird – Teil 2: Der Totenschein

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So, jetzt sitze ich also zu nächtlicher Stunde im Schwesternzimmer und kaue auf dem Kugelschreiber herum. Der Kaffee ist kalt geworden. Ich hole mir einen neuen. Vor mir liegt ein Stück Papier. Genau genommen, ein Formularsatz, der aus mehreren Teilen besteht: der Totenschein von Frau Olschewski. Und der grinst mich öd und leer an und will von mir ausgefüllt werden.
Da Deutschland ein föderalistischer Staat ist, hat jedes Bundesland sein eigenes Totenscheinformular kreiert. Die Dinger unterscheiden sich in Farbe und Grad der Unhandlichkeit, aber eines haben sie alle gemeinsam: einen sogenannten Nicht-Vertraulichen Teil, der ans Standesamt geht und nur die Personalien inklusive Sterbedatum, Zeitpunkt und Ort enthält und einen sogenannten Vertraulichen Teil, und da muss ich jetzt die Ursache des Todes eingeben, und zwar zunächst die „unmittelbare Todesursache“, dann die zu Grunde liegende Erkrankung und schließlich weitere Diagnosen, die eventuell zum Ableben beigetragen haben.
Aber weiß ich das?
Früher einmal, in der guten alten Zeit, da hat man es sich einfach machen können und in die erste Zeile das gute, alte „Herzversagen“ eingetragen. Ist ja nicht unbedingt falsch. Trifft aber auch auf das eine oder andere Mafiaopfer zu und ist daher wenig aussagekräftig und somit von heutigen Staatsanwälten nicht erwünscht.
Also, woran ist denn Frau Olschewski nun verstorben? Immerhin habe ich die Krankenakte zur Hand und weiß somit von ihrer schweren Tumorerkrankung, somit habe ich schon etwas für die zweite Zeile (wir erinnern uns: das „als Folge von“, also die zum Tode führende Krankheit). Und als unmittelbare Todesursache trage ich „Multiorganversagen“ ein, das ist zwar genausowenig aussagekräftig wird aber merkwürdigerweise akzeptiert. Und dann noch ein paar Sachen aus der langen Liste der internistischen Dauerdiagnosen in die dritte Zeile, und fertig… halt! Noch nicht. Gibt es Hinweise für einen „Nicht-Natürlichen Tod“? Nein, ich kann nicht ausschließen, dass nicht doch jemand… ähem… diskret nachgeholfen hat. Aber ich halte es für unwahrscheinlich. Also kein Kreuzchen gemacht. Und dann ist da noch die Rechnung… die muss ich noch unterschreiben: „Wir bedauern das Ableben Ihres Angehörigen,“ steht auf dem Vordruck, „und erlauben uns, Ihnen das folgende Honorar zu berechnen.“
Früher einmal ging dieses Honorar in die eigene Tasche desjenigen, der die Leichenschau gemacht hat. Heute streicht das Krankenhaus sich die Kohle ein.
So, das wäre geschafft.
Jetzt muss ich noch die Angehörigen anrufen.

Written by medizynicus

7. September 2011 at 19:05

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Die Sache mit der Leichenschau

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Undertaker Tom hat heute ein Thema angesprochen, welches nicht nur in Bestatter- sondern auch in Ärztekreisen immer wieder für heftige Diskussionen führt. Es handelt sich um einen der wenigen Berührungspunkten zwischen den beiden Berufen: nämlich den Moment, in dem ein Mensch aus der Obhut des Letzteren in die des Ersteren übergeht.
Nein, das Sterben an sich reicht dazu bekanntlich nicht aus. Erst dann, wenn ein Mensch offiziell tot ist, darf der Bestatter aktiv werden.
Wir Ärzte müssen den Tod feststellen. Und das ist so ziemlich das Letzte, was wir mit unseren Patienten anstellen. Mit den weitaus meisten jedenfalls.
Wie läuft so etwas ab?
Begeben wir uns also nach Bad Dingenskirchen. Montag Abend, kurz vor Geisterstunde. Stickig-schwüler Spätsommerabend, klebrig-müde schlurfe ich über die Krankenhausflure.
Dann ein Anruf von Station vier. Da muss ich auch noch hin, hat aber keine Eile. Frau Olschewski ist soeben verstorben, war aber nicht unerwartet, fügt die diensthabende Schwester schnell hinzu.
Wenige Minuten später treffe ich auf der Station ein. Greife mir mit zielsicherem Griff eine Tasse Kaffee und die Krankenakte – in genau dieser Reihenfolge – und beginne meine Arbeit.
Was hatte die gute Dame denn? Aha, fortgeschrittene Krebserkrankung, außerdem eine Lungenentzündung wegen der sie seit einer Woche antibiotisch behandelt wurde. Das ist gut. Nicht unbedingt für die Patientin, sondern für mich, aber dazu kommen wir später. Jetzt muss ich erstmal auf das Zimmer der Verblichenen. Die Schwestern haben bereits vorsorglich ein Schild an die Tür gehängt, damit nicht aus Versehen irgendwelche unvorbereiteten Angehörigen hereinplatzen. Das ist um diese Zeit zwar eher unwahrscheinlich, aber man weiß ja nie. Außerdem hat die Patientin ein Einzelzimmer, dafür hatte man in weiser Voraussicht gesorgt.
Jetzt schalte ich im Zimmer das Licht ein – volle Festbeleuchtung – und ziehe die Bettdecke zurück. Meine Aufgabe, ist es zunächst einmal festzustellen, dass Frau Olschewski wirklich tot ist.
Aus Gewohnheit und aus Pietät spreche ich sie an: auch wenn man sich dabei vielleicht ziemlich bescheuert vorkommt. Dann einmal auf Herz und Lunge hören, in die Augen leuchten, und vor allem den ganzen Körper einmal anschauen, von oben bis unten, auch die Rückseite und dabei auf Verletzungen achten.
Ich habe Glück, Frau Olschewski wiegt aufgrund extremster Tumorkachexie gerademal noch knapp vierzig Kilo.
Ich muss auf die sicheren Todeszeichen achten: das sind Leichenstarre und Leichenflecken (das dritte sichere Todeszeichen, die Fäulnis, lassen wir hier mal weg). Die treten aber allerfrühestens eine halbe Stunde nach dem Ableben auf – auch darauf komme ich später nochmal zurück.
Jetzt habe ich zunächst genug gesehen, lösche das Licht und ziehe mich wieder ins Schwesternzimmer zurück.
Fortsetzung folgt

Written by medizynicus

5. September 2011 at 22:09

Herzlich Willkommen, liebe Erstsemester!

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Ja, liebe Leute, heute beginnt der Ernst des Lebens. Sowas Ähnliches hat man Euch doch schonmal gesagt, oder? Das war so ungeähr dreizehn Jahre her, nicht wahr?
A propos, wenn mich nicht alles täuscht, dann seid Ihr ja die letzten Erstsemester, die noch dreizehn Jahre lang zur Schule gegangen sind und weil man Euch gegenüber nicht unfair sein will hat man da irgendwas gedreht von wegen Abi-Termin vorverlegt und Sommersemester-Anfangstermin zurückverlegt oder so ähnlich, damit Ihr nur ein Semester hinterher seid hinter den Leuten, die ein ganzes Jahr jünger sind aber im gleichen Jahr Abi machen dürfen.
Ja, diese Jungs und Mädels dürfen schneller Karriere machen als Ihr. Sie haben Euch das voraus, ein Politiker vor Jahrzehnten mal als die „Gnade der Späten Geburt“ bezeichnet hat. So ist das im Leben!
Natürlich seid auch Ihr begnadet, wenn Ihr mal an Eure Eltern denkt, die zwanzig oder dreißig Jahren mit dem Studium begonnen haben. Wehr- oder Zivildienst ist ja auch längst weggefallen, und mit ein wenig Glück könnt Ihr eure erste Oberarzt-Stelle just in dem Alter antreten, in dem Eure Väter gerade ihr Studium beendet hatten…. Tja, so war das halt… damals… ganz abgesehen davon, dass damals längst nicht jeder Jung-Arzt eine Chance hatte, irgendwann mal Oberarzt zu werden. Aber so ist das im Leben… und wer weiß, wie der Stellenmarkt in fünf bis zehn Jahren aussehen wird… aber das soll Euch jetzt noch keine grauen Haare wachsen lassen.
Also Leute, heute dürft Ihr noch mal ordentlich feiern, ab morgen früh wird dann studiert, und dann schauen wir weiter!

Written by medizynicus

2. Mai 2011 at 20:20

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Was hat WikiLeaks mit der ärztlichen Schweigepflicht zu tun?

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Nichts? Gar nichts? Wirklich nichts? Oder doch?
Also gut, begeben wir uns wieder einmal nach Spelunkistan. Doktor Pfeiffemann ist dort Hausarzt. Und heute ist der Herr Kommerzienrat Grunznickel zu ihm in die Sprechstunde gekommen. Was fehlt ihm?
„Es geht mir gar nicht gut, Herr Doktor!“ seufzt er.
Doktor Pfeiffemann seufzt zurück. Allerdings nur heimlich in Gedanken. In Wirklichkeit schaut er seinen Patienten an, nickt ihm zu und bemüht sich um einen freundlich-interessierten Gesichtsausdruck.
„Meine Nerven, Herr Doktor,“ jammert der Herr Kommerzienrat, „Meine Nerven sind angeschlagen. Können Sie mir dafür etwas verschreiben?“
„Was schlägt Ihnen denn so auf die Nerven?“ fragt der Herr Doktor.
Der Patient schaut sich vorsichtig um. Dann fängt er an, zu berichten, mit gesenkter Stimme.
„Sie wissen doch, Herr Doktor, ich arbeite im Ministerium. Und da habe ich ein paar Sachen erfahren…“
Lassen wir die Details. Nur soviel: was da passiert, das ist schon eine ausgemachte Sauerei. Eine Korruptionsaffäre erster Güte! Nur gut, dass davon noch nichts an die Presse gedrungen ist.
„…und Sie, Herr Doktor, Sie behalten doch auch für sich, ja?“ versichert sich der Patient und legt verschwörerisch den Zeigefinger auf den Mund.
Der Herr Doktor nickt geistesabwesend, dann unterschreibt er das Rezept.
„Eine Tablette zweimal täglich!“ sagt er, drückt seinem Patienten die Hand und geleitet ihn zur Tür.
Sobald selbige ins Schloß gefallen ist, greift der Herr Doktor zum Telefon und ruft – selbstverständlich anonym und mit Anrufernummerunterdrückung den Whistleblowerjournalisten seines Vertrauens an.
„Du ich hätte da etwas für Euch….“

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14. März 2011 at 05:15

Arzt sein ist doch gar nicht schwer…

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…und um zu lernen wie es geht, reicht ein Hauptschulabschluss aus. Okay, würde vielleicht nicht schaden, wenn man mal ein Krankenhaus von innen gesehen hat, zum Beispiel als Zivi oder im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres. Und wenn man dann auch noch Mitglied im Roten Kreuz ist, dann steht einer erfolgreichen Bewerbung ja eigentlich nichts mehr im Weg.
Die notwendigen Dokumente kann man sich notfalls auch selbst machen, in Zeiten von Photoshop ist sowas heutzutage ja kein Problem mehr. Ein junger Mann hat’s ausprobiert.
Der angebliche Arzt hat mehrere Monate lang in zwei verschiedenen Krankenhäusern gearbeitet und dort Patienten betreut.
Wie hat er das geschafft? Vermutlich war er ein guter Schauspieler. Ein paar Sachen hat er sich vielleicht angelesen, den Rest von den Kollegen abgeguckt. Vor Therapieentscheidungen kann man sich mit etwas Übung durchaus drücken und alles was handwerkliche Geschicklichkeit erfordert kann man ja auch den Kollegen überlassen. Wenn man dann noch nett und höflich ist, dann kann man sich durchaus eine ganze Weile lang durchmogeln.
Jetzt ist er dennoch aufgeflogen und steht vor Gericht. Wenn er Pech hat, blühen ihm mehrere Jahre Knast, wenn er Glück hat, kommt er vielleicht mit einer Bewährungsstrafe davon.
Was lernen wir daraus?
Eigentlich kann unsere Arbeit ja auch vom Hausmeister erledigt werden… oder etwa nicht?

Written by medizynicus

3. Februar 2011 at 14:09

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Wenn ich einmal groß bin…

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„Kommst Du heute Abend?“ fragt Sarah.
Äh… kommen? Heute Abend? Party? Mit Sarah? Nichts lieber als das!
„Heute Abend? Wohin denn?“
„Patho-Fortbildung! Hast Du das nicht gelesen?“
Richtig, da war was! Vor ein paar Tagen lag da ein Zettel im Postfach. Den hab ich gleich der fachgerechten Entsorgung zugeführt. Fortbildung in meiner Freizeit? Wo kommen wir da hin?
„Ich weiß noch nicht…“
„Soll sehr interessant sein. Und es gibt Häppchen! Also wenn Du noch nichts vorhast…“
Aha? Häppchen? Und Sarah? Habe ich schon etwas vor? Äh….
„Ich habe leider Dienst!“
„Macht doch nichts! Die Fortbildung findet doch hier im Haus statt!“
Das ist natürlich ein Argument.
Kurz vor acht drehe ich eine Runde durch das Haus und schärfe allen Schwestern bei Höchststrafe ein, mich innerhalb der nächsten Stunde bloß nicht anzuiepsen.
Kurz nach acht stehe ich dann im Foyer vor dem großen Seminarraum und mache Smalltalk mit Sarah, Kalle und Ute.
Wir haben unsere Namen in die Teilnehmerliste eingetragen und die Barcode-Aufkleber der Ärztekammer dazugeklebt. Zwei Fortbildungspunkte soll es für die Veranstaltung geben. Allerdings hat der Referent sich vespätet, deswegen dürfen wir uns schonmal an den Häppchen bedienen, die gibt’s normalerweise ja erst nachher.
Ute ist eine Studienfreundin von Sarah und arbeitet beim Ägidius-Stift in Sankt Anderswo. Sie ist noch jünger als Sarah aber sieht müde und abgearbeitet aus.
„Was willst Du denn mal werden, wenn Du groß bist?“ fragt Kalle und kaut auf einem Lachsbrötchen.
„Kardiologin!“ kommt die Antwort, wie aus der Pistole geschossen.
„Ich glaube, Du hast die Frage nicht verstanden!“ sagt Kalle.
„Wieso?“
„Es geht nicht darum, was Du lernst, sondern wie Du arbeiten willst!“
Ute runzelt die Stirn.
„Willst Du Oberärztin werden? Willst Du dich niederlassen? Willst Du Familie?“
Ute schüttelt den Kopf.
„Hast ja noch ein paar Jahre Zeit!“ sagt Kalle und greift sich ein weiteres Brötchen.
Er will noch etwas sagen, aber inzwischen ist der Referent aufgetaucht und bittet uns in den Vortragsraum. Im selben Moment geht mein Piepser.
Ich nehme mir auch noch ein Brötchen und dann hechte ich zum nächsten Telefon.

Written by medizynicus

5. November 2010 at 05:16

Die Kunst des Nichtstuns

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Montag Morgen in Bad Dingenskirchen. Sarah rennt von Zimmer zu Zimmer und balanciert das Tablett mit den Blutröhrchen vor sich her. Kalle sitzt in der Küche und trinkt Kaffee.
Irgendwann steckt er dann mal gemächlich seinen Kopf ins Dienstzimmer und schüttelt den Kopf.
„Sag mal, was machst’n Du die ganze Zeit da?“
„Nimmst Du etwa kein Blut ab?“
Kalle deutet auf ein einsames kleines Tablett.
„Drei Röhrchen heute!“
„Äh… hast Du denn keine Patienten?“
„Mehr als Du!“
„Und…“
„Ich mag es halt nicht, meine Patienten unnötig zu quälen!“
„Das Labor muss doch bei jedem mindestens einmal pro Woche kontrolliert werden!“
„Warum?“
„Weil… wenn zum Beispiel das Kalium runtergeht…“
„Was machst Du dann?!“
„Natürlich substituieren!“
„Und dann?“
„Natürlich engmaschig kontrollieren…“
„Und dann?“
„Was soll jetzt Deine Frage?“
„Sag mal, behandelst Du Laborwerte oder Patienten?“
Sarah schaut ihn wortlos an.
„Also ich trinke lieber Kaffee!“
Und damit zieht er sich wieder in die Küche zurück.

Written by medizynicus

1. November 2010 at 05:50