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Ist Medizin spirituell?
Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.
Ein Patient, der an einer schweren Krankheit leidet, von der er mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr genesen wird, braucht Trost dringender als blinden Aktionismus im Sinne von verzweifelten, aber im Grunde von vorne herein zum Scheitern verurteilten Heilungsversuchen.
Darüber gibt es sogar wissenschaftliche Studien, die das mehr oder weniger gut zu beweisen versuchen.
Sofern man da überhaupt irgendwas beweisen kann.
Lehrbücher, Publikationen und Fortbildungskurse über Palliativmedizin widmen der Spiritualität viel Raum.
Auf Palliativstationen sind die Seelsorger ganz selbstverständlich Teil des Teams – oder sollten es jedenfalls sein.
Nur…
…was für eine Art von Spiritualität brauchen unsere Patienten?
Was für eine Art von Spiriualität wollen sie?
Vor noch gar nicht allzu langer Zeit war die Anwesenheit von Ordensschwestern in Krankenhäusern ein alltägliches Bild.
Diese Ordensschwestern haben nicht nur in der Pflege mitgearbeitet, sondern auch mit den Patienten gebetet. Das war einfach so.
Auch heute noch sind viele Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft.
Aber mindestens ein Drittel unserer Bevölkerung sind konfessionslos… und dann gibt es mehrere Millionen Moslems… Angehörige anderer Religionen, Esoteriker….
Welche Art von Spiritualität ist heute zeitgemäß?
Palliativmedizin ist anders: erstes Fallbeispiel
Liebe Leute,
heute wird’s mal ein bisschen trockener und vielleicht nicht ganz so lustig wie sonst.
Wie Ihr vielleicht gemerkt habt, geht es seit einigen Tagen hier im Blog schwerpunktmäßig um die Palliativmedizin.
Heute möchte ich ein erstes Fallbispiel (oder wie wir Mediziner sagen: eine Kasuistik) vorstellen.
Der Fall stammt nicht von mir: Ich habe ihn geklaut, und zwar von Orthopädix (Tolles Blog übrigens, aber mehr dazu später).
Also, los geht’s:
Der Fall:
Eine fünfzigjährige Patientin, Raucherin, deutlich vorgealtert wirkend, wird aus einem peripheren Krankenhaus zur weiteren Diagnostik in die orthopädische / unfallchirurgische Abteilung einer großen Zentralversorgungs-Klinik verlegt.
Seit einigen Wochen hatte sie über therapieresistente Schmerzen in der linken Schulter geklagt. Es wurden mehrere Röntgenbilder und ein CT angefertigt, darauf fanden sich tumorverdächtige Befunde im Schulterblatt, im Schultergelenk und in der Leber sowie in den Nebennieren, an der Halswirbelsäule, am rechten Hüftgelenk, am rechten Oberschenkelknochen, in der Brust und am Gesäß.
Bei Aufnahme wirkt die Patientin agitiert, möchte auf keinen Fall im Krankenhaus bleiben, am liebsten möchte sie heute noch wieder heim oder, falls unbedingt notwendig, spätestens am folgenden Morgen.
Sie habe schließlich ein eigenes Geschäft und müsse sich um ihre pflegebedürftige Mutter kümmern. Außerdem habe sie Angst davor, dass ihr bei einer Chemotherapie die Haare ausfallen könnten. Ob es denn nicht so etwas wie eine „Soft-Chemo“ gebe?
Der aufnehmende Arzt bzw. PJ’ler – also Orthopaedix – ist von der Verhaltensweise der Patientin offenbar mehr als irritiert.
Wie geht es (normalerweise) weiter?
Zunächst muss die Diagnostik verfollständigt werden, um dann eine Entscheidung über Therapiemöglichkeiten treffen zu können. Hierzu ist es wichtig, herauszufinden, aus welcher Art von Zellen der Tumor besteht. Idealerweise möchte man wissen, wo der ursprüngliche Tumor herkommt. Außerdem möchte man einen Überblick über alle Metastasen gewinnen.
Aus diesem Grund muss man an (mindestens) einer Stelle eine Probe gewinnen. Geplant ist deshalb offenbar (so schreibt Orthopädix) eine Punktion der Leber. Außerdem gehört eine CT-Untersuchung von (mindestens) Schädel, Thorax und Abdomen zur üblichen Routine (bzw. es ist auch nicht unüblich, dass man den ganzen Patienten vom Scheitel bis zur Sohne einmal komplett durchs CT schiebt) sowie eine Knochenszintigraphie. Außerdem werden verschiedene Blutuntersuchungen durchgeführt. Diesen Prozess nennt man „Staging“, man möchte wissen, in welchem „Stadium“ sich der Tumor befindet, bzw. wie ausgedehnt die Erkrankung ist.
Das sollte natürlich so rasch wie möglich geschehen, kann aber ein paar Tage dauern.
Nach Abschluss des „Stagings“ wird der Patient in der Regel in einer „Tumorkonferenz“ (bzw. auf Neudeutsch: „Tumorboard“) vorgestellt.
Hier sitzen alle behandelnden Kollegen zusammen: In diesem Fall zum Beispiel Orthopäden, Internisten, Onkologen, Radiologen, Strahlentherapeuten und auch (vielleicht) Palliativmediziner.
Im Tumorboard wird entschieden, welche Behandlungsformen in Betracht kommen und – vor allem – was das Behandlungsziel ist: Kann man den Tumor prinzipiell noch operieren, also im Idealfall komplett entfernen oder doch zumindest die Tumormasse reduzieren? Ist eine Operation sinnvoll? Welche Rolle spielen Chemotherapie, Bestrahlung und ggf. Antikörper- oder Hormontherapien?
Vor allem aber geht es um eine ganz wichtige Entscheidung:
Kann man den Patienten noch „heilen“ (wir Ärzte reden von „kurativer“ Behandlung) oder geht es allein darum, die Leiden des Patienten bestmöglich zu lindern?
Im letzteren Fall muss man davon ausgehen, dass der Tumor weiter wachsen wird. Der Patient wird irgendwann einmal daran versterben. Ziel der Behandlung ist es, den Patienten bis dahin so gut wie möglich zu begleiten. Das ist es, was man unter „palliativer“ Betreuung versteht.
Wie sind die Aussichten?
Es ist davon auszugehen, dass es sich hier um ein weitest fortgeschrittenes Tumorleiden handelt.
Eine Heilung ist extrem unwahrscheinlich.
Aus diesem Grund sollte das palliativmedizinische Team so früh wie möglich eingebunden werden.
Und wie das funktioniert…
…darum geht es in der nächsten Fortsetzung.
Willkommen in der Freien Wirtschaft (Teil 3)
Es ist kurz vor elf Uhr vormittags und ich habe die Visite soeben beendet.
„Guten Morgen Herr Doktor Armschlag,“ sagt die freundliche Stimme am Telefon, „hätten Sie kurz Zeit für mich?“
„Äh ja… worum geht’s denn?“
„Also, hier ist Medical Controlling. Wir möchten nur kurz…“
„Wer bitte sind Sie?“
„Medical Controlling. Wir kümmern uns um die Einnahmen und Ausgaben, also wir kontrollieren sozusagen die wirtschaftlichen Abläufe hier im Haus!“
„Äh ja… und was wollen Sie von mir?“
„Nur kurz unsere Daten abgleichen. Hätten Sie einen Moment Zeit?“
Da bleibt mir wohl nichts anderes übrig. Also gut…
„Dann fangen wir mal an. Schmidt, Eduard, Zimmer Zwohundertdrei. Wann entlassen Sie den?“
„Herrn Schmidt von Zimmer drei? Keine Ahnung, wann der heimgeht…“
„Keine Ahnung? Warum?“
„Weil… äh… die häusliche Versorgung ist doch noch gar nicht geklärt. Der hat bislang immer alleine gelebt. Das wird aber so nicht mehr gehen!“
„Gut. Ich nehme an, der Sozialdienst ist involviert? Bis übermorgen sollten die einen Kurzzeitpflegeplatz gefunden haben. Also Entlassung Übermorgen. Sie sind einverstanden, ja?“
Bleibt mir etwas Anderes übrig?
„…dann kommen wir zu Zimmer zwohundertvier. Meier, Hermine. Was hat die eigentlich?“
„Frau Meier? Äh… die hat Fieber und hohe Entzündugnswerte und hustet sich die Seele aus dem Leib…“
„Eine Pneumonie hat sie aber nicht?“
„Also… im Röntgenbild hat man keine Infiltrate gesehen…“
„Was ist dann Ihre Diagnose?“
„Naja… akute Bronchitis halt…“
„Hat sie eine COPD?“
„Nichts dergleichen bekannt!“
„Also, Herr Armschlag, eine einfache Bronchitis gibt leider kaum etwas her. Wenn sie keine COPD hat, dann muss sie eine Pneumonie haben. Von mir aus eine Bronchopneumonie. Ändern Sie die Diagnose! Reden Sie halt nochmal mit Ihrem Oberarzt!“
Jawoll, wird gemacht. Also das mit dem Oberarzt reden, dann hat der den Schwarzen Peter.
„…Zimmer Zwohundertfünf. Schneider, Egon. Der ist seit fünf Tagen überfällig.“
„Wie bitte?“
„Obere Grenzverweildauer ist überschritten. Wir zahlen drauf. Spätestens morgen wird er entlassen!“
„Wie bitte? In dem Zustand? Der ist doch quasi… präfinal… er kann jeden Moment sterben…“
„Gibt es ein Versorgungsproblem?“
„Nein, er kommt aus dem Pflegeheim!“
„Wo ist dann das Problem? Morgen früh geht er zurück. Vielen Dank, Herr Armschlag, das war’s dann für heute. Frohes Schaffen noch!“