Medizynicus Arzt Blog

Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

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Atomkatastrophe? Alles halb so wild: kann man doch ausleiten!

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Also wenn das nächste Mal wieder so ein Atomkraftwerk hochgeht, dann habe ich keine Angst. Ich habe vorgesorgt. Mir kann nichts passieren. Und Euch auch nicht, wenn Ihr wisst, wie man sich schützen kann. Und wie das geht, das verrate ich gerne jedem, der mir ein paar grüne Scheinchen rüberschiebt.
Wie? Das ist gemein, sagt Ihr jetzt? Ich sei ein elender Blutsauger, Krisengewinnler und Geschäftemacher?
Mag sein, mag sein… aber ich bin ja gar nicht so. Und weil Ihr es seid, will ich diese lebenswichtigen Infos mal doch nicht zurückhalten.
Die Sache ist nämlich so: Radioaktivität kann man ausleiten.
Wie bitte? Ausleiten? Noch nie davon gehört? Muss man auch nicht unbedingt. Nur in Kürze: dahinter steht die in Eso-Kreisen verbreitete Theorie, dass man böse Substanzen aus dem Körper entfernen kann. Und eben nicht nur böse Substanzen, sondern offenbar auch böse Strahlen.
Dabei hat man die Qual der Wahl zwischen mehreren Methoden:

  • Die Superalge Spirulina, die nebenbei auch als industriell gefertigtes Fischfutter verwendet wird
  • Zeolith, eine Art Scheuerpulver für den Körper
  • Verschiedene andere Rezepte mit Pülverchen, Zaubertranks, Tropfen oder Pillen aus diversen Kräutern, wie zum Beispiel diese leicht selbst herstellbare Variante aus Heidekraut (Erika).
  • Und natürlich, last not least, die gute alte Homöopathie. Auch auf diesem Gebiet sind verschiedene Rezepte im Umlauf.

…und wem all das nicht reicht: Auch die Kristallaurahokuspokustherapie nach Medizynicus wirkt bekanntlich immer zuverlässig gegen alles.

Written by medizynicus

20. März 2011 at 05:46

Gallige Steine und Leberreinigung

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Frau Kübler ist ein medizinisches Rätsel.
„Was werden Sie jetzt mit meinen Gallensteinen machen?“ fragt sie und strahlt mich an.
„Frau Kübler, Sie haben keine Gallensteine!“
„Selbstverständlich habe ich Gallensteine!“
„Bei unseren Untersuchungen…“
„…haben Sie offenbar nicht gut genug hingeschaut. Sonst hätten Sie meine Gallensteine gefunden!“
Haben wir aber nicht: Mehrere Ultraschalluntersuchungen, zuletzt wiederholt von Oberarzt Heimbach und Chef gemeinsam und ein CT waren ergebnislos verlaufen. Das heißt nicht ergebnislos sondern: klare Diagnose, keine Gallensteine.
„Und doch habe ich welche!“ hat Frau Kübler steif und fest behauptet, „Wer hat denn Ihre Gallensteine diagnostiziert?“
„Die habe ich selbst gesehen. Mit eigenen Augen!“
„Wie bitte?“
„Augen! Sie wissen doch, was Augen sind?“
„Ähem…. Sie haben das Ultraschallbild gesehen?“
„Kein Ultraschall! Von Ärzten halte ich mich fern. Die haben doch alle keine Ahnung. Ärzte sind gefährlich. Die vergiften einen mit Medikamenten und…“
„Moment mal. Sie sind sich sicher, dass Sie Gallensteine haben aber waren deswegen gar nicht beim Arzt?“
„Selbstverständlich nicht. Ich bin doch nicht lebensmüde.“
„Und wer hat die Diagnose gestellt?“
„Ich!“
„Wie bitte?“
„Ich selbst habe das herausgefunden!“
„Aha…?“
„Also, ich bin ja nicht dumm. Im Internet kann man sich ja prima informieren. Ich habe da also meine Beschwerden gegoogelt und habe auch gleich eine interessante Seite gefunden. Dabei war mir natürlich die ganzheitliche Sicht wichtig…“
„Ach ja…“
„…ja, und da gab es einen Heilpraktiker, der hat mich online beraten. Er hat mir eine Leberreinigung empfohlen. Das Mittel hat er gleich in seinem Webshop verkauft. Also habe ich das gemacht und tatsächlich sind die Steine rausgekommen…“
„Wie bitte?“
„Die Gallensteine sind rausgekommen!“
„Aha?“
„Ja, die habe ich in der Toilettenschüssel gesehen… mit eigenen Augen! Sagte ich doch! Aber Sie wollen mir ja nicht glauben….“
Nee, das will ich wirklich nicht. Aber ich kann auch googeln. Und so läßt sich bald herausfinden, was es mit dieser
Leberreinigung auf sich hat: Wenn man zunächst große Mengen Olivenöl einnimmt und dann ein saures Getränk sowie eine Lösung aus bestimmten Salzen, dann bilden sich daraus im Magen-Darm-Trakt seifenartige Krümel, die dann im Stuhl ausgeschieden werden. Mit Gallensteinen hat das zwar wenig zu tun, aber es soll sehr eindrucksvoll aussehen.
„Wie wäre es mit einem Selbstversuch?“ fragt Kalle.
Nee, das muss jetzt wirklich nicht sein.

Written by medizynicus

17. Oktober 2010 at 07:00