Medizynicus Arzt Blog

Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

Medizinische Versorgung für Illegale: ein paar Fakten

with 5 comments

Quasim heißt natürlich in Wirklichkeit anders. Die Geschichte ist erfunden. Oder sagen wir besser: Eine Begebenheit, die sich vor einiger Zeit mal so ähnlich abgespielt hatte wurde in vielen Punkten verändert und auch ein wenig aufgebauscht.
Das ändert aber nichts daran, dass es ziemlich viele Quasims gibt und einige von denen schwer krank sind.

Also, halten wir mal ein paar Dinge fest:

  • Kein Mensch ist Illegal. Aber es gibt Menschen, denen die Behörden (und die Gesezte) dieses Landes nicht das Recht zugestehen, hier leben zu dürfen. Viele Menschen tun es trotzdem. Aus den verschiedensten Gründen. Über die moralische Legitimation dieser Gründe möchte ich nicht urteilen. Nicht alle von ihnen sind Unschuldslämmer.
  • Niemand weiß, wie viele Menschen in diesem Land ohne rechtlichen Aufenthaltsstatus leben. Man geht davon aus, dass es etwa eine Millionen sind, aber es können auch nur halb so viele sein. Oder doppelt so viele. Das wären immerhin, über den Daumen gepeilt, rund ein Prozent unserer Bevölkerung.
  • Wer illegal ist, lebt in ständiger Furcht, entdeckt zu werden. Er vermeidet daher nach Möglichkeit jeden Kontakt zu Behörden. Aus gutem Grund: Ämter müssen Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht bei der zuständigen Ausländerbehörde melden.
  • Krankenhäuser und Arztpraxen sind keine Behörden. Ein Arzt hat keinerlei Verpflichtung, seine Patienten beim Ausländeramt anzuzeigen!
  • Genausowenig ist ein Arzt dazu verpflichtet, die Identität seiner Patienten zu überprüfen – es kann ihm eigentlich egal ein, ob der Patient sich Rumpelstilzchen oder Donald Duck nennt.
  • Wichtig: In Notfällen sind Ärzte (z.B. in Krankenhausambulanzen und Notaufnahmen oder Niedergelassene Kollegen) zur akuten Hilfe verpflichtet – auch dann, wenn keine Krankenkassenkarte vorliegt. Allerdings haben sie auch das Recht, anschließend eine Rechnung zu schreiben und das Geld auch z.B. durch Inkassofirmen eintreiben zu lassen. Allerdings kann niemand gegen seinen Willen im Krankenhaus „bis zur Begleichung der Rechnung“ festgehalten werden.
  • Wenn ein Arzt einen nicht versicherten Patienten behandelt, kann er sich seine Vergütung vom Sozialamt holen. Das Sozialamt muss die Daten wiederum an die Ausländerbehörde weitergeben.
  • Alternativ könnte der Arzt natürlich auch auf Privatliquidation bestehen (Käsch in die Täsch!). Oder auf sein Honorar verzichten.
  • Ersteres dürfte aufgrund der begrenzten finanziellen Kapazitäten der Patienten eher selten durchsetzbar sein. Versucht wird es gelegentlich. Letzteres hingegen ist gar nicht mal so selten.
  • Manch ein niedergelassener Kollege behandelt einen Nicht versichterten Ausländer, obwohl er weiß, dass er daran keinen Cent verdient und hängt das einfach nicht an die große Glocke. Und dann gibt es Kollegen, welche ehrenamtlich bei caritativen Organisationen mitarbeiten.
  • In vielen Orten gibt es Initiativen welche spezielle Sprechstunden für „Papierlose“ anbieten. Diese Initiativen sind teilweise durch Spenden finanziert, teilweise auch sogar mit öffentlichen Geldern. Beispiele sind:
    • Die Malteser-Migranten-Medizin (mehrere Standorte)
    • Das „Büro für Medizinische Flüchtlingshilfe“ (Berlin)
    • Die „Medizinische Hilfe für nicht versicherte Menschen in München e.V“
    • Das Medinetz Dresden
    • …und viele weitere Organisationen. Wenn jemand weitere örtliche Initiativen kennt, bitte mit Link und/oder Telefonnummer als Kommentar posten!

Quellen und Weitere Informationen:
Ganz viele nützliche Infos gibt’s bei „Pro Asyl“
Süddeutsche Zeitung
Deutsches Ärzteblatt
Via Medici
Spiegel Online
…und natürlich:
Quasim’s Geschichte

Written by medizynicus

30. November 2009 um 01:20

Veröffentlicht in Alltagswahnsinn

5 Antworten

Subscribe to comments with RSS.

  1. Wie ist das bei offensichtlichem Kartenbetrug? Sehen die Ärzte da auch drüber hinweg?

    bsp: ein Mann (Deutscher ohne Krankenversicherung weil selbstständig) nimmt für die wenigen Arztbesuche die Versichertenkarte seines Bruders her. Beide gehen selten zum Arzt, dann aber meist zum gleichen. Es müsste dort eigentlich schon aufgefallen sein. Unter dem Namen seines Bruders werden nun Krankheiten abgerechnet, die teils chronisch sind und die der Bruder nicht hat und vielleicht auch nie bekommen wird. Der Arzt selbst tut so als würde ihm nichts auffallen. Ist vielleicht auch so. Glauben kann ich es aber nicht.

    Blogolade

    30. November 2009 at 05:52

  2. @Blogolade: Diese Art von Kartenbetrug ist ein ganz anderes Thema. Ebenfalls denkbar ist der Tourist aus Sonstwienoch, der nach Deutschland einreist um sich dort einen gratis-Gesundheitscheck mit allen Schikanen zu gönnen und dann auf Nimmerwiedersehen verschwindet.
    Wenn die Sache bei der Abrechnung mit den Krankenkassen auffliegt, dann wird das Krankenhaus (oder der niedergelassene Arzt) schlicht und einfach auf der Rechnung sitzen bleiben und hat dann die Möglichkeit eine Inkasso-Firma zu beauftragen oder versuchen, das Geld gerichtlich einzuklagen.

    medizynicus

    30. November 2009 at 08:37

  3. 1. Du hast natürlich recht, ein Mensch ist niemals Illegal. Seine Handlungen sind illegal. Und gegen ein Gesetz verstoßen ist nunmal die Definition von Illegal, daran lässt sich nichts Rütteln. Und ähm welches Recht haben die Menschen den hier zu leben? Ein Recht muss auf etwas gestützt sein, das sehe ich hier aber nicht.
    2. Sicherlich hat der Arzt nicht die Verpflichtung jemanden beim Ausländeramt anzuzeigen. Andererseits will er sicherlich auch entlohnt werden für seine Arbeit oder? Und Barzahlung auf die Hand – sich selbst an den Rand der Legalität bewegen?
    3. Und der Arzt kann einen unversicherten Behandeln udn das Geld vom Sozialamt wiederholen? Darüber sage ich jetzt lieber nichts, das bekommen die meisten eh nur in den falschen Hals.

    Und das alles hat garnichts damit zu tun, das ich es schlecht finde, dass Geholfen wird. Und es soll auch keiner Tot umfallen weil er kein Geld hat.

    Aber ich finde eine Meldepflicht wäre hier angebracht. Der Aufenthalt ist nicht genehmigt und belasten unser Sozialsystem. Das kann man nicht schön reden. Hier ist schließlich nicht das Schlaraffenland…

    DeserTStorM

    30. November 2009 at 12:46

  4. @DeserTStorM: zu Deinem Punkt 3: Okay, die Formulierung war etwas ungeschickt, versuchen wir es anders: Wenn ein Bedürftiger (!) Mensch, welcher nicht krankenversichert ist und keine eigenen finanziellen Mittel zur Verfügung hat (!) dringende (!) medizinische Behandlung benötigt, dann kommt das Sozialamt für die Kosten auf, so war das gemeint. Frag mich nicht, wie das genau in welchen Gesetzen wo geschrieben steht.
    Das setzt natürlich voraus, dass der Arzt dem Sozialamt die Personalien usw. des Patienten mitteilt – wenn möglich, die echten. Soweit die Fakten.
    Zu Punkt 2: Ein „normaler“ Arzt hat eigentlich nur die Möglichkeit, sich entweder wie oben beschrieben ans Sozialamt zu wenden oder den Patienten wie einen Privatpatienten zu behandeln – also ihm anschließend eine Rechnung zu schreiben und dann seinem Geld hinterher zu rennen. „Käsch in die Täsch“ dürfte damit faktisch ausgeschlossen sein, selbst bei Dr.Geldgier.
    Wenn es sich um kleinere Summen handelt, dann er allerdings auch mal fünfe gerade sein lassen, wenn er möchte.
    Zu Punkt 1: Diese Diskussion würde den Rahmen sprengen. Wie ich schon sagte: Nicht alle „Statuslosen“ (das Wort gefällt mir besser als „Illegale“) sind Unschuldslämmer. Einige sind sogar Schwerverbrecher. Andere sind echt arme Schweine. Und die meisten sind ganz normale Menschen und würden auch gerne arbeiten und das Sozialsystem aktiv unterstützen, wenn sie dürften… aber wie gesagt, das ist ein ganz anderes Thema…

    medizynicus

    30. November 2009 at 14:26

  5. Du hast sicherlich recht, das Thema ist zu viel um es hier zu diskutieren. Wenn ich mal in Bad Dingenskirchen bin komm ich mal vorbei 😉

    DeserTStorM

    1. Dezember 2009 at 11:06


Hinterlasse einen Kommentar