Medizynicus Arzt Blog

Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

freiwillige Todesstrafe?

with 5 comments

„Angeklagter, erheben Sie sich! Im Namen es spelunkistanischen Volkes ergeht folgende Urteil:
Das Gericht erkennt Sie in allen Punkten für schuldig und verhängt deshalb eine lebenslange Freiheitsstrafe. Und lebenslänglich heißt bei uns lebenslänglich! Machen Sie sich keine Illusionen, Sie kommen da nicht mehr raus. Und Sie wissen: ein spelunkistanischer Knast ist kein Ponyhof! Machen Sie sich also darauf gefasst, für Ihre furchtbaren Verbrechen lange und schwer zu büßen!
Aus Gründen der Menschlichkeit läßt Ihnen das Gericht aber einen Ausweg: Nach Ablauf eines Jahres haben Sie die Möglichkeit, sich für eine freiwillige Deanimation zu entscheiden. Dieses Grundrecht steht jedem unserer Bürger zu und soll auch Ihnen nicht genommen werden. Das ist alles. Setzen Sie sich, Angeklagter!“
Die lange erwartete Urteilsverkündung gegen den Furchtbarsten aller spelunkistanischen Gangsterbosse wurde life im Fernsehen übertragen. Das ist so üblich in Spelunkistan.
Irgendwo in einer kleinen Provinzstadt starrt Oppa Kasuppke fassungslos auf die Mattscheibe. Er schüttelt den Kopf und schaltet die Glotze aus.
„Unfassbar!“ sagt er, „Freiwillige Deanimation! Die lassen dem Kerl doch glatt die Möglichkeit, sich einfach so davon zu machen!“
„Lass Ihn doch!“ sagt Omma Kasuppke und macht eine wegwerfende Handbewegung, „Hauptsache, der Kerl ist aus dem Verkehr gezogen!“
„Aber er doch muss büßen für das, was er angestellt hat!“ sagt Oppa.
Omma lächelt.
„Sieh das mal von der anderen Seite,“ sagt sie, „Was glaubst Du, was so ein Jahr im Gefängnis kostet! Wenn Du das auf seine zu erwartende Lebenszeit hochrechnest, kommen da ein paar hunderttausend Spelunki-Dollars zusammen. Das Geld fehlt anderswo. Zum Beispiel bei unserer Rente. Sei doch froh, wenn er freiwillig bereit ist, den Löffel abzugeben!“

….wieder so eine fiese Gedankenspielerei?
Nein, manchmal liegt Spelunkistan gleich um die Ecke!

Written by medizynicus

29. Oktober 2014 um 05:38

Veröffentlicht in Nachdenkereien

5 Antworten

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  1. Ich finde es geht weniger um die Frage der freiwilligen Todesstrafe, oder darum einer Strafe zu entkommen sonder darum ob es mit Menschenrechten vereinbar ist einen Psychisch Kranken für immer(!) wegzusperren ohne ihn therapeutisch zu betreuen.
    Und wenn es nicht mit Menschenrechten vereinbar ist, muss sich die Gesellschaft überlegen wie sie mit diesem Problem umgehen möchte.

    absolutnormal

    29. Oktober 2014 at 14:03

  2. Wenn ich den verlinkten Spiegel-Artikel richtig verstehe, wurde sogar noch eine Therapie statt Sterbehilfe beantragt, bevor der Gerichtsprozess begonnen wurde, an dessen Ende dem Häftling das Recht zugesprochen wurde, Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen: „…der behandelnde Arzt, lehnte es 2010 ab, Van den Bleeken sterben zu lassen. Gemeinsam mit dem Arzt stellte der Häftling einen Antrag, in eine niederländische Spezialklinik verlegt zu werden, dort hätte es einen Therapieplatz gegeben. Das Justizministerium lehnte ab.“ Wie kann man so ein Gesuch ablehnen?

    Wie es wohl sein wird, wenn ich mal alt bin….wenn die aktive Sterbehilfe legalisiert würde und man das „normal“ fände….wäre es theoretisch möglich, dass es in der Zukunft stattdessen „Kostenträger im Gesundheitswesen lehnte Palliativmedizin“ o.Ä ab“ heißt?

    Beanie

    29. Oktober 2014 at 21:18

  3. @absolutnormal: Die Sache mit der Sicherheitsverwahrung ist eine ganz andere Diskussion….. dieses Fass will ich hier erstmal nicht aufmachen. Worum es mir hier an dieser Stelle geht: dass sich in Länden wie Belgien – wo man ja manchmal tatsächlich schon vom „Recht auf Sterbehilfe“ spricht – ein Trend herausbilden könnte, in dem man Straftätern, die aufgrund von schweren Verbrechen zu langen Haftstrafen verurteilt wurden, mehr oder weniger subtil „suggeriert“, dass sie sich doch die lange Zeit im Knast auch ersparen könnten, wenn Sie halt freiwillig den Löffel abgeben, weil so schön ist es im Knast ja nun auch wieder nicht…. Und der Staat spart auf diese Weise eine Menge Geld.
    @Beanie: wie gesagt – warum man einem (möglicherweise) psychisch Kranken eine Therapie verweigert, ist eine ganz andere Diskussion – aber Dein letzter Satz ist genau das, worauf ich hinaus will. Wobei Palliativmediziner sehr sauer sind, wenn man sie mit Sterbehelfern in einen Topf wirft! Es gibt sogar den Satz, dass Palliativmedizin das Gegenteil von Sterbehilfe sei. Tatsache ist, dass die Hauptaufgabe der Palliativmedizin darin besteht, schwerst kranken Menschen (und auch Sterbenden) in der eng begrenzten Zeit noch so viel Lebensqualität wie möglich zu bieten.

    medizynicus

    29. Oktober 2014 at 21:43

  4. Danke für die Antwort, Medizynicus. Palliativmediziner und Sterbehelfer wollte ich nicht in einen Topf werfen, sondern gegenüberstellen, genau wie Du das beschreibst, sorry, wenn mein Kommentar anders verstanden werden konnte.

    Beanie

    29. Oktober 2014 at 22:18

  5. Immerhin gibt es in dem oben verlinkten Fall nun doch Therapie statt Sterbehilfe für den Straftäter: http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/sterbehilfe-in-belgien-sexualstraftaeter-van-den-bleeken-stirbt-nicht-a-1011575.html

    Beanie

    8. Januar 2015 at 00:15


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