Medizynicus Arzt Blog

Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

Posts Tagged ‘Hausärzte

Aderlass

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Der Nachtdienst muss heftig gewesen sein. Sarah sieht müde aus, als sie uns in der Frühbesprechung von ihren Erlebnissen berichtet.
„…und dann hatte ich noch einen Patienten zum Aderlass, der ist aber wieder nach Hause gegangen…“
Kalle runzelt die Stirn.
„Was wollte der?“
„Er sagte, ihm drückt’s so im Kopf. Das hat er immer, wenn der Blutdruck zu hoch ist. Dann geht er zum Hausarzt und lässt sich einen Aderlass machen. Aber der Hausarzt hat gerade Urlaub!“
„Und Du hast ihn wirklich zur Ader gelassen?“
Sarah wird ein wenig rot.
„Nun ja… der Blutdruck war wirklich erhöht…“
„Was hast Du gemacht?“
„Ich habe ihm einen halben Liter Blut abgenommen und dann eine Infusion angehängt um die Flüssigkeit wieder zu ersetzen!“
Kalle wirft ihr einen strafenden Blick zu.
„Das macht man doch heutzutage nicht mehr… wegen des Rebkund-Effektes…“
Der Chef räuspert sich im Hintergrund.
„Nun ja… wenn er das regelmäßig vom Hausarzt machen lässt, dann wird’s ihm auch dieses Mal nicht geschadet haben!“
„Gibt es denn wirklich noch Hausärzte, die so etwas machen?“
„Na ja, vor dreißig oder vierzig Jahren war es wohl mal ziemlich populär…“
„Warum schickt man ihn denn nicht einfach zum Blutspenden?“
„Tja, das kann man halt nicht abrechnen!“

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13. Juni 2016 at 05:22

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EHEC tut weh

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Geisterstunde.
Kopfschmerzen.
Glucosemangel.
Schlurfen über Klinikflure.
Mitternachtspatrouille.
Schlapschlapschlapp. Wusch, automatische Schwingtür auf, schlapschlappschlapp, wusch, Tür wieder zu.
Gibtsirgendwasbesonderes hier auf Station?
Demonstrativ gelangweilte Stimme.
Nee, alles in Ordnung.
Demonstratives Gähnen.
Okay, dann zieh ich mich mal zurück.
Schlappschlappschlapp.
Düddelüdüt.
Ja?
Zugang!
Wasn?
Schon wieder einer!
Aha?
Durchfall nach Gurken. Kein Blut, kein Fieber, aber wurde nicht besser. Auch heute Abend nicht. Hausarzt wollte auf Nummer sicher gehen.
Istschonokay.
Acht Stunden noch.

Written by medizynicus

29. Mai 2011 at 00:09

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Doktor hinter Gittern

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Neulich habe ich meinen Kollegen Dr. Gutmensch im Knast besucht.
Da brummt er gerade fünf Jahre ab, wegen Verstoß gegen das Betäubungsmitelgesetz.
Was hat er getan? Vielleicht heimlich zur Aufbesserung seiner Kasse nachts hinterm Bahnhof bunte Pillen verkauft? Oder einen notorischen Querulanten mit einer gehörigen Dosis Morphium um die Ecke gebracht? Nein, nichts dergleichen.
Bei meinem letzten Besuch hatte mein Kollege den Tathergang ungefähr so beschrieben:
„Es war in einer kalten, stürmischen Winternacht: Dreißig Zentimeter Neuschnee und Windstärke acht. Ungefähr gegen drei Uhr nachts klingelt mein Handy, der Sohn von Frau Leidemann ist dran. Seine Mutter hat metastasierenden Darmkrebs im Endstadium und leidet höllische Schmerzen. Also bin ich hingefahren, hinaus nach Einödshofen, fünfzehn Kilometer über ungeräumte Landstraßen. Ich habe angeboten, ihr eine Spritze zu geben, aber das wollte sie nicht, denn sie hat wahnsinnige Angst vor Nadeln. Also habe ich ihr eine Tablette Morphium gegeben. Die hat sie gleich genommen und sie hat gut geholfen. Da hat sie mich gefragt, ob ich ihr nicht zwei oder drei Tabletten dalassen könnte. Das habe ich dann auch getan.“
„Und?“ fragte ich, „Was kam dann?“
„Nichts!“ sagt mein Kollege, „das war es. Das war mein Vergehen. Der Sohn hat die Polizei gerufen und die haben mich noch in derselben Nacht verhaftet!“
Okay, das stimmt nicht.
Natürlich ist die Geschichte (wie so vieles hier in diesem Blog) erstunken und erlogen. Aber sie ist möglich. Es klingt verrückt, aber es ist wahr: ein Hausarzt, welcher einem schwerkranken Patienten in einer Notsituation ein paar Tabletten Morphium überlässt, handelt illegal und riskiert eine Haftstrafe und wäre vermutlich auch im Falle einer Bewährungsstrafe erstmal seine Approbation los.
Weil nun die meisten Ärzte keine Lust haben, im Knast zu landen erhalten viele schwerstkranke Patienten nicht die Behandlung, die sie brauchen.
Wer diesen Zustand ändern möchte, kann eine Petition an den Deuschen Bundestag unterschreiben. Hier ein Auszug aus der Begündung dieser Petition:

Aus gutem Grund dürfen in Deutschland Betäubungsmittel nur durch den Apotheker an Patienten abgegeben werden. Dieses gilt derzeit leider auch in besonderen Notfällen von vernichtenden Schmerzen oder schwerster Atemnot außerhalb der Öffnungszeiten von Apotheken, so dass es hier häufig zu einer Versorgungslücke kommt. Ärzte müssen Betäubungsmittel vorab schriftlich rezeptiert haben. Das Rezept muss vor Auslieferung in der Apotheke vorliegen.
Ärzte dürfen Betäubungsmittel nur unmittelbar persönlich am Patienten anwenden, dürfen sie dem Patienten aber auch im Notfall niemals zur dringend notwendigen weiteren Anwendung überlassen. Dies gilt auch, wenn die erreichbaren Apotheken diese Medikamente nicht vorrätig haben und die Medikamente damit auf dem gesetzlich vorgesehenen Wege nicht ausreichend zeitnah in der Häuslichkeit verfügbar sind. Die Überlassung von z. B. Opioiden – auch im Notfall gegen schwerstes Leiden – ist nach § 29 Abs. 1 Ziffer 1 Betäubungsmittelgesetz immer noch ein Straftatbestand, der mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft wird.

Dank an die Leserin „Tänzerin“ für den Tipp und den Link!

Written by medizynicus

16. Februar 2011 at 05:19

Krankschreibung Under Cover

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Tja, ist doch gar nicht so schwer, das Krankfeiern, nicht wahr?
Deutschlands größte Zeitung, die mit den roten vier Buchstaben hat den Test gemacht: Under Cover hat sie einen Reporter losgeschickt: Ganz dreist ist der zu mehreren Doktors hingegangen und hat gesagt, er will einfach nur einen Krankenschein haben. Einfach nur so. Obwohl er kerngesund ist, wie er gleich dazu behauptet. Und sieh einmal an, was passiert: Er kriegt seinen gelben Urlaubsschein.
Von allen drei Ärzten, die er besucht.
Sind Deutschlands Hausärzte also allesamt korrupt?
Anstatt um das Wohl der Gesellschaft bemüht, der sie egentlich dienen sollen, geben sie sich dem schnöden Mammon hin und prellen die Volkswirtschaft um Millionen, ach was sage ich, um Milliarden, und das alles nur, um selber ein paar Kröten zu verdienen…. denn: ein Patient, der eigentlich gesund ist und nur einen Krankenschein will, ist ein guter Patient. Er macht keine Arbeit und spült den armen, am Hungertuche nagenden Hausärzten Geld in die Kassen. Einmal Karte duchziehen, Arbeitsunfähigkeit unterschreiben, dreißig Sekunden Arbeit, Vierzig Euro verdient. Macht hochgerechnet einen Stundensatz von…
So zumindest sieht es Deutschlands größte Zeitung, die mit den vier roten Buchstaben und die hat ja bekanntlich immer Recht.
Und die Moral von der Geschicht: Den Ärzten gehört mal wieder heftig auf die Finger geklopft. Vor allem den Hausärzten. Jawoll!

Written by medizynicus

13. Januar 2011 at 05:21

Hausärzte sind Helden

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Kaiser Wilhelm streckt mir seine Hand entgegen.
“Herr Kollege, ich bringe Ihnen die Frau Welfenstein!“ sagt er mit feierlich-fester Stimme, die keinen Widerspruch duldet.
„Was können wir für die Dame tun?“
„Jetzt geht’s schon wieder etwas besser,“ fährt Kaiser Wilhelm fort, „aber vorhin, da hätte ich fast den Notarzt gerufen!“
„Okay?“
„Die Nachbarn haben mich angerufen. Aus der Wohnung von Frau Welfenstein käme Rauch…“
Aha? Ich wusste gar nicht, dass Hausärzte gelegentlich auch die Aufgaben der Feuerwehr übernehmen.
„…ich bin also sofort hingefahren,“ fährt Dr. Kaiser fort, „bin mit meinem Zweitschlüssel in die Wohnung gegangen und habe Frau Welfenstein auf dem Fußboden in der Küche liegend aufgefunden. Der Qualm kam von einer Bratpfanne. Ich reiße also das Fenster auf, nehme die Pfanne vom Herd und kümmere mich um meine Patientin. Der Blutzucker war bei knapp dreißig. Ich habe ihr also Glucose gespritzt, da ist sie wieder zu sich gekommen. Puls und Blutdruck waren stabil, also habe ich sie ins Auto gepackt und hergebracht…“
Jeder Andere hätte einen Krankenwagen geholt. Nur Kaiser Wilhelm bringt seine Patienten persönlich her.
„Vielen Dank, Herr Kollege!“
„Keine Ursache. Kümmern Sie sich halt um die Dame und geben Sie mir bei Gelegenheit Bescheid!“
Dann geht er langsam über den Flur in Richtung Ausgang, in der linken Hand seine altmodische Arzttasche haltend und mit der rechten Hand immer wieder zu allen Seiten hin grüßend.
, während sich in der Eingangshalle zahlreiche Patienten nach ihm umdrehen.
Es fehlt nicht viel und sie würden sich verbeugen.
Frau Welfenstein ist längst bei Bewußtsein, zwar noch ein wenig matt, aber sie strahlt übers ganze Gesicht.
„Wenn der Herr Doktor mich nicht gefunden hätte…“ sagt sie.
Dann hätten die Nachbarn wohl die Feuerwehr gerufen. Und den Notarzt. Und wir hätten uns so oder so hier getroffen.

Written by medizynicus

2. August 2010 at 06:39

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Ausgependelt

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Die junge Frau ist zur Synkopenabklärung gekommen.
Will sagen: Sie ist vorhin auf dem Marktplatz zusammengeklappt und keiner weiß warum. Wir schon. Möglicherweise wahrscheinlich todsicher waren es nämlich nur die Nerven, der Kreislauf und das Wetter, aber vielleicht war’s ja doch das Herz, man kann ja nie wissen, und deshalb ist sie jetzt hier. Also kriegt sie das volle Programm.
Das volle Programm besteht aus Untersuchung, EKG, Blutentnahme und… naja, eine Infusion hängen wir auch an, halt so für den Kreislauf.
Während ich den venösen Zugang lege, schaut sie mich argwöhnisch an.
„Ich bin aber allergisch!“
„Auf was denn?“
„Auf so Medikamente.“
Das war wieder einmal ein sehr hilfreicher Kommentar.
„Auf welche denn?“
Sie zuckt hilflos mit den Schultern.
„Wofür sollten die Medikamente denn gut sein?“
Abermaliges Schulterzucken.
„Anders gefragt: Welche Medikamente vertragen Sie denn?“
„Letztens habe ich ein Antibiotika bekommen. Gegen Halsschmerzen.“
„Aha. Und damit hat’s keine Probleme gegeben?“
Die Patientin nickt.
„Wissen Sie noch wie es hieß?“
Kopfschütteln.
„Aber das kann man doch immer testen,oder?“
Naja… im Prinzip schon.
„Also, mein Hausarzt, der pendelt das vorher immer aus!“
Ungläubiges Staunen meinerseits.
Die Patientin lächelt.
„Nee, echt, das macht der ganz toll: immer bevor er mir etwas verschreibt, pendelt er erstmal aus, ob ich das vertrage!“
Nun ja…

Written by medizynicus

26. Mai 2010 at 21:56

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Unzufriedene Hausärzte: Warum tut Ihr denn nichts?

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„Jeder dritte Hausarzt ist unzufrieden!“, meldet die Ärztezeitung (Mittlerweile ist der Artikel allerdings wieder verschwunden.).
An solche Nachrichten sind wir ja gewohnt, fast täglich tönen sie uns aus der ärztlichen Standespresse entgegen und in den Blogs, zum Beispiel beim Landarsch klingt es ja nicht anders.
Die Kollegen sind überlastet, weil die Arbeit immer mehr und das Geld immer weniger wird (von den Kollegen, die sich durch Igel-Quacksalberei eine goldene Nase verdienen, will ich hier nicht reden). Das glaube ich den Kollegen gerne. Und was tun sie?
Sie jammern.
Und beißen die Zähne zusammen und geben weiter fleißig Spritzen und Infusionen, von denen sie wissen, dass sie medizinisch überflüssig sind und noch nicht einmal Geld bringen. Sie machen weiter nächtliche Hausbesuche obwohl auch die nicht mehr bezahlt werden und es dem Patienten nicht schlechter ginge, wenn er für seine Rückenschmerzen nachts erst einmal eine Tablette einwerfen und dann nächsten Morgen in die Praxis kommen würden.
Aber der Herr Doktor ist ja in den letzten zwanzig Jahren immer brav nachts rausgekommen. Und so ist es halt bequemer. Zumindest für den Patienten. Für den Arzt weniger. Aber der beißt die Zähne zusammen und kommt trotzdem. Warum?
Aus Angst vor dem Kadi? Erzählt mir nix, Kollegen! Mit der – gut dokumentierten – Aufforderung: „…und wenn es nicht besser wird, gehen Sie bitte sofort ins Krankenhaus oder rufen den Notarzt!“ seid Ihr immer aus dem Schneider.
Also ist es echte, ernst gemeinte Sorge um den Patienten, Gutmenschentum, Helfersyndrom, oder wie auch immer man es nennen darf?
Das spricht für Euch, Kollegen, Ihr seid super, toll, Spitze! Aber dann jammert gefälligst nicht!
Denn merke: Ihr seid nur dann gut, wenn es Euch selbst auch gut geht.

Written by medizynicus

7. August 2009 at 15:52