Medizynicus Arzt Blog

Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

Archive for August 2009

meine erste Operation…

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….was es denn war und was ich drüber erzählen würde, will Frau Vokalanästhesie wissen.
Nun sind meine Chirurgen-Tage zwar schon eine Weile lang vorbei, aber alles immer noch lebhaft in Erinnerung. Also: Meine erste OP war natürlich ein Blinddarm.
Wie bei den meisten Kollegen. Ich erinnere mich auch an eine Metallentfernung, ehrlich gesagt weiss ich jetzt gar nicht mehr, was davon eher war, aber es ist ja egal: Mit einem von diesen beiden Sachen fangen fast alle Chirurgen an. Und vorher haben sie in der Regel zig mal zugeschaut… also Maul und Haken gehalten und aufmerksam verfolgt, was der Kollege da macht.
Und irgendwann mal… irgendwann, wenn der Oberarzt gute Laune hat weil man vielleicht lange genug gebuckelt oder gebettelt hat, oder weil der Oberarzt einfach nett war, irgendwann läßt der Oberarzt einen dann mal selbst ans Messer.
Also: Haut aufgeschnitten, Blinddarm gesucht, Blinddarm raus und zugenäht. Und dann den OP-Bericht diktieren. Und dann am nächsten Tag den OP-Schwestern einen Kuchen mitbringen.
Und wenn man dann auch noch für die OP-Pfleger einen Kasten Bier mitbringt, darf man nächste Woche wieder ans Messer. So läuft das in Bad Dingenskirchen.

Written by medizynicus

25. August 2009 at 14:57

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Ich kauf mir das Krankenhaus!

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Sonntag Abend um halb elf und Medizynicus kommt wieder mal auf krumme Gedanken.
Der italienische Jackpot ist geknackt. Nee, leider nicht von mir. Aber was wäre wenn?
Wieviel waren drin? Hundert Millionen? Man stelle sich mal vor: Einhundertmillionen Euros, das sind… wie viele Güterzüge voller Euro-Münzen? Okay, lassen wir das. Was kann man mit dem Geld anstellen? Natürlich, ein paar Ferraris und Lamorghinis muss man sich schon gönnen und ein Häuschen auf Sylt und eines in der Toscana auch… (und einen Doktortitel kaufe ich mir natürlich auch, aber das ist ein anders Thema.)
Und dann hätte ich immer noch neunundneunzig Millionen Euros übrig. Was kaufe ich mir also sonst noch? Vielleicht das Kreiskrankenhaus Bad Dingenskirchen?
Stellen wir uns vor:
Montag Morgen, acht Uhr früh im Büro des Verwaltungsdirektors.
Die Sekretärin läutet beim Chef durch.
„Ein junger Mann ist da. Er behauptet, es sei wichtig.“
„Soll sich nen Termin geben lassen!“
„Er will aber jetzt sofort mit Ihnen sprechen.“
„Frühestens in zwei Wochen!“
„Er sagt, das geht nicht, weil Sie dann Ihre Tätigkeit in diesem Hause längst beendet haben werden…“
Okay. Träumen wir weiter. Der nächste Jackpot kommt bestimmt.

Written by medizynicus

23. August 2009 at 22:45

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Fehlermanagement: Wie es besser laufen könnte – in Bad Dingenskirchen oder anderswo

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Eine erfahrene Krankenschwester aus einer anderen Abteilung leitet das Treffen.
„Guten Tag und herzlich willkommen,“ beginnt sie, „schön, dass sie alle zu unserer Fehlerkonferenz gekommen sind. Ich möchte kurz den Ablauf erklären: Ich möchte nachher alle Kollegen, welche an der Sache beteiligt waren, der Reihe nach bitten, den Fall aus ihrer Sicht zu berichten. Nach jedem Statement werde ich um Kommentare bitten. Hierbei gibt es aber ein paar Grundregeln. Alles klar, soweit?“
Sie blickt in die Runde. Alle nicken.
„Regel Nummer eins: Positives Feedback zuerst. Erst dann Kritik. Aber bleiben Sie sachlich dabei. Persönliche Angriffe sind verboten. Es geht nicht darum, einen Schuldigen zu finden. Das ist ganz wichtig, okay?“
Sie blickt noch einmal in die Runde und schaut jeden scharf an.
„Und noch etwas: jede Stimme ist gleich wichtig. Jeder darf und soll sich zu jedem Statement äußern, es ist ausdrücklich erwünscht, dass Sie sich auch zu denjenigen Kollegen äußern, welche in der Hierarchie über Ihnen stehen. Hier in dieser Konferenz ist jede Stimme gleich wichtig. Ziel dieser Fehlerkonferenz ist es, herauszufinden, wie Dinge in Zukunft besser laufen könnten. Das, was passiert ist, ist nicht die Schuld eines Einzelnen. Ist soweit alles okay?“
Alle nicken.
„Unser Kollege Dr. Medizynicus wird Protokoll führen. Das Protokolle erhält jeder Teilnehmer anschließend per Email. Das Protokoll ist strikt anonymisiert und es werden ausschließlich Ergebnisse festgehalten. Und selbstverständlich ist alles, was hier besprochen wird streng vertraulich und auf keinen Fall für fremde Ohren bestimmt. Alles klar soweit?“
Allgemeines Kopfnicken.
„Dann möchte ich Herrn Oberarzt Dr. Biestig bitten, den Ablauf der Ereignisse aus seiner Sicht zu schildern….“

Written by medizynicus

21. August 2009 at 20:24

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Fehlermanagment in Bad Dingenskirchen (Teil 2)

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Zwei Wochen später.
Morgendliche Besprechung. Chef schaut Oberarzt scharf an.
„Sagen Sie mal, Biestig, Sie hatten doch da letztens mal so eine Wundinfektion…“
Biestig zuckt zusammen wie von der Tarantel gestochen.
„Ich bin nicht schuld! Schauen Sie in den OP-Bericht, ist alles lege Artis gelaufen!“
„In Ihrem Arztbrief erwähnen Sie das Übergewicht…“
„Eine strunzblöde fette Kuh war das, Herr Chefarzt, und ausserdem ist sie schon am zweiten postoperativen Tag ständig zum Rauchen auf den Balkon gerannt und außerdem hat sie sich das Pflaster abgerissen…“
„Das ist richtig.“
„Moment mal… woher wissen Sie das, Herr Chefarzt?“
„Die Patientin hat sich bei der Krankenhausverwaltung schriftlich beschwert. Und auf diese Beschwerde müssen wir jetzt reagieren.“
„Was schreibt sie denn?“
„Sie erwähnt noch eine Schwesternschülerin, welche ihr angeblich mit schmutzigen Händen ein neues Pflaster auf die Wunde geklebt hat…“
Biestigs Miene hellt sich auf.
„Ach die kenne ich, die Kleine! Das ist wirklich ein vorlautes Biest… ich glaube, die ist noch in der Probezeit. Was halten Sie denn davon, Herr Chefarzt, wenn wir…“

Written by medizynicus

18. August 2009 at 07:51

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Fehlermanagement in Bad Dingenskirchen

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Der folgende Fall ist fiktiv, könnte nicht unmöglich. Also:
Bad Dingenskirchen, Chirurgische Abteilung. Schwester Agnes kommt aufgeregt ins Arztzimmer.
„Herr Doktor? Frau Schuster auf Zimmer dreizehn hat so Schmerzen. Könnten Sie da vielleicht mal nachschauen?“
Der Doktor geht und schaut nach: Sechsunddreißigjährige Patientin, fünf Tage nach Cholezystektomie – aufgrund von Komplikationen, auch in Zusammenhang mit deutlicher Adipositas musste die ursprünglich endoskopisch begonnene Operation dann doch mit Bauchschnitt gemacht werden.
Jetzt hat sie also Schmerzen im Narbenbereich. Die Narbe ist rot, deutlich schmerzhaft, geschwollen. Sieht nicht gut aus. Die Operationswunde könnte sich infiziert haben.
Also Oberarzt geholt.
Oberarzt Biestig ist ungehalten.
„Die Patientin soll sich mal nicht so haben! Gib ihr halt was gegen die Schmerzen!“
Die Schmerzmittel wirken natürlich nicht. Außerdem hat sie Fieber.
Nach mehrfacher Nachfrage kommt der Oberarzt dann doch.
Langt auf die Narbe… läßt sich eine Pinzette geben… prockelt herum… und es entleert sich jede Menge Eiter.
Oberarzt wird rot.
„Hmmm.“
Keiner sagt was. Die Wunde wird verbunden, dann verlassen Oberarzt, Schwester und Assistenzarzt wortlos das Krankenzimmer.
„Und was machen wir?“
„Antibiotika… täglicher Verbandswechsel… Schmerzmittel….“
„Entschuldigen Sie, Herr Oberarzt, aber warum…?“
„Warum? Das fragen Sie noch? Diese fette Kuh, ist ja selbst schuld, wenn sie eine Wundinfektion bekommt! Da kann ein Chirurg gar nichts für, wenn so etwas passiert! Sagen Sie der Patientin gefälligst sie soll mindestens zwanzig Kilo abnehmen und demnächst ein wenig mehr auf Hygiene achten!“
Und mit diesen Worten rauscht der Oberarzt ab.

Written by medizynicus

17. August 2009 at 14:23

Veröffentlicht in Alltagswahnsinn

Deutsche Ärzte machen keine Fehler!

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Machen sie doch, behauptet die „Stiftung Gesundheit“ in einer vielbeachteten und vielzitierten Studie: Jeder dritte Arzt schädigt seine Patienten. Jetzt macht die Stiftung einen Rückzieher, wie die
Ärztezeitung berichtet (Dank an die Stationäre Aufnahme für den Link).
Stimmt ja gar nicht, haben wir ja gar nicht so gemeint!
Na, dann ist ja alles in Butter!

Written by medizynicus

16. August 2009 at 09:37

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Stellen wir uns mal vor, die gute Fee war da…

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Angenommen, die gute Fee hat ihr Versprechen wahrgemacht. Sie hat alle Ärzte besucht, deren Wünchen gelauscht und nur damit begonnen, jene zu erfüllen:

  • Unsere Vielgeliebte Gesundheitsministerin ist auf den Mond geschossen worden
  • Die gesamte SPD gleich mit dazu, und aus paritätischen Gründen auch die CDU/CSU, denn die haben die Verschlimmbesserungen im Gesundheitswesen ja auch mitgetragen
  • Alle Rechtsextremen habe ich persönlich gleich hinterher geschossen, nee, die kommen auf einen Orbit ausserhalb der Umlaufbahn des Pluto.
  • Bleiben also noch FDP, Grüne und Linke übrig. Irgendein Kollege, ich weiss nicht mehr wer, hatte gewisse Einwände gegen Letztere beiden Parteien, und die Erstere Partei war einem anderen Kollegen nicht geheuer, ist ja auch besser so, gleiches Recht für alle, also schiessen wir die auch auf den Mond
  • Was machen wir mit den parteilosen Funktionären von Ärztekammer, Krankenkassen, kassenärztlicher Vereinigung und Berufsverbänden? Da war sich die Gute Fee noch nicht so ganz sicher. Dürfen die bleiben?
  • Jedenfalls ist Monsterdoc inzwischen Bundeskanzler, der Landarsch ist Gesundheitsminister und Dr. Geldgier ist Finanzminister.

Wie geht’s weiter?

Written by medizynicus

15. August 2009 at 12:31

Veröffentlicht in Allgemein

Stell Dir vor, es ist Schweinegrippe und keiner geht hin!

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Wenn eine Krankheit in Form einer Epedemie ausbricht, werden Menschen krank.
Soweit noch alles Okay?
Ärzte sind auch Menschen. Richtig?
Krank werden vor allen Dingen diejenigen Menschen, welche engen Kontakt zu Erkrankten haben. Kling logisch?
Kranke Leute suchen Ärzte auf. Ärzte untersuchen die Kranken.
Also können Ärzte auch krank werden. Wirklich? Gibts das?
Kranke Ärzte können nicht zur Arbeit gehen. Nee, echt nicht?
Ergo: Je mehr Epedemie, desto weniger Ärzte. Boah ey!
Was aber tun, wenn man nicht krank werden will? Ein Viertel aller Krankenhausangestellten wollen, wenn es wirklich ernst werden sollte mit der Schweinegrippe, lieber erst gar nicht zur Arbeit gehen, berichtet das Deutsche Ärzteblatt.
Interessant: Die höchste Arbeitsmoral findet sich bei den Ärzten. (86,6% würden doch zur Arbeit gehen), die meisten Krankfeierer hingegen bei der Verwaltung (Fast vierzig Prozent würden daheim bleiben).
Hätten wir uns das nicht denken können?

Written by medizynicus

14. August 2009 at 11:10

Sie müssen röntgen, röntgen, röntgen!

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Bad Dingenskirchen, morgens um acht. Frühbesprechung in der Notaufnahme. Kalle hat Dienst gehabt und betet die Erlebnisse der letzten Nacht herunter.
Müde klappt er die Kladde mit den Patientennamen zu.
„Ach ja, Einen habe ich noch vergessen: Fünfundzwanzigjähriger Junge, Zustand nach mehreren Weizenbier, ist nachts um drei auf dem Heimweg von der Party mit dem Fuß umgeknickt. War alles in Ordnung. Habe ich heimgeschickt. Vielen Dank, das war’s“
Er gähnt.
Dr. Biestig, der chirurgische Oberarzt schaut ihn scharf an.
„Wo ist denn das Röntgenbild?“
„Gibts nicht.“
Biestigs Miene verdüstert sich.
„Gibts nicht?“
„Nein.“
„Warum nicht?“
„Weil ich ihn nicht habe röntgen lassen.“
Biestigs Gesicht nimmt eine gefährliche Färbung an. Er ist berühmt für seine cholerischen Ausbrüche. Wir alle treten instinktiv einen Schritt zurück. Nur Kalle nicht.
„Was soll das heißen?“
„Wissen Sie, Herr Oberarzt, wenn man mich nachts um drei aus dem Bett klingelt weil ein Patient wartet, dann ist das normal. Aber man muss nicht unbedingt die Röntgen-MTA aus dem Bett werfen, wenn es nicht notwendig ist. Ich habe sie halt schlafen lassen. Ich habe dem Jungen einen Salbenverband gemacht und ihn mit den üblichen Ratschlägen nach Hause geschickt.“
„Warum haben Sie ihn nicht geröntgt?“
„Weil es nicht notwendig war.“
„Bei uns wird immer geröntgt!“
„Herr Oberarzt, was Sie mit Ihren Patienten machen, ist Ihre Sache. Ich bin nur ein dummer Internist…“
„Jawoll, Sie sind Internist! Wie können Sie entscheiden, ob der Fuß nicht gebrochen war? Was ist mit der Diagnostischen Sicherheit?“
„Indem ich den Patienten sorgfältig untersuche. Der Patient ist mit dem Fuß nach innen umgekickt. Also ein leichtes Suppinationstrauma. Keine Schwellung, kein Hämatom, kein Druckschmerz über dem Knöchel. Herr Oberarzt, Sie sind der Fachmann: Sie kennen die Ottawa-Regeln. Die wurden von internationalen Experten aufgestellt, um Patienten vor unnötigen Röntgenaufnahmen und unnötiger Strahlenbelastung zu schützen…“
„Und wenn es doch gebrochen war?“
„Ich habe ihm gesagt, dass er wiederkommen soll, wenn die Schmerzen schlimmer oder in den nächsten Tagen nicht besser werden…“
„Trotzdem: Wenn Sie eine Fraktur übersehen haben, sind Sie dran!“
„Nicht, wenn ich mich an international anerkannte Leitlinien halten und die sagen…“
„Diese Leitlinien können Sie sich sonstwohin stecken! Bei mir zählt nur das, was ich selber sehe! Bei mir wird jede Sprunggelenksverletzung geröntgt, auch nachts um drei! Sie können nie eine Fraktur ausschliessen, ohne ein Röntgenbild gemacht zu haben…“
„Und was wären die Konsequenzen gewsen? Wären Sie nachts dann um drei rausgekommen um ihn dann auf der Stelle zu operieren? Oder hätten sie bei den milden Beschwerden bis zum Morgen gewartet?“
Biestig wird rot und schüttelt den Kopf.
„Ist ja egal. Ich sage es trotzdem: Sie müssen röntgen, röntgen, röntgen!“

Written by medizynicus

13. August 2009 at 11:00

Blogroll Update (10) – Vokalanästhesie

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Vokalanästhesie ist ein weiterer geheimnisvoller brandneuer Neuling am Bloggerhimmel. Wer ist sie? Ihren Namen verrät sie nicht. Aber gleich in ihrem ersten Blogeintrag sieht man ein Bild von ihr (vermutlich), hingefläzt auf einem Sofa im Stadium der akuten Schreibblockade. Mit der Schreibblockade ist jetzt Schluss. Noch am selben Tag bewirbt sich die bekennende Satirikerin bei zwei Ärzten als Patientin. Die Briefe hat sie wirklich abgeschickt, behauptet sie wenigstens, und liefert die Antworten gleich mit. Man darf gespannt sein, ob sie hält, was der erwartungsvolle Anfang verspricht.
p.s.: die EKG-Kurve mit Sensenmann ist ein wunderbares kleines genialse Detail im Design ihres Blogs

Written by medizynicus

12. August 2009 at 15:30

Veröffentlicht in Ein Herz für Blogs