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Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

Die Sängerin, das Virus und die Hexenjagd

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Bewährungsstrafe also.
Ein verhältnismäßig unspektakuläres Ende jener Aktion, die zu Ostern letzten Jahres begonnen hatte.
Und doch ist und bleibt die Sache zwiespältig, wie nicht nur der „Spiegel“ schreibt. Immerhin: Die Dame ist verurteilt worden, wenn auch „nur“ auf Bewährung ist. Halten wir also fest:

  • Es ist und bleibt strafbar, einen Menschen vorsätzlich mit HIV oder einer anderen schweren Krankheit zu infizieren. Und das ist richtig so. Aber:
  • den Vorsatz nachzuweisen dürfte in den meisten Fällen sehr schwierig sein und:
  • prinzipiell geht das nur, wenn der Täter nachweislich seine Infektion bekannt ist.

Was das heißt?

70.000 Menschen sind laut Deutscher Aids-Hilfe in Deutschland mit dem HI-Virus infiziert, ein Drittel der Betroffenen, so Schätzungen, zieht es jedoch vor, sich nicht testen zu lassen. Denn nur wer Gewissheit hat, steht in der Verantwortung, sich selbst mit der Krankheit auseinanderzusetzen – und eben gegebenenfalls auch andere einzuweihen.
Das Spektakel um den Fall Benaissa suggeriert nun, dass es unter Umständen besser ist, wenn niemand um eine HIV-Infektion weiß: der Betroffene nicht, seine Sexualpartner nicht und die Staatsanwaltschaft schon gar nicht. (Quelle: Spiegel Online)

Bedenklich, bedenklich. Ich gehe mal davon aus, dass Aids-Tests in den nächsten Wochen und Monaten nicht gerade populär sein werden. Zumindest was nicht-anonyme Tests angeht. Und da helfen auch alle
Appelle an die Verantwortung des Einzelnen nur wenig.

Hat das Ganze irgendwas mit unserem ärztlichen Arbeitsalltag zu tun?
O ja, und zwar viel mehr als man denkt….

Written by medizynicus

27. August 2010 um 06:27

Veröffentlicht in Gehört und gelesen

5 Antworten

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  1. Es stehen ja beide in der Pflicht,wozu hat der liebe Gott Kondome erfunden und die hätte ja der Partner nutzen können.Haben wir ja mal gelernt Kondome schützen…..
    Muß man gleich sagen Liebling ich habe HIV,bei jedem Kontakt??? Finde ich nicht.

    Frank

    27. August 2010 at 12:59

  2. Wir werden sehen.
    Ich denke, dass die inneren Beweggründe eines Menschen, sich auf AIDS testen zu lassen, überwiegend unbewußt und insgesamt stärker sind als die Überlegung „wenn ich mich nicht testen lasse, kann ich wild durch die Gegend vögeln und muss niemanden warnen und kann nicht zur Verantwortung gezogen werden“.
    Falls demnächst von überzeugten Testverweigerern o. g. Erklärungen zu hören sind, würde ich dies als nachträgliche Erklärung einer unbewußten Entscheidung werten.

    Jo

    27. August 2010 at 13:05

  3. Ich habe die letzten Tage nie verstanden, warum dieser Prozess fast in allen Nachrichten Erwähnung findet.
    Aber dass es dieses Thema nicht nur in die Tagesschau, sondern sogar bis zu DIR in Dein Blog schafft, das toppt alles.
    Hat man denn in Deutschland überhaupt kein Privatleben mehr?

    drgeldgier

    27. August 2010 at 14:03

  4. @Dr. Geldgier: Der Grund, dass ich das Thema in meinem Blog erwähnte, steht in dem letzten Satz: Was hat die Sache mit unserem Alltag als Arzt zu tun? Nämlich wirklich eine Menge. Dazu aber mehr in den nächsten Tagen, sobald der entsprechende Artikel fertig ist… 🙂

    medizynicus

    27. August 2010 at 16:31

  5. @drgeldgier: Nein, Privatleben gilt nicht, wenn man beruehmt ist. Zumindest ist das die Sicht vieler Medien. Und die Story ist doch noch so schoen empoerungskompatibel.

    Halbwegs ehrlich waere gewesen, dass ganze gleich mit einer „Kondome schuetzen“-Aktion zu verbinden, zu Safer Sex gehoeren schliesslich immer noch zwei (mindestens).

    Turtle

    30. August 2010 at 11:28


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