Medizynicus Arzt Blog

Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

Archive for the ‘Gewissensbisse’ Category

700 Euro pro Pille oder: ein Menschenleben kann ganz schön teuer sein…

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Hepatitis B und C sind fiese Krankheiten.
Das Virus fängt man sich über Kontakt mit Blut oder Körperflüssigkeit eines infizierten Menschen.
Wer Glück hat, der steckt die Sache locker weg und kann bald wieder ein normales Leben führen.
Den weniger Glücklichen zerfrisst das Virus die Leber und wer ganz viel Pech hat, der stirbt an Leberversagen oder Leberkrebs.
Viele Patienten überleben zwar die Infektion, werden das Virus jedoch nie mehr wieder los.
Manchen dieser Menschen kann man helfen.
Seit vielen Jahren schon sind Medikamente bekannt, die manchmal mehr und manchmal weniger gut wirken – allen gemeinsam jedoch ist, dass sie sehr teuer sind. Und die Behandlung ist lang und langwierig.
Ein neues Medikament verspricht Wunderdinge. Es wirkt besser, hat wenige Nebenwirkungen – und kostet 700 Euro pro Tablette. Eine komplette Behandlung kostet dabei locker so viel wie ein Einfamilienhaus in einer guten Wohnlage.
Nun ist eine Versicherung genau dazu da, notwendige Dinge zu bezahlen, die man sich normalerweise nicht so ohne Weiteres leisten kann. Aber auch eine Versicherung muss sich das erst einmal leisten können – und mit den Ressourcen der Beitragszahler sinnvoll umgehen.
In Deutschland sind Hepatits B und C zum Glück relativ selten.
Deutsche Krankenkassenbeitragszahler sind – im internationalen Vergleich – relativ reich.
In Ägypten sind Hepatitis B und C extrem häufig. Krankenkassen gibt es nicht.
Auch in Deutschland gibt es nur eine begrenzte Anzahl von Einfamilienhäusern, die man an Krankenkassenbeitragszahler verfüttern kann.
Wer entscheidet also, welches Leben gerettet wird und welches nicht?

Written by medizynicus

19. Januar 2015 at 04:32

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Hirntod, Scheintod, Lazarus

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Im Zuge der Diskussion sollten wir zunächst einmal ein paar Begriffe klären:
Wenn ein Doc einen Totenschein ausfüllt, muss er nachweisen, dass er sichere Todeszeichen festgestellt hat. Sichere Todeszeichen sind Leichenflecken, Totenstarre und Fäulnis. Wenn man das sieht, kann man davon ausgehen, dass der Betreffende wirklich tot ist. Wirklich? Naja, einem unerfahrener Assistenzarzt in der zweiten Woche, welcher nachts um drei im Dienst von der Schwester an das Bett einer dementen und seit Jahren bettlägerigen, völlig abgemagerten fünfundneunzigjährigen Patientin gerufen wird, die nicht mehr atmet und deren Hände schon pietätsvoll zusammengefaltet sind, mit Blümchen drin… da mag ab und zu ein Irrtum vorkommen. Aber, Hand aufs Herz, wenn solche Leutchen jetzt nicht tot sind dann sind sie es ein paar Stunden später wirklich.
Anders sieht es bei jungen Unfallpatienten aus, bei denen auf der Intensivstation der Hirntod festgestellt wird. Der Hirntod wird nämlich in der Regel nur klinisch diagnostiziert: Lichtstarre Pupillen, keinerlei Reflexe mehr, keinerlei Spontanatmung und natürlich tiefe, unweckbare Bewusstlosigkeit. Wenn – von einem oder mehreren erfahrenen Ärzten der Hirntod aufgrund dieser Kriterien diagnostiziert wird, können intensivmedizinische Maßnahmen, zum Beispiel Beatmung, eingestellt werden. Nur dann, wenn es um eine Organtransplantation geht, wird aufwändige Diagnostik – etwa Null-Linien-EEG oder eine Darstellung der das Hirn versorgenden Blutgefäße durchgeführt.
Doch auch dann gilt: das Hirn ist dann zwar vielleicht tot, aber der Rest des Körpers lebt noch eine Weile. Logisch: Eine Niere, die man transplantieren will sollte ja noch funktionieren, sonst kann man es auch sein lassen. Und nicht nur die Niere lebt: Der Darm verdaut, Arme und Beine können sich möglicherweise (reflexartig) bewegen. Ja, und auch eine Erektion ist zumindest theoretisch möglich. Vor ein paar Jahren hat eine hirntote schwangere Frau sogar ein – allerdings totes – Kind geboren.
Und wie auch immer man es dreht und wendet: Die Diagnose Hirntod bedeutet nichts anderes als dass keine messbare Hirnaktion mehr vorhanden ist. Wie es „drinnen“ aussieht… das weiss kein Mensch.

Written by medizynicus

16. Juni 2010 at 07:47

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Das Lazarus-Phänomen

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Wir befinden uns auf der Intensivstation einer großen Uniklinik irgendwo am Rande der Stadt (nee, nicht in Bad Dingenskirchen. Es sollte schon eine Uni-Stadt sein).
Es ist kurz vor Mitternacht und in der Luft hängt das übliche Aroma von abgestandenem Adrenalin und frischem Kaffee.
Monitore piepsen, Beatmungsmaschinen zischen und der diensthabende Arzt unterhält sich, das Klemmbrett einer Krankenakte in der Hand halblaut mit der Schwester.
Und dann geht der Alarm los. Herzstillstand in Kabine drei. Geistesgegenwärtig springen Arzt und Schwester los und beginnen mit routinierten Handgriffen die Reanimation. Nach und nach erscheinen Oberarzt, Oberschwester und andere Gestalten, die etwas zu sagen haben oder so tun als ob. Als eingespieltes Team müht man sich redlich ab – vergeblich, wie in neunzig Prozent aller Reanimationen. Nach einer halben Stunde gibt man auf.
Nullinien-EKG, trotz maximal dosierten Katecholaminen und mehrfacher Defibrilation. Da der Patient einen Organspenderausweis hat und die Nieren zur Explantation in Frage kommen, wird mittels EEG und Hirnarterien-Doppler der Hirntod festgestellt.
Der Assistenzarzt holt schon mal einen Totenschein aus der Schublade.
Während er mit dem Ausfüllen beginnt, schlägt der Patient die Augen auf, steht auf und umarmt die Krankenschwester.
Ähem… gibt’s das?
Klar. Damals, beim heiligen Lazarus. Steht so in der Bibel und kommt in etwa so häufig vor wie die unbefleckte Empfängnis.
Wirklich?
Seit den achtziger Jahren sind eine handvoll Fälle bekannt und auch wissenschaftlich beschrieben worden, die fast so abgelaufen sind wie oben beschrieben. Eine davon hat übrigens ihre Retter umgehend auf Kunstfehler verklagt. Das war natürlich in den USA.
Was sagt uns das?
Ein hirntoter Mensch ist noch zu fünfundneunzig Prozent lebendig, er kann, rein theoretisch Kinder zeugen und auch gebären und ob er vielleicht doch etwas fühlen, empfinden oder vielleicht denken kann, das werden wir nie erfahren.

Written by medizynicus

15. Juni 2010 at 23:12

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Die Sache mit den Gesundheitskosten… (Teil 5)

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Okay, Leute, gehen wir also noch einen Schritt weiter:
Wir wissen, dass Fiesofliximab, also Miraculin (die Verrwirrung mit den zwei verschiedenen Medikamentennamen ist übrigens auch gewollt!) nur dann optimal wirkt, wenn es gleich zu Beginn der Infektion mit dem Friesolo-Virus gegeben wird. Nun ist es so, dass sich das Frühstadium des Frieselfiebers klinisch nicht von einer gewöhnlichen Erkältung oder einem grippalen Infekt unterscheiden läßt: Halsweh, Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, vielleicht etwas Husten, vielleicht auch nicht…
Soll also von nun an jeder Mensch, der an Erkältungssymptomen leidet, mit Miraculin behandelt werden?
Nun hat die Firma Miraculopharm (welche, nebenbei gesagt, übrigens auch das Miraculin herstellt) einen Schnelltest auf Friesolo-Antigen entwickelt. Der ist zwar deutlich günstiger als das Miraculin, kostet aber auch etwa hundertfünfzig Euro!
p.s.: Leute, kauft Aktien von Miraculopharm!

Written by medizynicus

30. Mai 2010 at 07:42

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kleines Gesundheitskosten-Gedankenexperiment (Teil 2)

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Miraculin – bei dem Wirkstoff handelt es sich übrigens um den monoklonoaer Antikörper Fiesofliximab (für die echten Cracks unter Euch: was für eine Art von monoklonalem Antikörper?) – ist ein zugelassenes Medikament.
Die Wirksamkeit wurde in entsprechenden Studien nachgewiesen.
Damit wird sie von den Krankenkassen zur Behandlung der chronischen Fiesofrieselose erstattet – vorausgesetzt die Diagnose ist entsprechend gesichert.
Monoklonale Antikörper sind übrigens wirklich so teuer – Therapiekosten von mehreren tausend Euro pro Woche kommen durchaus vor. Noch teurer kann es bei einigen seltenen Stoffwechselerkrankungen werden, wo tatsächlich lebenslänglich irgendwelche Substanzen substituiert werden müssen.
Die Kasse wird also vermutlich zähneknirschend zahlen.
Interessant sind allerdings ein paar weitere Gedankenspiele.
Zum Beispiel:
Frau Wondraschek ist Kettenraucherin. Seit ihrem sechzehnten Lebensjahr quarzt sie ein bis zwei Packungen am Tag weg.
„Wenn Sie das Miraculin nehmen, werden Sie aber damit aufhören müssen!“ sagt Prof. Dr. Clark Kent Kal-El.
„Warum?“
„Das Medikament wirkt nur bei Nichtrauchern!“
„Wirklich?“
„Nun ja… wenn Sie weiter rauchen, werden Sie die dreifache Menge nehmen müssen. Das kostet die Kasse dann natürlich natürlich nicht zweitausend sondern sechstausend Euro pro Tag.“
„Ist mir doch egal! Wozu habe ich mein Leben lang Beiträge bezahlt?“

Written by medizynicus

28. Mai 2010 at 06:37

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Was darf Gesundheit kosten? – Gedankenexperiment Nr. 1

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Stellen wir uns vor…
…Frau Wondraschek fühlt sich nicht wohl. Schon seit Monaten mäandert sie von einem Arzt zum Anderen, und niemand kann ihr helfen. Alle möglichen Untersuchungen hat man schon gemacht: Röntgen, Ultraschall, Schläuche in alle Körperöffnungen, mehrmals wurde sie in die Röhre geschoben und immer wieder Blutentnahmen.
Und jetzt hat sie einen Termin bei Herrn Professor Dr. Clark Kent Kal-El in der Uniklinik von Gothamhausen. Drei Tage lang hat sie hier stationär gelegen, und wieder wurden alle möglichen Untersuchungen angestellt und jetzt sitzt sie im privaten Untersuchungszimmer des Professors und wartet darauf, dass man ihr die Ergebnisse mitteilt.
Der Herr Professor lehnt sich in seinem schwarzen Ledersessel hinter dem Schreibtisch zurück, rückt seine Brille gerade und macht ein ernstes Gesicht.
Frau Wondraschek kippelt nervös auf ihrem Stühlchen hin und her.
Der Herr Professor räuspert sich.
Frau Wondraschek reibt sich nervös die Hände.
„Sie haben eine Fiesofrieselose!“
„Ähem… und ist das schlimm?“
„Bei der Fiesofrieselose handelt es sich um die chronische und sehr gefährliche Form des fiesen Frieselfiebers.“
„Aha?“
„Unbehandelt verläuft diese Erkrankung so gut wie immer tödlich.“
„Aber Sie können mir helfen?“
Der Herr Professor räuspert sich noch einmal.
„Nun ja…“
„Ja?“
„Also, da gäbe es das Miraculin…“
„Und das werden Sie mir jetzt verschreiben?“
Der Herr Professor seufzt.
„Wenn das so einfach wäre, Frau Wondraschek, wenn das so einfach wäre…“
„Gibt es da Probleme?“
„Sie müssen das Miraculin jeden Tag einnehmen. Ihr Leben lang. Eine Tablette kostet zweitausend Euro. Ob die Krankenkasse das bezahlen wird?“

Written by medizynicus

27. Mai 2010 at 12:36

Und wir sind schuld!

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Der Herr Richter schaut mich mit strengen Augen an.
Hinter mir sitzen zwei uniformierte Polizisten und neben mir mein Anwalt, der gerade irgendwas in mein Ohr tuschelt.
„Angeklagter, können Sie den Tathergang nochmal beschreiben?“
„Ähem, ja.
Also das war so.
Der Patient, ein fünfundfünfzigjähriger Herr namens Hein Schnapsbichler, war sturzbesoffen…. ähem, Entschuldigung, ich meine natürlich stark alkoholisiert und hat lautstark randaliert… ähem, ich meine natürlich hat sich mit Händen und Füßen gegen jede Behandlung gewehrt und das Personal beschimpft und all solche Sachen, wissen Sie, Herr Richter. Und dann war er halt verschwunden…“
„Soso, verschwunden also!“ sagt der Staatsanwalt und lächelt böse.
„Ja, richtig, Herr Staatsanwalt, er ist abgehauen… ich meine, er hat das Krankenhaus verlassen…“
„Und Sie haben ihn nicht daran gehindert? Trotz der extrem winterlichen Witterungsverhältnisse? Schneefall und Minusgrade? Ihnen war bewußt, dass der Patient nicht in der Lage war…“
„Wir haben ja die Polizei gerufen!“
„Sie können die Verantwortung nicht an die Polizei abgeben. Es war Ihr Patient und Sie allein waren verantwortlich…“
„Ja, also ein Krankenpfleger ist ihm ja sogar noch nachgerannt. Aber der Patieht hat ihm eine gelangt, ich meine hat ihn tätlich angegriffen…“
Und die Polizei hat Herrn Schnapsbichler erst morgens um sechs gefunden. Steif und sozusagen tiefgefroren wie eine Schweinehälfte.
„Herr Richter, ich fordere zehn Jahre Freiheitsstrafe ohne Bewährung wegen Toschlag und unterlassener Hilfeleistung!“
Schweißgebadet wache ich auf.
Warum habe ich auch gestern Abend diese blöde Gerichtsshow im Fernsehn gesehen?
Von Herrn Schnapsbichler habe ich nichtsmehr gehört, keine Ahnung, ob er noch lebt. Immerhin ist der Schnee draußen inzwischen längst weggetaut.
Und wenn ihm doch etwas passiert wäre?
Stehen wir wirklich alle mit einem Bein im Knast?

Written by medizynicus

2. März 2010 at 06:33

Emerenz, die Bauernmagd: Heldin oder einfach eine arme Irre?

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Fassen wir die wichtigsten Aspekte der Handlung des vorgenannten Romans von Hans Carossa also kurz zusammen:
Im ersten Drittel des zwanzigsten Jahrhunderts gab es auf den Bauernhöfen noch Knechte und Mägde.
Eine solche landwirtschaftliche Hilfskraft namens Emerenz wird schwanger. Ihr Arzt erklärt ihr, dass sie an einer nicht weiter erklärten Krankheit leidet und das Kind nicht ohne Gefahr für ihr eigenes Leben austragen kann.
Sie entscheidet sich – gegen ärztlichen Rat – für das Kind und damit gegen ihr eigenes Leben.
Das Kind lebt, die Mutter stirbt.
„Der Zweig zieht allen Saft aus dem welken Blatt in die neue Knospe hinein und stößt es ab!“ heißt es in dieser Schlüsselszene, und der Autor stilisiert die Figur der Mutter, welche ihr Leben für das Kind hingibt zu einer Art Heiligen.
Es ist anzunehmen, dass so eine Sache auch in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts extrem selten waren, wenn sie den überhaupt vorkammen. In Kunst und Literatur hingegen waren derartige Szenen und Bilder bis die zweite Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts hinein ziemlich beliebt: In einem Holywood-Schinken von 1963 mit dem Titel „Der Kardinal“ stirbt die Schwester des Protagonisten unter Qualen bei der Geburt ihres (unehelichen!) Kindes. Die Entscheidung gegen die Spät-Abtreibung hat – da die Gebärende bereits bewusstlos war – der Bruder, eben jener katholische Priester und spätere Kardinal getroffen und zwar gegen den Rat der Ärzte.
Theoretisch sind derartige Situationen auch im einundzwanzigsten Jahrhundert noch möglich. Allerdings haben sich die ethischen Rahmenbedingungen geändert: dass sich eine werdende Mutter gegen ihr eigenes Leben und für das Kind entscheidet, gilt heutzutage als völlig undenkbar.
Eine Frau, welche eine entsprechende Absicht äußern würde, gälte vermutlich als unzurechnungsfähig. Ärzte und Juristen würden sich sehr wahrscheinlich in den meisten Fällen über den Patientenwillen hinwegsetzen dem Leben der Mutter Vorrang einräumen.
Ist das nun ein Beispiel für die Verrohung der Sitten – oder einfach der Triumph des gesunden Menschenverstandes über die Religion?
Ich weiß es nicht.

Written by medizynicus

11. Dezember 2009 at 00:05

Keine Abtreibung um keinen Preis?

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Die Patientin schaut blass aus und gar nicht gesund.
Erwartungsvoll schaut sie den Herrn Doktor an. Der starrt auf den Bildschirm seines Praxiscomputers, tippt eine Weile herum, schüttelt den Kopf, tippt erneut, starrt dann mit aufgerissenen Augen auf den Bildschirm, blättert in der Patientenakte, wird rot, und wendet sich dann endlich der Patientin zu.
„Und?“ fragt die.
Der Herr Doktor seufzt.
„Es ist leider ziemlich kompliziert…“
„Sie meinen, es ist ernst?“
Der Herr Doktor nickt.
„Wie ernst denn?“
Dreiundzwanzig Jahre ist sie alt und schwanger in der zehnten Woche. Es war nicht unbedingt ein Wunschkind, eher das, was man etwas flapsig auch als „Zufallstreffer“ bezeichnen könnte, also ein geplatztes Kondom nach einer… naja, sagen wir, eher Gelegenheitsbekanntschaft.
Einen festen Partner hat sie nicht, und einen Job auch nicht, noch nicht einmal eine abgeschlossene Ausbildung.
„Sie haben eine seltene Form einer Anämie. Diese Schwangerschaft stellt eine große gesundheitliche Gefahr für Sie dar!“
„Wie meinen Sie das?“
„Wahrscheinlich wäre eine Abtreibung…“
„Nein!“
„Die Fortsetzung dieser Schwangerschaft brächte Sie in Lebensgefahr!“
„Warum?“
„Sie haben zu wenige rote Blutkörperchen.“
„Aber für mein Baby wird es doch wohl reichen, oder?“
„Aber nicht für Sie! Sie könnten sterben.“
„Ich werde dieses Kind austragen. Eine Abtreibung kommt für mich nicht in Frage!“
„Aber überlegen Sie doch…“
Die Patientin steht auf.
„Vielen Dank, Herr Doktor!“
Sie reicht ihm die Hand und verläßt den Raum.
Siebeneinhalb Monate später bringt sie ein gesundes Kind zur Welt.
Acht Monate später ist sie tot.

Die Geschichte ist natürlich fiktiv. Und sie stammt auch nicht von mir: Es handelt sich um den Anfang des Romans „Der Arzt Gion“ Hans Carossa, erstmals veröffentlicht 1931. Ich habe die Geschichte – dem Sinn nach leicht verändert – und in etwas modernere Worte gefasst nacherzählt.

Written by medizynicus

10. Dezember 2009 at 12:23

Lasst Ihr Euch impfen?

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Einmal mehr stellt die Schweinegrippe uns Lebensretter und Weißkittelmonster vor eine schwierige Gewissensfrage. Denn: sollte es wirklich hart auf hart kommen, also so von wegen Super-Gau mit echter Pandemie wie anno 1917 die Spanischen Grippe, dann stehen wir an vorderster Front: eine Menge Arbeit und zahllose Überstunden dürften auf uns zukommen.
Wenn wir nicht… ja, wenn wir nicht selbst krank werden. Denn auch wir Halbgötter in Weiß bestehen nur aus Fleisch und Blut und sind für die tückischen Viren genauso anfällig wie Oma Piepenbrink und Opa Wanzlhuber.
Also sollten wir uns impfen lassen. Wie Oma Piepenbrink und Opa Wanzlhuber. Nicht nur ältere Menschen, sondern auch in Gesundheitsberufen arbeitende Personen gelten als besonders gefährdet und sind nach derzeitigen Richtlinien vordringlich zu impfen.
Nun ist der Impfstoff in der letzten Zeit ja ins Gerede gekommen.
Die Politiker, die uns regieren und die Jungs (und Mädels), welche am Hindukusch die deutsch-afghanische Grenze verteidigen sind bekanntlich nach eigenen Aussagen zwar „nichts Besseres, aber etwas Anderes“ als wir und bekommen daher einen besseren – Verzeihung, einen anderen, vermutlich besser verträglichen Impfstoff.
Und wir?
Billigspritze oder doch lieber auf Risiko gehen und im Falle des Falles dann halt eine Woche krank im Bett liegen?
Was macht Ihr?

Written by medizynicus

16. Oktober 2009 at 07:42