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neulich in der gynäkologischen Ambulanz… oder: wie das mit der Pille danach wirklich funktioniert
Freitag Nacht, etwa halb drei.
Telefon geht.
Dr. Palermo (Dank an Chaos-Josephine und ihren sympathischen Kollegen Dr. Napoli), der diensthabende Gyn-Doc geht ran, gähnt dreimal herzlich und schlurft dann missgelaunt in die Ambulanz. Unter den Augen hat er nach mehreren durchwachten Nächten längst tiefe dunkle Ringe und er riecht auch nicht mehr ganz lecker, eher so nach Nachtschweiß und Mundgeruch mit einer leichten Kopfnote von Kaffee und Zigaretten. Jedenfalls schluft er also in die Ambulanz und da sitzt ein junges Pärchen, eng umschlungen.
Die Frau ist vielleicht neunzehn, nuttenblond gebleichtes Haar, an den Fingern zentimeterlange Pornokrallen aus dem Nagelstudio. Dazu billigen Pseudodesignerfummel und…. okay, das Übliche halt, denkt unser Doc.
„Was’n los?“ grummelt er ohne Begrüßung.
„Wir hatten einen Unfall!“ giggelt die Kleine und wird rot dabei.
„Unfallchirurgie ist zwei Etagen tiefer!“ grummelt Doc und weiß natürlich ganz genau, was los ist.
„Nee, halt… so’n Unfall, Sie wissen schon…“ fügt der junge Mann hinzu, der übrigens aussieht wie die billige Kopie eines gerade angesagten Holywoodstars.
„Sie hatten ungeschützten Geschlechtsverkehr?!“ sagt Doc betont drei Stufen zu laut, so dass alle anderen Wartezimmersitzer es mitbekommen hätten, wenn welche dagewesen wären.
Die Kleine nickt.
„Wie konnte das denn passieren?“
Rhetorische Frage, klar.
„Kondom geplatzt!“ sagt der junge Mann.
„Kondome platzen nicht!“ sagt der Doc, „jedenfalls nicht, solange man nicht mit diesen Krallen da rangeht. Allerdings können Kondome abrutschen. Das sollte man wissen und das Ding rechtzeitig wieder abnehmen, in jedem Fall bevor die Erektion nachlässt, also am besten unmittalbar nach der Ejakulation…“
Der junge Mann wird rot.
„…ist ja egal. Jetzt kommense mal rein!“
Doc schließt die Tür zum Untersuchungszimmer auf. Sie geht zögerlich rein. Er will ihr folgen. Doc hält ihn zurück.
„Moment mal!“
„Darf mein Freund nicht mit rein?“
„Sind Sie verheiratet?“
Kopfschütteln.
„Dann muss er draußen warten. Wegen Schweigepflicht und Vertraulichkeit, Sie wissen schon!“
Tür zu.
„Also, dann mal Hose runter!“
Doc deutet zum gynäkologischen Untersuchungsstuhl. Die Kleine glotzt etwas verdutzt.
„Warum?“
„Ich muss Sie doch untersuchen!“
„Äh.. muss das wirklich sein?“
„Natürlich. Könnte ja sein, dass Sie schwanger sind. Jetzt machen wir einen Schwangerschaftstest, eine gynäkologische Untersuchung, einen Ultraschall…“
Sie zieht sich zögerlich aus und nimmt Platz.
Doc feuert seine Fragen ab.
„Wann war die letzte Regel? Schonmal schwanger gewesen? Rauchen Sie? Migräne? Allergien? Nehmen Sie die Pille? Schonmal die Pille genommen? Schonmal ne Thrombose gehabt? Irgendwer sonst in der Familie?“
Die Kleine antwortet zögerlich.
„Sie wissen, dass die Pille danach keine Infektionen verhindern kann? Hatten Sie schonmal irgendwelche Geschlechtskrankheiten? Wan war der letzte HIV-Test?“
Die Kleine ist sichtlich erschrocken.
„Was ist mit Ihrem Sexualpartner?“ fährt Doc ungerührt fort.
„Mein Freund hat kein Aids!“
„Woher wollen Sie das wissen?“
„Hatter nich!“
„Wirklich nicht?“
„Woher denn?“
„Naja, wie man’s kriegt, wissen Sie ja! Und angesichts der Tatsache, dass Sie gerade einen ungeschützten Sexualkontakt mit ihm hatten, sollten Sie sich mal fragen, was der sonst noch alles gemacht hat, und mit wem…“
Sie beginnt zu weinen.
Doc tätschelt ihr jovial die Schultern.
„Naja… lassen Sie sich halt bei Gelegenheit mal testen. Und Ihren Sexualpartner auch!“
Die Patientin zieht sich wieder an.
Doc unterschreibt ein Stück Papier.
„Was ist das?“
„Ein Privatrezept. Damit gehen Sie jetzt zur diensthabenden Apotheke…“
„Wo ist die?“
„Woher soll ich das wissen? Schauen Sie doch in die Zeitung! Oder ins Internet. Jedenfalls müssen Sie die Pille danach selbst bezahlen. Wäre ja zu schön, wenn Sie auch noch auf Kosten der Allgemeinheit Ihren Spaß haben könnten!“
Doc geleitet die beiden zum Ausgang.
„Seien Sie übriens froh, dass ich Sie überhaupt behandelt habe!“ sagt Doc noch zum Abschied, „Wenn Sie zu Dr. Heiligenschein gegangen wären, hätten Sie Pech gehapt. Der macht sowas nämlich grundsätzlich nicht. Aus Gewissensgründen!“
Written by medizynicus
16. Januar 2013 at 09:30
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Gewissensgründe um drei Uhr nachts
Völlig verheult sitzt die junge Frau auf einem der Wartestühlchen unten in der Ambulanz. Es ist Freitagnacht oder auch schon Samstagmorgen, was weiß ich denn, jedenfalls bin ich alles andere als begeistert, aus tiefstem Tiefschlaf heraus geweckt worden zu sein und die Kleine merkt das, schluchzt noch einmal und zieht die Nase hoch.
Ich nicke ihr zu, grummele ein eisiges „guten Morgen“ und winke in Richtung Behandlungszimmer Nummero eins. Die Kleine steht auf und folgt mir mit einer Freundlin im Schlepptau.
Ich nehme im Chefsessel hinter dem Schreibtisch Platz.
„Also, was ist los?!“
Immer schön sofort zur Sache kommen, bloß keine unnötige Höflichkeit um diese Zeit.
„Wir waren abends unterwegs,“ beginnt die Freundin, „dann haben wir ein paar Leute kennengelernt, die haben uns noch auf eine Party mitgenommen, und dann…“
Die beiden schauen einander an, werden rot, kichern. Wie alt mögen sie sein? Höchstens siebzehn! Eher sechzehn. Soll ich sie jetzt duzen oder siezen?
„Ich bräuchte dann noch die Krankenkassenkarte!“ sage ich.
Die Eine nickt und kramt in ihrem strassbesetzten Handtäschchen.
„Also, was war dann?“ fahre ich fort.
Die Kleine wird noch roter.
„Dann… ja dann ist halt was passiert…“
Aha, jetzt verstehe ich.
– Fortsetzung folgt! –
Written by medizynicus
29. September 2011 at 08:15
Veröffentlicht in Alltagswahnsinn
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