Medizynicus Arzt Blog

Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

Archive for Juni 2016

Nicht ohne Diagnose!

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„Alles in Ordnung, Herr Schraubenmüller!“
Der Doktor reckt den Daumen nach oben.
„Was hab ich jetzt?“
Der Patient knöpft das Hemd langsam wieder zu.
„Keine Ahnung,“ sagt der Doktor, „auf jeden Fall aber nichts Schlimmes!“
„Und die Schmerzen in der Achillessehne?“
„…sind mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit harmlos!“
„Also die Sehne ist nicht gerissen?“
„Nein, Herr Schraubenmüller, Ihre Achillessehne ist nicht gerissen!“
„Na, dann ist ja alles gut, Herr Doktor! Ich danke Ihnen auch ganz herzlich! Schön, dass Sie mir die Angst genommen haben!“
Der Patient verlässt zufrieden das Konsultationszimmer und alle sind glücklich und zufrieden, bis…
Halt!
Stop!
Kurz zurückspulen!
„Was hab ich jetzt?“, fragt der Patient.
„Auf jeden Fall nichts Schlimmes!“, sagt der Doktor.
„Sie haben mir also gar keine Diagnose gestellt?“, insistiert der Patient.
„Nun ja, ich kann Ihnen sagen, dass Ihre Achillessehne intakt ist. Eine Ruptur der Achillessehne können wir mit großer Wahrscheinlichkeit ausschließen!“
„Herr Doktor, ich will nicht wissen, was ich nicht habe!“
„Freuen Sie sich doch!“
„Nein, darum geht es nicht, Herr Doktor! Ich hab doch was! Auch wenn meine Achillessehne nicht gerissen ist, tut sie doch weh!“
„Ja, das kann verschiedene Ursachen haben… aber vermutlich alles harmlos. Ich schreibe Ihnen da was auf…“
„Nein, Herr Doktor, ich will keine Pillen! Ich will eine Diagnose! Was soll ich denn meiner Frau sagen? Und meinem Chef? Und die Krankenkasse will doch bestimmt auch eine Diagnose haben!“
„Sagen Sie denen doch, dass Ihre Achillessehne weh tut!“
„Nee, das geht nicht, Herr Doktor! Ich brauche schon eine Diagnose!“
„Also gut, Herr Schraubenmüller: Sie haben eine Achillodynie!“
„Oh, danke schön, Herr Doktor! Sie sind ein wunderbarer Arzt! Dass Sie so tolle Diagnosen stellen können und so herrliche Wörter kennen, die niemand versteht, vor allem meine Frau nicht und mein Chef auch nicht!“
Der Doktor lächelt.
„Und können Sie mir vielleicht noch erklären, was das bedeutet?“
„Achillodynie? Das heißt: Schmerzen in Der Achillessehne. Sie wollten ja eine Diagnose!“

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27. Juni 2016 at 15:59

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Aderlass

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Der Nachtdienst muss heftig gewesen sein. Sarah sieht müde aus, als sie uns in der Frühbesprechung von ihren Erlebnissen berichtet.
„…und dann hatte ich noch einen Patienten zum Aderlass, der ist aber wieder nach Hause gegangen…“
Kalle runzelt die Stirn.
„Was wollte der?“
„Er sagte, ihm drückt’s so im Kopf. Das hat er immer, wenn der Blutdruck zu hoch ist. Dann geht er zum Hausarzt und lässt sich einen Aderlass machen. Aber der Hausarzt hat gerade Urlaub!“
„Und Du hast ihn wirklich zur Ader gelassen?“
Sarah wird ein wenig rot.
„Nun ja… der Blutdruck war wirklich erhöht…“
„Was hast Du gemacht?“
„Ich habe ihm einen halben Liter Blut abgenommen und dann eine Infusion angehängt um die Flüssigkeit wieder zu ersetzen!“
Kalle wirft ihr einen strafenden Blick zu.
„Das macht man doch heutzutage nicht mehr… wegen des Rebkund-Effektes…“
Der Chef räuspert sich im Hintergrund.
„Nun ja… wenn er das regelmäßig vom Hausarzt machen lässt, dann wird’s ihm auch dieses Mal nicht geschadet haben!“
„Gibt es denn wirklich noch Hausärzte, die so etwas machen?“
„Na ja, vor dreißig oder vierzig Jahren war es wohl mal ziemlich populär…“
„Warum schickt man ihn denn nicht einfach zum Blutspenden?“
„Tja, das kann man halt nicht abrechnen!“

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13. Juni 2016 at 05:22

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Bar Campen und Sex

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…falls jemandem hier die letzten beiden Beiträge kryptisch vorkommen sollten: Es geht um das Heidelberger Literaturcamp, welches in diesem Moment gerade in… surprise, surpirse… Heidelberg stattfindet.
Vorhin gab’s vegane Linsensuppe und jetzt gibt’s Bier und Wein und man redet über Sex. Also um die Warengruppe 483 im Buchhandel: „Entspannungsliteratur“ heißt das im Behördendeutsch, man könnte es auch als…. äh…. Schweinkram…. ja, also eben so’n Zeug halt… ja, darum geht’s jetzt gerade…
Aber jetzt muss ich aufpassen, ist schließlich ein…. äh.. sehr anspruchsvolles Thema.

Written by medizynicus

11. Juni 2016 at 19:08

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Bar Campen im Barcamp

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So, jetzt weiß ich, wie Clubmate schmeckt. Und eine leibhaftige Ghostwriterin habe ich kennengelernt, die sah gar nicht so geisterhaft aus, eigentlich sogar ziemlich normal. Die Schlangen vor den veganen Bratkartoffeln sind immer noch lang. Aber lecker. Also die Bratkartoffeln, nicht die Schlangen. Veganen Quark gibt’s auch, und Reis und Curry und zum Nachtisch Bio-Slush-Eis. Fotos vom Essen werden life auf Instagram geteilt.
Jeder darf sich vorstellen, mit Vorname, Twitter-Account und drei Hash Tags. Wer was vom Fußball erzählt, muss Strafe zahlen.

Written by medizynicus

11. Juni 2016 at 12:36

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Was ist ein Bar-Camp?

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Ich weiß es nicht.
Ich weiß es immer noch nicht.
Aber ich werde es herausfinden.
Auf jeden Fall ist es furchtbar hip und szenig und es gibt Club-Mate und Frühstück mit veganem Brotaufstrich. Zum Kaffee gibt es nur Sojamilch und jetzt….. jetzt geht es eigentlich los….

Written by medizynicus

11. Juni 2016 at 09:18

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Zwanzig Valium und eine halbe Flasche Wein

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Vorsichtig klopfe ich an der Zimmertür, dann trete ich ein.
„Guten Morgen, Frau….“, verdammt, ich kann den Namen noch immer nicht richtig aussprechen!
„…Leszekowski!“, sagt die Angesprochene ohne mich anzuschauen.
„Wie geht es Ihnen?“
Frau Leszekowski sitzt an dem kleinen Tisch und schaut aus dem Fenster.
„Ich würde mir jetzt gerne eine Zigarette anzünden!“
„Wenn Sie auf den Balkon möchten….“
„Schon gut!“
„Alles in Ordnung?“
Frau Leszekowski seufzt.
„Würden Sie es nochmal tun?“
Sie schüttelt den Kopf.
„Das war dumm!“
An einem regnerischen Nachmittag ist Frau Leszekowski in ihren betagten Opel gestiegen, ist in den Einödshofener Wald gefahren und auf dem Wanderparkplatz hat sie dann zuerst eine halbe Flasche Wein getrunken und dann zwanzig Tabletten Valium eingeworfen.
Sie ist dann zwar eingeschlafen, aber irgendwann aufgewacht, dann ausgestiegen und in strömendem Regen die Straße entlang gelaufen bis sie zur Waldschenke kam, wo die Wirtsleute sie zunächst in warme Decken gepackt, ihr dann einen heißen Tee mit ordentlich Rum eingeflößt und schließlich den Notarzt gerufen haben.
„Warum haben Sie das getan?“
Frau Leszekowski schweigt.
Ich weiß, was los war. Also, natürlich weiß ich es nicht. Also, eigentlich geht es mich ja nichts an, und andersherum natürlich doch. Denn Frau Leszekowski arbeitet bei uns im Haus. Sie ist Sekretärin drüben in der Verwaltung und gerüchteweise weiß ich, dass sie übel gemobbt wurde. Natürlich weiß ich es nicht, und es wird auch nichts davon in den Akten stehen, aber es ist schon merkwürdig, dass keine ihrer Kolleginnen sie hier besucht hat.

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9. Juni 2016 at 05:20

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Der böse Nachbar (Teil 2)

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Schwester Paula strahlt.
„Alles in Ordnung?“, frage ich.
Schwester Paula nickt.
„Klar ist alles in Ordnung! Die waren ganz nett bei der Polizei und haben sich tausendmal entschuldigt. Aber sie mussten der Sache halt nun einmal nachgehen.“
„Na klar mussten sie das,“ sagt Jenny, „Die können doch nicht wissen, ob da nicht wirklich etwas dran ist!“
„Der Neffe ist bekanntermaßen Alkoholiker,“ berichtet Paula, „und nachdem sein Onkel verstorben war, hat er sich erst einmal ein paar Gläser genehmigt. Und mit genügend Alkohol im Blut hat er sich dann überlegt, dass es doch einen Schuldigen geben muss…“
„Und meinen die anderen Nachbarn?“, fragt Jenny, „Sind da nicht böse Gerüchte aufgekommen?“
Paula schüttelt den Kopf.
„Zum Glück nicht. Trotzdem wurde mir einmal mehr bewusst, dass wir in unseren Jobs mit einem Bein im Gefängnis stehen!“

Written by medizynicus

3. Juni 2016 at 06:39

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Der böse Nachbar

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Schwester Paula ist völlig aufgelöst.
Chef hat sie mit ernstem Gesicht zur Seite genommen, im Nebenzimmer ein paar Minuten mit ihr gesprochen und jetzt ist sie wieder zurück und den Tränen nahe.
„Was ist los?“, fragt Jenny, „War das die Kündigung?“
Schwester Paula schüttelt den Kopf.
„Schlimmer!“
„Schlimmer als Kündigung?“
„Ich muss zur Polizei!“
„Was ist los?“
„Jemand hat mich angezeigt!“
„Angezeigt? Warum denn? Weil mal wieder alle Parkplätze belegt waren und die Anwohner….“
Schwester Paula macht eine wegwerfende Handbewegung.
„Schlimmer! Es geht um Mord!“
„Hey, ein richtiger Krimi!“, feixt Jenny und ich werfe ihr einen strafenden Blick zu.
Schwester Paula setzt sich. Jenny schenkt ihr Kaffee ein.
„Erzählen Sie, wenn Sie möchten!“, ermuntere ich sie.
Schwester Paula schaut auf.
„Herr Immenburger ist gestern verstorben!“
Ich erinnere mich.
„Der lag doch letztens bei uns! Schweres Tumorleiden, metastasiertes Bronchialkarzinom im Endstadium, wir hatten ihn nach Hause entlassen…“
„…zum Sterben entlassen!“, ergänzt Jenny.
„Der wohnt ja bei mir in der Nachbarschaft!“
„Und?“
„Naja, ich kenne halt seine Familie. Also habe ich ihn ab und zu besucht. Vor allem Frau ist ja völlig aufgelöst, die ist doch von der ganzen Situation völlig überfordert…“
„Toll, dass Sie sich so um Ihre Nachbarn kümmern!“
„…aber Herr Immenburger hat einen Neffen. Nun ja, der Junge war immer schon irgendwie komisch. Und jetzt hat er bei der Polizei angerufen und behauptet, ich hätte seinen Onkel vergiftet!“
„Der Kerl spinnt doch!“
Jenny tippt sich an die Stirn.
„Ich schwöre, ich habe nichts Böses getan!“, schluchzt Schwester Paula, „Ich habe Frau Immenburger höchstens mal geholfen, die Tabletten zu richten für ihren Mann!“
„Damit kommt der doch nie durch!“, sagt Jenny.
Wollen wir es hoffen, denke ich. Trotzdem muss Schwester Paula heute Nachmittag zur Polizei.

Written by medizynicus

2. Juni 2016 at 05:20

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