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Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

kleines Gesundheitskosten-Gedankenexperiment (Teil 2)

with 9 comments

Miraculin – bei dem Wirkstoff handelt es sich übrigens um den monoklonoaer Antikörper Fiesofliximab (für die echten Cracks unter Euch: was für eine Art von monoklonalem Antikörper?) – ist ein zugelassenes Medikament.
Die Wirksamkeit wurde in entsprechenden Studien nachgewiesen.
Damit wird sie von den Krankenkassen zur Behandlung der chronischen Fiesofrieselose erstattet – vorausgesetzt die Diagnose ist entsprechend gesichert.
Monoklonale Antikörper sind übrigens wirklich so teuer – Therapiekosten von mehreren tausend Euro pro Woche kommen durchaus vor. Noch teurer kann es bei einigen seltenen Stoffwechselerkrankungen werden, wo tatsächlich lebenslänglich irgendwelche Substanzen substituiert werden müssen.
Die Kasse wird also vermutlich zähneknirschend zahlen.
Interessant sind allerdings ein paar weitere Gedankenspiele.
Zum Beispiel:
Frau Wondraschek ist Kettenraucherin. Seit ihrem sechzehnten Lebensjahr quarzt sie ein bis zwei Packungen am Tag weg.
„Wenn Sie das Miraculin nehmen, werden Sie aber damit aufhören müssen!“ sagt Prof. Dr. Clark Kent Kal-El.
„Warum?“
„Das Medikament wirkt nur bei Nichtrauchern!“
„Wirklich?“
„Nun ja… wenn Sie weiter rauchen, werden Sie die dreifache Menge nehmen müssen. Das kostet die Kasse dann natürlich natürlich nicht zweitausend sondern sechstausend Euro pro Tag.“
„Ist mir doch egal! Wozu habe ich mein Leben lang Beiträge bezahlt?“

Written by medizynicus

28. Mai 2010 um 06:37

Veröffentlicht in Gewissensbisse

9 Antworten

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  1. Chimären-Antikörper bei Erkrankungen des Immunsystems. Kannst Du mir für die Fiesofrieselose noch ne ICD geben? Ich möcht das gerne abrechnen!

    lupo

    28. Mai 2010 at 09:57

  2. Verflixt, lupo war schneller.

    In so einem Fall würde die Krankenkasse dann hoffentlich nicht zahlen…

    INTensivling

    28. Mai 2010 at 10:21

  3. Prof. Dr. Clark Kent Kal-El. Wasn Name.
    Where is your god now?

    Rocket

    28. Mai 2010 at 11:01

  4. Und? Was haben Clark Kent und Kal El gemeinsam? Wieder eine Frage für echte Experten!

    medizynicus

    28. Mai 2010 at 11:43

  5. Die letzten paar Zeilen sind wie ein Schlag ins Gesicht. In so einem Fall hoffe ich, dass die Kasse dann nur die normale Dosis bezahlen würde. Kann ja wohl nicht sein, dass sich die Dame zu fein ist, mit dem Rauchen aufzuhören (die 2 Schachteln Kippen am Tag wären dann auch wieder ca. 10 Euro gespart). *kopfschüttel*

    lelestir

    28. Mai 2010 at 13:29

  6. Das waere hier in den U.S. A. unvorstellbar. Die Kasse bezahlt einen bestimmten Satz und mit dem Rest ist man dann selbst dabei, das heisst, eine solche Raucherin wuerde die weit ueber den Normalsatz gehenden Kosten selbst tragen muessen.
    Jedch jeder muesste heftig zwischen den Zeilen lesen und Glueck haben die richtige Versicherung zu haben um solch teure Meds ueberhaupt bezahlt zu bekommen.
    Aber, das wird sich ja jetzt alles aendern, so dass wir all das und obendrauf noch gestztliche Abgaben machen duerfen. Da kommt Freude auf.

  7. Ei. Hier in Frankreich übernimmt die staatliche Gesundheitskasse 70% der Ausgaben abzüglich einer gewissen Selbstbeteiligung von 1€ je Arztbesuch und verschieden je Medikament, die auch von keiner ZusatzKV getragen werden.
    In diesem Fall würde die Zusatzkasse sicherlich sagen, „die 2. und 3. Tablette täglich sind Ihr eigenes Risiko; das tragen wir nicht.“ Und so hätte sie zwar nicht die ganzen 4000 Euro täglich, aber doch immerhin 1200 Euro für ihr rauchendes Fehlverhalten am Hals – bei einem Mindestlohn lt. Gesetz von netto rund 1000 Euro monatlich wird sie sich das schnell überlegen.

    Wolfram

    28. Mai 2010 at 19:29

  8. @Wolfram: Man muss in FR echt grundsätzlich 70 Prozent zuzahlen? Dann wären aber manche Leute, und gerade die chronisch kranken ziemlich schnell pleite! Oder ist die Zuzahlung auf einen bestimmten Betrag bzw. Prozentsatz vom Einkommen begrenzt?
    @Castleintherockies: Interessant. Typisches Privatversicherungsverhalten: Wir zahlen X und nicht mehr.
    Gibt’s noch Berichte aus anderen Ländern bzw. Gesundheitssystemen?
    Schweden? (Hallo, Herr Hellimhals!), Schweiz? (Gruezi, Pharmama), England? (Ist da wer? Halloo!)

    medizynicus

    29. Mai 2010 at 07:12

  9. Nein, die KV trägt 70%, und die restlichen 30% zahlt man selbst oder schließt eine Zusatzversicherung ab. Meines Wissens gibt es keine Einkommensgrenzen, weil ja auch jeder eine Zusatzversicherung haben kann…
    Bestimmte Leistungen werden auch zu 100% getragen, etwa die Versorgung von Kindern, und das ab dem Tag, da die Mutter als schwanger bei der Kasse registriert ist.
    Was in Frankreich grundsätzlich anders ist als in Deutschland: für Arztleistungen mußt du meist in Vorleistung treten. Zum Glück nicht für KH, und bei vielen Apotheken auch nicht – wenn sie einen Vertrag mit der Einheitskasse haben – aber nur ganz wenige Ärzte rechnen direkt mit den Kassen ab. Ist für die ja auch doof, mit der GKV und mit der jeweiligen ZV abzurechnen. Immerhin gibts seit einiger Zeit die „Carte Vitale“, mit der die Abrechnungszettel verschwinden, die man einschicken muß; mit Carte Vitale wird die abgerechnete Leistung gleich an die GKV weitergeleitet, die ihrerseits auch an die ZV Mitteilung macht.

    Wolfram

    29. Mai 2010 at 19:46


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