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Wir basteln uns eine Krankheit
Wer will nochmal, wer hat noch nicht?
Wer immer noch ohne Diagnose ist, dem kann geholfen werden. Eine neue Krankheit zu herzustellen, ist nämlich gar nicht so schwer. Oh… nein, keine Angst, hier wird nicht mit neuen Bazillen oder gentechnisch veränderten Killertomaten gearbeitet, nee, sowas ist natürlich viel zu gefährlich, also Finger weg. Ich habe mich auch vielleicht ein wenig falsch ausgedrückt: es geht ja eher darum, eine neue Krankheit zu erfinden… also ich meine natürlich, zu finden, also eine Krankheit, die es eh schon gibt, die sogar sehr verbreitet ist, die aber noch kein Mensch kennt, weil sie eben bislang unentdeckt ist… also unerforscht und so…
Wie bitte? Dazu braucht man ein Forschungslabor mit sündhaft teuren Geräten und vielen fleißigen und motivierten Mitarbeitern und dazu noch einen Haufen klinischer Erfahrung? Pustekuchen! Es geht auch ohne. Eigentlich braucht man noch nicht einmal ein abgeschlossenes Medizinstudium, nee, man braucht überhaupt nicht studiert zu haben um eine neue Krankheit zu bauen (auch Balthasar könnte das, aber der ist bekanntlich eher daran interessiert, neue Therapien zu entwickeln, was ja irgendwie zusammengehört, aber dazu kommen wir noch später).
Also gut. Gehen wir in Medias Res. Legen wir los.
Als erstes brauchen wir einen Namen. Der sollte vielleicht ein bißchen lateinisch klingen, oder, noch besser englisch. Und eine schicke Abkürzung muss es geben. MoDe zum Beispiel. Klingt doch gut, nicht? Oder lieber MoDS?
Dahinter verbirgt sich nämlich das Motivationsdefizitsyndrom, das gibts auch auf Englisch und war leider nur’n Aprilscherz, aber wir könnten es ja trotzdem mal neu erfinden.
Das ist nämlich die nächste Regel: auch das, was schonmal dagewesen ist, kann man ruhig neu erfinden, man muss ihm nur einen neuen Namen geben.
Und dann muss man dafür sorgen, dass möglichst viele Leute dran leiden, aber das ist dann schon der übernächste Schritt.
Wie man Juckreiz verkauft: ein schönes Beispiel für Disease-Mongering
„Juckreiz-Patienten offenbar dramatisch unterversorgt“, schreibt die „Ärzte-Zeitung“ heute und zitiert einen Experten, der auf einer einschlägigen Tagung behauptet, siebzehn Prozent aller Erwerbstätigen in Deutschland würden an chronischem Juckreiz leiden, aber nur ein geringer Teil dieser Menschen sei jemals deswegen beim Arzt gewesen.
Jetzt nehmen wir mal an, es stimmt, was der Experte sagt.
Immerhin ist der schließlich Professor.
Mit etwas gesundem Menschenverstand interepretiere ich die Sache so: die meisten Menschen, welche mit chronischem Juckreiz geschlagen ist, halten die Sache nicht für gravierend genug um deswegen zum Arzt zu gehen. Ich gehe nicht davon aus, dass sie irgendeinen Schaden davon tragen.
So what?
Auf der bewussten Tagung war ich nicht. Aber ich nehme mal an, dass dort ein neues, wahrscheinlich teures Medikament vorgestellt worden ist. Und dafür müssen wir nun den passenden Absatzmarkt schaffen.
Warten wir ab.