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Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

Arzt sein: Hobby oder Beruf?

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Die Ärztezeitung schreibt über die verzweifelte Situation einer jungen Kollegin.
Die 35 jährige Allgemeinmedizinerin aus Schleswig-Holstein hat die gut laufende Hausarztpraxis ihres Vaters übernommen. Leben kann sie davon nicht. Zumindest dann nicht, wenn sie sich ab und zu den Luxus leisten will, Zeit für ihre Familie zu haben. So wird die Praxis zum „Zuschussbetrieb“, die Familie lebt vom Verdienst des Mannes.
Ähnliche Geschichten hört man öfters, und das nicht nur von Hausärztinnen: Kolleginnen, die sich auf den Spagat zwischen Beruf und Familie einlassen, haben es nicht leicht. Und wenn man nicht das Glück hat, auf ein Netzwerk von Omas und Opas zur Kinderbetreuung zurückgreifen zu können und Geld für Tagesmütter oder Kita ausgeben muss, wird der Beruf oft zum Hobby: aus wirtschaftlicher Sicht völlig unrentabel.
Muss das sein?
Oder ist es vielleicht sogar politisch gewollt?

Written by medizynicus

23. Februar 2011 um 08:44

Veröffentlicht in Gehört und gelesen

5 Antworten

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  1. Interessanterweise funktioniert das in anderen Ländern bedeutend besser. In Schweden sind die Einkommen im Durchschnitt etwas niedriger als in Deutschland und in der Regel müssen beide Elternteile arbeiten. Die Betreung zu organisieren ist aber kein Problem, auch wenn man keinerlei Familie vor Ort hat. Ausserdem sind die Kindergärten viel günstiger und die Hortunterbringung komplett kostenlos. Warum funktioniert das in Deutschland nicht? Weil niemand den Arsch in der Hose hat auf den Tisch zu hauen und zu sagen „Wir machen das jetzt, fertig“ stattdessen ziehen es die Politiker vor sich permanent für die Industrie nach der Seife bücken… allein von der Kohle die Bayern in die Hypo Real Estate versenkt hat hätte man halb Deutschland mit Kitas pflastern können…

    Patrick

    23. Februar 2011 at 09:51

  2. Wenn ich mir die Prioritäten der Politiker anschaue, habe ich echt den Eindruck, ihr habt recht: Das ist politisch gewollt. Wofür die so ihr gutes geld ausgeben. Da kann einem echt manchmal schlecht werden. Ganz schönen Luxus, den sich D da leistet: Gut qualifizierte Arbeitskräfte mit ihren Bemühungen Beruf und Familie zu vereinbaren allein zu lassen.

    Ich rufe trotzdem nicht so laut mit beim Schrei nach mehr Kitas. Ich rufe eher: Mehr Kitas und mehr gute Erzieherinnen. Weniger Gebühren und höhere Gehälter für diese wichtige Arbeit. Mehr Hirnschmalz und gesunden Menschenverstand für Betreuungskonzepte!

    Damit am Ende nicht statt der Frauen die Kinder die Dummen sind.

    Sagt mal, ich habe gehört, dass manche Mediziner finden, der Staat solle ihnen doch Gehalt zahlen. Wäre das in euren Augen eine Lösung für solche und ähnliche Probleme (z.B. für Praxen mit wenig P-Klientel).

    Silke

    23. Februar 2011 at 11:43

  3. Die Finanzierung und Zahl+Qualität der Kinderkrippen/~gärten und Hortangebote sind leider nur die halbe Wahrheit (wobei diese Baustelle im Moment ja noch nicht mal ein fertiges Bauloch ist…).

    Selbst wenn man es sich leisten kann und einen guten Kindergartenplatz mit arbeitnehmerfreundlichen Betreuungszeiten gefunden hat steht man trotzdem vor dem Problem, den Job und die Familie unter einen Hut zu bringen. Man hat keine Kinder um sie 5 Tage die Woche jeweils 12 Stunden abzugeben! Einer von beiden muss also einen Job haben, wo ein pünktlicher Feierabend annähernd gesichert ist. Dabei gehts nicht um 10 Minuten o.ä., aber wenn Kind abholen dran ist muss das eben zeitnah funktionieren und es nicht ständig zu Überstunden kommen. Dazu brauchts eine Firma, die das unterstützt, der Chef muss mitmachen und die Kollegen auch. Kurz: es muss gesellschaftlich gewünscht und unterstützt werden.
    Alle Selbstständigen und Freiberufler haben da zwar mehr Spielraum, aber dafür eben auch ein größeres finanzielles Risiko.

    Niedergelassene Ärzte – vor allem „Allgemeine“ – haben die Chance auf beides: Inkompatible Arbeitszeiten (werktätige Patienten haben mit Sprechzeiten „bis 16 Uhr“ so ihr Problem) und das finanzielle Risiko, am Ende ohne Patienten dazustehen weil man schon die dritte Woche im Jahr kurzfristig wegen „Kind krank“ geschlossen hat.

    Aber ob ein Grundgehalt da helfen kann bezweifle ich dann doch – damit geht jede Chance auf Selbstbestimmung verloren. Wir brauchen einen Arzt – Frau Meier bitte. Oh, ihr Kind ist krank? Dann brauchen sie einen Krankenschein vom Kinderarzt. Oh, der hat heute keine Sprechzeit und die Vertretung ist 50km weg? Ihr Pech, sie kommen jetzt in die Bereitschaft…

    Alles in allem – wenn die Gesellschaft nicht insgesamt mitzieht bleibt es schwer für alle Eltern, auch wenn die gesetzliche Pflicht zu Kindergartenplätzen schon vielen hilft.

    Tommy

    23. Februar 2011 at 20:34

  4. Is doch ein schönes und probates Mittel dafür zu sorgen, dass die Frau möglichst lange an Heim und Herd gefesselt ist. Jedenfalls, solange es sich nicht lohnt, arbeiten zu gehen, weil das Geld dann mehr oder weniger komplett für die Kinderbetreuung draufgeht.

    anna

    23. Februar 2011 at 22:32

  5. Davon abgesehen, wird es auch sonst schwierig für die Ärztin, nicht die Karriere zu opfern fürs Kinderkriegen.
    Heißt es in der Praxis ja mehr oder weniger: ~1 Jahr nix machen müssen, 8 Wochen nach der Geburt Pflicht, sobald Schwangerschaft bekannt, darf man quasi nichts mehr (sodass man sich als Assistent das Arbeiten auch sparen kann, als Oberarzt hingegen kann man es sich nicht leisten.)
    Wie ist das eigentlich für liierte Frauen in prämonopausalem Alter ohne Kinder aber mit dem Wunsch, mal welche zu haben – bekommt man da überhaupt eine Stelle angeboten?

    docadenz

    27. Februar 2011 at 01:07


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