Medizynicus Arzt Blog

Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

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Grundlagen der Kristallaurahokuspokustherapie (Teil 3): kleine Marktbeobachtung

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Ja, Leute, KAH-Therapie ist ’ne ganz heiße Kiste! Der Rubel rollt und die Patienten mögen das. Das Konkunkturbarometer zeigt steil nach oben und der Markt bietet noch eine Menge Potential!
Bevor Ihr aber loslegt, lohnt es sich, mal einen kurzen Moment innezuhalten, den Blick schweifen zu lassen und mal ein wenig zu schauen, was da derzeit schon so alles im Angebot ist.
Hier also eine kurze Zusammenfassung einiger …sagen wir mal… unkonventioneller… Therapieformen, die ich auf Esowatch und anderswo gefunden habe:

  • Von der Darm- und Leberreinigung war in diesem Blog ja bereits die Rede. Das Rezept: Man verkaufe dem Patienten eine Mischung verschiedener Tabletten und Pülverchen. Diese bewirken dann, dass sich im Darm irgendwelche Klümpchen bilden (mal als „Steinchen“ mal als gummiartige Würste), die dann mit dem Stuhl ausgeschieden werden und als Erklärung für die Beschwerden hinhalten müssen. Geniale Geschäftsidee!
  • Auch über Kaffee-Einläufe habe ich schon gesprochen. Tolle Sache weil eklig, aber aus geschäftlicher Sicht weniger interessant. Das könnten die Leute schliesslich selbst machen ohne in die Praxis zu kommen.
  • Impuls-Strömen ist ne feine Sache (danke, Neri!). Was die Theorie genau bedeutet, weiß ich nach Lektüre der umfangreichen Seite immer noch nicht, nur soviel: durch Berührungen an bestimmten Punkten kann man die gestörten Energien eines Menschen wieder ins Lot bringen. Wie das geht, kann im Prinzip jeder lernen, aber dazu sind natürlich viele teure Kurse notwendig. Fazit: Geniales Pyramidenspiel! Geld verdient derjenige, der die Kurse verkauft.
  • Psychosomatische Energetik, Quantenmedizin, Oberon-Metatron-Diagnostik (Geniales Wort!) oder Isis-Beamer: Da geht es hauptsächlich darum, mit kompliziert aussehenden Geräten herumzuwuseln. Die Maschinen sind teilweise schon ganz beeindruckend! Verdienen tut, wer das Gerät verkauft.
  • Psychische Chirurgie: Der Patient kommt bei vollem Bewusstsein auf eine Art OP-Tisch. Dann fuchtelt ein Heilkünstler irgendwie herum – ohne Messer oder andere scharfe Instrumente zu verwenden. Anschließend hat dieser blutige Hände und zeigt dem Patienten blutiges Zeug, welches er angeblich aus dessen Buch geholt hat. Hat er aber nicht. War nur eine Art Zaubertrick. Kann durchaus lukrativ sein wenn man es richtig angeht.
  • Lichtfasten – Der Patient wird auf Nulldiät gesetzt, die Nahrungsaufnahme erfolgt durch Beleuchtung des gesamten Körpers (Sonnenbaden) oder einzelner Körperregionen (spezielle esoterische Taschenlampe in den Mund stecken). Ökonomisch gesehen wohl eher weniger lukrativ, von juristischen Folgekosten mal ganz abgesehen.
  • Homöopathie, Schüssler- Salze, Bachblüten & co gehören ja inzwischen längst zum Mainstream. Viel, viel Geld machen kann man mit dem Zeug nur, wenn man es wirklich sehr überzeugend verkauft. Die Masse macht’s. Dabei hilft es, sich ein wenig mit den entsprechenden zugrundeliegenden Theorien zu befassen. Daran zu glauben ist jedoch eher hinderlich. Wichtiger als teure Kurse (entsprechende Zertifikate kann man sich auch selbst drucken) ist eine charismatische Ausstrahlung und entsprechendes Auftreten.

Das alles nur mal so als kleiner Tipp.
Wer hat weitere Geschäftsideen oder kennt noch andere abstruse… äh… alternative Heilmethoden?
Die Serie wird auf jeden Fall fortgesetzt!

Written by medizynicus

27. Oktober 2010 at 06:01

Gallige Steine und Leberreinigung

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Frau Kübler ist ein medizinisches Rätsel.
„Was werden Sie jetzt mit meinen Gallensteinen machen?“ fragt sie und strahlt mich an.
„Frau Kübler, Sie haben keine Gallensteine!“
„Selbstverständlich habe ich Gallensteine!“
„Bei unseren Untersuchungen…“
„…haben Sie offenbar nicht gut genug hingeschaut. Sonst hätten Sie meine Gallensteine gefunden!“
Haben wir aber nicht: Mehrere Ultraschalluntersuchungen, zuletzt wiederholt von Oberarzt Heimbach und Chef gemeinsam und ein CT waren ergebnislos verlaufen. Das heißt nicht ergebnislos sondern: klare Diagnose, keine Gallensteine.
„Und doch habe ich welche!“ hat Frau Kübler steif und fest behauptet, „Wer hat denn Ihre Gallensteine diagnostiziert?“
„Die habe ich selbst gesehen. Mit eigenen Augen!“
„Wie bitte?“
„Augen! Sie wissen doch, was Augen sind?“
„Ähem…. Sie haben das Ultraschallbild gesehen?“
„Kein Ultraschall! Von Ärzten halte ich mich fern. Die haben doch alle keine Ahnung. Ärzte sind gefährlich. Die vergiften einen mit Medikamenten und…“
„Moment mal. Sie sind sich sicher, dass Sie Gallensteine haben aber waren deswegen gar nicht beim Arzt?“
„Selbstverständlich nicht. Ich bin doch nicht lebensmüde.“
„Und wer hat die Diagnose gestellt?“
„Ich!“
„Wie bitte?“
„Ich selbst habe das herausgefunden!“
„Aha…?“
„Also, ich bin ja nicht dumm. Im Internet kann man sich ja prima informieren. Ich habe da also meine Beschwerden gegoogelt und habe auch gleich eine interessante Seite gefunden. Dabei war mir natürlich die ganzheitliche Sicht wichtig…“
„Ach ja…“
„…ja, und da gab es einen Heilpraktiker, der hat mich online beraten. Er hat mir eine Leberreinigung empfohlen. Das Mittel hat er gleich in seinem Webshop verkauft. Also habe ich das gemacht und tatsächlich sind die Steine rausgekommen…“
„Wie bitte?“
„Die Gallensteine sind rausgekommen!“
„Aha?“
„Ja, die habe ich in der Toilettenschüssel gesehen… mit eigenen Augen! Sagte ich doch! Aber Sie wollen mir ja nicht glauben….“
Nee, das will ich wirklich nicht. Aber ich kann auch googeln. Und so läßt sich bald herausfinden, was es mit dieser
Leberreinigung auf sich hat: Wenn man zunächst große Mengen Olivenöl einnimmt und dann ein saures Getränk sowie eine Lösung aus bestimmten Salzen, dann bilden sich daraus im Magen-Darm-Trakt seifenartige Krümel, die dann im Stuhl ausgeschieden werden. Mit Gallensteinen hat das zwar wenig zu tun, aber es soll sehr eindrucksvoll aussehen.
„Wie wäre es mit einem Selbstversuch?“ fragt Kalle.
Nee, das muss jetzt wirklich nicht sein.

Written by medizynicus

17. Oktober 2010 at 07:00

Grundlagen der Kristallaurahokuspokustherapie (Teil 1)

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Liebe Patientin, lieber Patient,
Du willst also gesund werden, nehme ich an. Aber von Medizin hätst Du nicht viel. Jedenfalls nicht von der Medizin, die mit weißen Kitteln, Krankenhäusern und Desinfektionsmittelgeruch einhergeht. Von dieser Art von Medizin hast Du fertig. Vielleicht bist Du enttäuscht worden. Vielleicht konnte man Dir nicht helfen. Oder man wollte es nicht oder Du hast andere schlechte Erfahrungen gemacht. Jedenfalls stehst Du jetzt auf so Ganzheitliche Sachen, auf sanfte und natürliche Medizin und sowas. Worum es da geht, weißt Du zwar auch nicht so richtig, denn das was der Heilpraktiker Dir erzählt klingt genauso unverständlich und verworren wie das der Weißkittelarzt Dir früher verklickern wollte, aber der Heilpraktiker hört Dir wenigstens zu.
Lieber Patient, wenn Du wirklich krank bist und es Dir echt beschissen geht, und Du einfach nur Hilfe brauchst – dann tu mir einen Gefallen: lies hier nicht weiter. Klick schnell weg und – ja, tu mir noch einen Gefallen: Schick Deinen Quacksalber in die Wüste, jag alle Scharlatane dahin, wo der Pfeffer wächst und gib dem Weisskitteldoc noch eine Chance! Geh zurück zu ihm und zwing ihn notfalls dazu, Dir zuzuhören!
So.
Was aber ist, wenn Du gar nicht wirklich krank bist?
Und wenn Du vielleicht auch gar nicht gesund werden willst?
Wenn Du Deine Krankheit – mag sie nun existieren oder nicht – eher so als eine Art Hobby siehst?
Ja, dann bist Du hier richtig! Dann werde ich Dir im Laufe der folgenden Tage, Wochen, Monate, Jahre und Jahrzehnte an dieser Stelle die Grundprinzipien der Kristallaurahokuspokustherapie erklären.
Wie sie wirkt?
Einfach bombig!
Was das genau ist?
Das kriegen wir später!
Aber merke Dir:

  • Glaub nix, was Du künftig hier an dieser Stelle (Tag/Kategorie „Quacksalberei“) lesen wirst! Denn wenn Du es tust, dann könnte es Deine Gesundheit gefährden!


Schonmal ein bisschen Lektüre vorweg (ältere Artikel zum Thema):

Written by medizynicus

7. Oktober 2010 at 05:31