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Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

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Krankenschein To Go

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Das Leben ist einfacher geworden! Was früher kompliziert war und mehrere Stunden Lebenszeit in Anspruch genommen hat, lässt sich heutzutage in wenigen Klicks erledigen.
Zum Beispiel die Krankschreibung.
Also: Da liegt man mit knapp vierzig Grad Fieber im Bett, hustet und röchelt sich einen ab und arbeiten… das geht heute nun wirklich nicht. Einfach mal liegen bleiben, auskurieren und morgen oder übermorgen sieht die Sache vielleicht schon ganz anders aus. Brav stellt man sich den Wecker, greift morgens drei Minuten nach acht zum Telefon, ruft in der Firma an, Personalabteilung bitte… ach… tatsächlich? So ein Scheiß denkt man sich, während man das Handy wütend in die Ecke knallt (vor dreißig Jahren hätte man „den Hörer wütend auf die Gabel geknallt‟, aber heutzutage weiß ja kaum noch jemand, dass es mal Telefone mit Gabeln gab).
Seufzend quält man sich aus dem Bett, hustet noch ein bisschen, sammelt das Telefon wieder ein, googelt die Nummer seines Hausarztes – sofern man überhaupt einen hat, andernfalls muss man erstmal googeln, wo sich in der Nähe des Wohnsitzes überhaupt eine Hausarztpraxis befindet. Wenn man mit dem googeln fertig ist, wählt man dann mit zittrigen Fingern eine Nummer, drückt fluchend auf Wiederwahl – denn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist die Nummer besetzt – also wählt man nochmal und nochmal und nochmal und wenn man dann irgendwann durchkommt, landet man natürlich zunächst in der Warteschleife bis dann endlich eine genervt klingende weibliche Stimme antwortet:
„Praxis Doktor…‟
„Morgen, Ich brauch‘ n Termin!‟
„Sind Sie Patient bei uns?‟
„Bisher nicht, aber…‟
„Tut mir leid, wir nehmen leider keine neuen Patienten an…‟
„Wirklich nicht?‟
„Mal sehen….. übernächsten Freitag, vierzehnuhrdreißig?‟
„Äh…. vielleicht lieber heute?‟
„Isses ein Notfall?‟
Noch ein überzeugender Huster, dann erhält man die huldvolle Erlaubnis, jetzt aber bitte sofort in die Praxis zu kommen und viel Zeit mitzubringen, weil Montagmorgen, Sie wissen schon!
Weiter hustend und fröstelnd wuchtet man seinen Körper mühsam in die Horizontale, an Klo und Dusche vorbei zur Wohnungstür – Kaffee muss heute ausfallen, Kamillentee auch, keine Zeit – und schleppt sich in die Praxis.
Nach eineinhalb Stunden Wartezeit dann endlich der erlösende Weißkittelkontakt: kurz auf die Lunge gehört, Zunge rausstrecken und „Aaaaaaa!‟-sagen, dreißig Sekunden bis zum Urteil: „Is’n Virus! Gehensemal zurück ins Bett und kurieren sich aus!‟
Danke, Herr Doktor, wär ich echt nicht selbst drauf gekommen, aber hier ist nicht der Ort für Sarkasmus, also schnell her mit dem Krankenschein…
„Hättense doch erst am dritten Tag…‟
Nein, mein Arbeitgeber verlangt ihn schon am ersten Tag. Ist so, darf er, darf er wirklich, brauchense gar nicht so den Kopf zu schütteln, Herr Doktor, ach, können Sie mir nicht gleich eine ganze Woche geben, damit ich mich wirklich auskurieren kann?
Jetzt noch zur Post, Briefmarke und Briefumschlag kaufen um das wertvolle Dokument dann gleich auf den Weg zu schicken, damit man keine Abmahnung riskiert…

Das war gestern!

Heute braucht man das Bett erst gar nicht zu verlassen: Man googelt ein bisschen herum und kriegt den begehrten gelben Schein dann per WhatsApp. Ganz ohne Arztbesuch, aber legal: ein schlauer Jurist hat eine Gesetzeslücke gefunden und flugs ausgenutzt zu einer Geschäftsidee. Schön ist das nicht. Warum ist der Hausarzt hier im Ort eigentlich noch nicht auf die Idee gekommen?

Written by medizynicus

4. Februar 2019 at 05:37

Krankschreibung Under Cover

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Tja, ist doch gar nicht so schwer, das Krankfeiern, nicht wahr?
Deutschlands größte Zeitung, die mit den roten vier Buchstaben hat den Test gemacht: Under Cover hat sie einen Reporter losgeschickt: Ganz dreist ist der zu mehreren Doktors hingegangen und hat gesagt, er will einfach nur einen Krankenschein haben. Einfach nur so. Obwohl er kerngesund ist, wie er gleich dazu behauptet. Und sieh einmal an, was passiert: Er kriegt seinen gelben Urlaubsschein.
Von allen drei Ärzten, die er besucht.
Sind Deutschlands Hausärzte also allesamt korrupt?
Anstatt um das Wohl der Gesellschaft bemüht, der sie egentlich dienen sollen, geben sie sich dem schnöden Mammon hin und prellen die Volkswirtschaft um Millionen, ach was sage ich, um Milliarden, und das alles nur, um selber ein paar Kröten zu verdienen…. denn: ein Patient, der eigentlich gesund ist und nur einen Krankenschein will, ist ein guter Patient. Er macht keine Arbeit und spült den armen, am Hungertuche nagenden Hausärzten Geld in die Kassen. Einmal Karte duchziehen, Arbeitsunfähigkeit unterschreiben, dreißig Sekunden Arbeit, Vierzig Euro verdient. Macht hochgerechnet einen Stundensatz von…
So zumindest sieht es Deutschlands größte Zeitung, die mit den vier roten Buchstaben und die hat ja bekanntlich immer Recht.
Und die Moral von der Geschicht: Den Ärzten gehört mal wieder heftig auf die Finger geklopft. Vor allem den Hausärzten. Jawoll!

Written by medizynicus

13. Januar 2011 at 05:21

Krank feiern leicht gemacht: Der Weg zum gelben Urlaubsschein

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Dies ist wieder einmal ein Special für den geneigten Google-Surfer, der mit entsprechenden Suchanfragen diese Seite ansteuert


Also gut, Du willst es wissen.
Du willst heute mal blau machen. Oder krank feiern. Oder einfach mal zu Hause bleiben, weil Du keinen Bock auf deinen Job hast. Oder Du hast halt was Besseres vor als zur Arbeit zu gehen. Wie dem auch sei, jedenfalls hast Du die Idee, zum Arzt zu gehen und willst nen Krankenschein.
Aber wie bekommst Du das begehrte Stück Papier?
Okay, ich erzähle es Dir.
Es gibt ein paar Dinge, die Du beachten solltest.
Lektion nummero eins:
Den Krankenschein gibt’s grundsätzlich beim Hausarzt.
Also nicht im Krankenhaus. Oder sagen wir besser: Eigentlich eher nicht im Krankenhaus, es sei denn, Du bist dort als stationärer liegender Patient aufgenommen worden. Will sagen: Es ist eine verdammt schlechte Idee, sonntags abends kurz vor Mitternacht vorbeizukommen, wenn der Hauptgrund Deiner Anwesenheit ein Krankenschein für den folgenden Montag ist. Wir behandeln zwar Deine blauen Flecken und Deine gebrochene Nase, schicken Dich dann aber zur Nachkontrolle zum Hausarzt, und der ist auch für den Krankenschein zuständig. Also: wenn Du blau machen willst, spar Dir den Umweg, leg Dich lieber ins Bett und schlaf Dich aus.
Und wenn Du dann beim Hausarzt aufkreuzt, dann tu ihm einen Gefallen: Beweg Deinen Arsch in die Praxis und zitiere ihn nicht zu Dir nach Haus, wenn es nicht unbedingt sein muss.
Und stell Dir den Wecker, damit Du es noch zeitig vor Ende der geplanten Sprechstunde in die Praxis schaffst.
Wenn Du ihn nachts unnötigerweise rausklingelst und dann womöglich auch noch zu Dir ins Haus bestellst, machst Du ihn Dir nicht unbedingt zum Freund. Und das solltest Du beherzigen, wenn Du krankfeiern willst, denn das ist schon die Lektion nummero zwei:
Mach Dir Deinen Hausarzt nicht zum Feind!
Die meisten Ärzte sind nämlich gar nicht so blöd, selbst die Hausärzte nicht und sie mögen es gar nicht, wenn man versucht, sie zu verarschen.
Womit wir bei Lektion nummero drei wären:
Der gemeine Hausarzt fühlt sich nämlich heutzutage ständig verarscht. Daran ist die Politik schuld, oder die bösen Krankenkassen oder die kassenärztliche Vereinigung oder wer auch immer – manchmal auch die Patienten.
Sorge also dafür, dass er sich von Dir nicht verarscht fühlt. Das ist gar nicht so einfach, denkst Du, wenn Du zwei Wochen Krankschreibung willst, obwohl Dir gar nichts fehlt? Wart’s ab! Viele Hausärzte sind ja gar nicht so. Sie gönnen Dir ja Deinen gelben Urlaubsschein.
Sofern Du Dich an die Regeln hältst.
Und was das für Regeln sind, das erkläre ich Dir jetzt.
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Written by medizynicus

12. April 2010 at 07:16