Medizynicus Arzt Blog

Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

Kollegen, warum wollt Ihr denn nicht aufs Land?

with 14 comments

Frische klare Luft gibt’s da, viel Landschaft, Kegelbahnen, Schützenfeste und Feuerwehrbällt. Kinos zwar nicht, aber das ist eh out, holt Euch lieber eine Tüte Chips und ein paar DVD’s, dann stört sich auch niemand daran, wenn ihr zwischendurch mal weggerufen werdet, weil da aufm Land sollt Ihr ja richtige Landärzte werden, und die sind ja immer im Dienst, aber dafür gibt’s dann vom Bauern auch mal frische Wurst gratis, wenn gerade geschlachtet worden ist.
Und dann braucht ihr noch eine passende Frau, also ohne geht’s ja nicht. Also, natürlich nicht so eine Großstadttusse, die wo einen eigenen Beruf haben will, sondern so ein kerniges Mädel vom Land mit roten Wangen und… okay, weitere Details tun nichts zur Sache. Die hält Euch jedenfalls den Rücken frei und sorgt dafür, dass jeden Abend frische Hausmannskost auf den Tisch kommt, wenn Ihr um um halb acht aus der Praxis kommt und wenn dann Oma Kasuppke anruft, dann sagt Eure Frau der Omma dass es noch ein bisschen dauert bis der Doktor kommt, weil der muss jetzt erstmal zu Abend essen.
Ach ja, und Ihr, weibliche Leserinnen und Kolleginnen Ihr könnt ruhig mal weglesen – Ihr habt draußen auf dem Land nichts verloren. Werdet lieber Latte-Machiato-Mütter!
Werde ich zynisch?
Nee.
Nur wieder mal das alte Thema, diesmal aufgetischt von SpON.
p.p.s.:…und morgen erzähle ich Euch eine Story von Uwe und Marion – die sind ja bekanntlich Hausärzte hier bei uns in Bad Dingenskirchen, nicht unbedingt plattestes Land, aber immerhin Provinz!

Written by medizynicus

24. Januar 2012 um 17:28

Veröffentlicht in Gehört und gelesen

14 Antworten

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  1. was sollte man als frau auch mehr wollen als sein leben dem dorf tratsch zu widmen? ausserdem wissen wir ja, dass das weibliche gehirn gar nicht fuer so komplexe vorgaenge wie grippe diagnose geeignet ist.

    Ich

    24. Januar 2012 at 21:29

  2. Ja, liebe Herrn, bitte geht alle aufs Land zu den rotwangenen Dirnen, damit ich ne schöne Allgemeinarztpraxis in der Großstadt übernehmen kann. Dafür!

    Alessa

    24. Januar 2012 at 22:59

  3. Zynismus ist auch ein Ventil um mit Missständen klar zu kommen.
    Ich könnte mir aber Vorstellen, das einige Bundesländer soweit gehen könnten, Stipendien zu vergeben, mit der Maßgabe mindestens 2-5 Jahre in einer Praxis in einer ländlichen Region des BL zu arbeiten. Ob solche oder ähnliche Konstruktionen zukünftig ausprobiert werden … wer kann das schon abschätzen.

    aga80

    25. Januar 2012 at 08:44

  4. Die Landflucht ist nicht nur ein Problem der Mediziner. Allerdings haben diese den Vorteil, daß die Regierung versucht, ihnen Puderzucker in den Hintern zu blasen, weil sie wenigstens den guten Willen signalisieren will, daß ihr zumindestens noch die Gesundheit ihrer Wähler wichtig ist. Über andere infrastrukturelle Dinge wie Kultur und Bildung, Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel usw. wird schon garnicht mehr gesprochen. Das ist Luxus, den sich jeder selber organisieren muß, wenn er ihn haben will. Die Dörfer haben sich inzwischen darauf eingestellt. Es gibt u.a. viele Vereine, in denen sich Leute ehrenamtlich bemühen, den kulturellen Niedergang wenigstens teilweise aufzuhalten. Statt sich z.B. selbst am Abend ein Fitnessprogrämmchen in einem chromblitzenden, kommerziellen Fitnesstudio zu gönnen, scharen sie in der zugigen Dorfturnhalle Gleichgesinnte um sich und ziehen ihr Sportprogramm mit Turnmatten und Gymnastikbällen durch…Das sieht vielleicht nicht so cool aus in der Muckibude in der Stadt- aber fit bleibt man auch. Ausserdem hat diese Art von Selbsthilfe den nicht zu unterschätzenden Nebeneffekt der Bildung und Stabilisierung sozialer Beziehungen. Es ist etwas anderes, ob ich an der Erreichung eines Zieles aktiv mitgwirkt habe oder ob ich es für Geld bekommen habe.
    Ich finde dieses Gejammere der Mediziner über die Zumutung, daß sie evt. auf dem Lande arbeiten sollen einfach nur unreif oder überheblich. Gerade sie sollten wissen, was im Leben wirklich wichtig ist.

    Thomas

    25. Januar 2012 at 09:24

  5. Hmmm … „Landarzt sucht Frau“? Hat RTL sich schon die Rechte gebunkert?

    @Thomas: Das Schöne ist ja, dass bei uns immer noch jeder selber entscheiden darf, was für ihn (oder sie) im Leben wichtig ist 😉

    Panama Jack

    25. Januar 2012 at 12:05

  6. Vielleicht ändert die geplante Abschaffung der Residenzpflicht ja etwas.
    Denn wenn man evtl. auch in einer größeren Stadt leben kann und gleichzeitig auf dem Dorf arbeiten, ist das um einiges attraktiver..

    stef

    25. Januar 2012 at 12:28

  7. @Panama Jack: Man denkt nur, man hätte die Wahl- bis man das Leben wirklich kennenlernt.

    Thomas

    25. Januar 2012 at 13:02

  8. @aga80: solche stipdendien gibt es zumindest in mecklenburg-vorpommern schon. ich glaube man bekommt so etwa 500 euro im monat waehrend man studiert und muss sich dann 5 jahre als landarzt niederlassen..

    Ich

    25. Januar 2012 at 14:36

  9. Es ist auf dem Land echt nicht so dramatisch, wie manche hier beschreiben.Man sollte auch die Vorteile sehen (größere und billigere Wohnung, gesündere Luft, wenig Verkehrslärm, großer Garten, persönlichere Atmosphäre,…). Wer auf dem Land groß wurde, weiß das auch zu schätzen. Das ist gerade mit Kleinkindern interessant (verkehrt sich für einen 16jährigen Jugendlichen aber natürlich ins Gegenteil).
    Und ich finde es auch nicht schlecht, dass sich quasi direkt vor meiner Haustüre ein größerer See befindet, so dass man zum Feierabend noch mal schnell das kleine Segelboot klarmacht. Ein (zugegebenermaßen kleines) Multiplex findet man in 20 km Entfernung ebenfalls und wenn man ins Theater möchte, fährt man halt mal 45 Minuten.
    Wer denkt, dass Menschen vom Land einfach gestrickt sind, der möge sich doch bitte einfach mal in der nächsten U-Bahn umsehen, was sich da alles für Gesocks rumtreibt. Die Verteilung der Intelligenz ist doch in der Stadt und auf dem Land ungefähr gleich.
    Ich kenne beides, beides hat Vor- und Nachteile. Einen Hardcore-Stadtmenschen bekommt man nie aufs Land und einen Hardcore-Landmenschen nie in eine Großstadt.

    @Ich und aga80: Bringen solche Stipendien mit 500 Euro/Monat effektiv etwas? Wenn Mama und Papa gutverdienende Akademiker sind, bindet sich doch niemand wegen 3000 Euro/Semester fünf Jahre Land ans Bein, wenn er das nicht möchte. Und wenn die Eltern ein geringes Einkommen haben, liegt der BAFöG-Satz mit ca. 650 Euro/Monat doch eh deutlich höher.

    CharlieBrown

    25. Januar 2012 at 18:30

  10. Ich frage mich gerade, warum sich landärztliche Arbeit und Weiterbildung ausschließen. Auf einem aktuellen Wissensstand muß doch ein Hausarzt auch … gerade wegen dem Internet.

    Hesting

    26. Januar 2012 at 06:42

  11. @ CharlieBrown: mit kleinen Kindern auf dem Land ist nur dann eine gute Idee, wenn Frauchen brav zu Hause bleibt. Kinderbetreuungsmöglichkeiten, so dass Eltern nennenswert arbeiten gehen können, sind auf dem Land noch weniger vorhanden als in der Stadt.
    Hat die Konsequenz, dass wenn die Praxis schief geht, die Familie ohne Einkommen da steht.
    Gruss Landkrauter

    Landkrauter

    26. Januar 2012 at 11:18

  12. @Landkrauter: Ich weiß nicht, wo Du wohnst, aber in dem 1000-Seelenkaff, in dem ich wohne, gibt es einen Kindergarten, eine KiTa und eine Grundschule. Und da man in einer kleineren Ortschaft auch die Nachbarn ganz gut kennt, kann man sich da auch ganz gut einig werden, wenn mal Ferien sind. Die auf dem Land weniger vorhandene Anonymität hat halt auch Vorteile.
    Regeln lässt sich das alles, wenn man möchte.

    Man muss ja nicht unbedingt in eine Einöde oder einen Weiler mit 2 Häusern ziehen.

    CharlieBrown

    26. Januar 2012 at 14:05

  13. @charliebrown ich hab mal in einem 5000 seelendorf mein unwesen getrieben
    kindergartenoeffnungszeiten: 8-12 und 14-16 uhr. die „ganztagesgruppe: 8-15 uhr.
    kinderbetreuung fuer kinder unter drei jahren: fehlanzeige.
    der ort hat grund und hautpschule. kinderbetreuung ausserhalb der schulzeiten? 0 stunden.
    da kann niemand, der kinder hat, meinen, er koenne noch ernsthaft (broterwerb) arbeiten.
    gruss landkrauter

    landkrauter

    26. Januar 2012 at 20:19

  14. @landkrauter
    ich kenne größere Städte, da sieht es nicht unbedingt besser aus, jedenfalls für die, die nicht die entsprechenden finanziellen Mittel haben.

    Karl

    28. Januar 2012 at 23:46


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