Medizynicus Arzt Blog

Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

Reisewarnung

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Herr Miefke war wieder da.
Herr Miefke kommt mindestens einmal im Monat.
Ohne Anzuklopfen stolpert er ins Arztzimmer, wobei er eine meterlange Schweißgeruchfahne hinter sich her zieht.Zielstrebig schlurft er zum Waschbecken und dreht das Wasser auf. Das Warmwasser.
Ein paar Minuten lang steht er dann versonnen da, während das Wasser vor sich hin rinnt.
Er lässt das Wasser ein oder zwei Minuten laufen, hantiert mit irgendwelchen Gegenständen und schließlich grummelt er irgendwas in seinen speckigen Bart, in dem sich in der Regel noch ein paar Reste Pichelsteiner Eintopf von vorgestern befinden.
Ich frage dann in der Regel so etwas ähnliches wie: „Kann man Ihnen helfen?“
Woraufhin Herr Miefke etwas erwidert, was in etwa klingt wie: „Achtundvierzig!“
Darauf ich: „Was darf man sich darunter vorstellen?“
Antwort er: „Achtundvierzig! Scheiße!“
Ich: „Hmm.“
Er dreht sich um und atmet mit einem tiefen Seufzer eine voluminöse Wolke Knoblauchluft in meine Richtung.
„Achtundvierzig Grad! Das Wasser hat Achtundvierzig Grad! Das ist zu wenig. Scheiße ist das!“
Ich: „Aha?“
Er: „Na, wegen der Legionellen! Das Heißwasser muss im ganzen Haus mindestens sechzig Grad haben! Sonst vermehren die sich doch, und dann ham‘ wa hier Epidemie!“
Hmm. Also, ich habe bei mir zu Hause die Warmwassertemperatur runtergedreht auf fünfundvierzig Grad. Erstens ist das billiger in Bezug auf Strom- bzw. Gaskosten und zweitens verbrennt man sich nicht beim Duschen den…. also, ist ja egal, was man sich nicht verbrennt, ich will jetzt hier nicht ordinär werden.
Herr Miefke lacht hohl und läßt eine Breitseite Ranz-Odeur in meine Richtung wabern.
„Da ham’se aber bisher ordentlich Glück gehabt!“
„Warum?“
„Wenn Se Legionellen in der Wasserleitung haben, dann ist das kein Spaß mehr!“
Eh?
„…die kriegense nich wieder weg, die sind schlimmer als wie Bettwanzen oder Sackrat…“
Er verschluckt sich hastig, dreht sich um und tappt grußlos hinaus auf den Flur. Ich reiße das Fenster auf, versprühe eine halbe Flasche Raumspray und beschließe, das Feld zu räumen, bis Beides seine Wirkung entfaltet hat.
In der Küche treffe ich Kalle, Jenny und Schwester Paula.
Jenny schwärmt von ihrem Urlaub.
Total heiß war’s gewesen und das Tauchrevier war großartig!
Wo warst Du denn, frage ich während ich mir eine Tasse Krankenhauskaffeeplörre zapfe.
„Ägypten!“ sagt Jenny und strahlt.
Ägypten? Ist da nicht gerade Krieg? Warum nicht gleich Syrien (da soll es auch tolle Strände geben!), Nordkorea oder Afghanistan (phantastische Berglandschaften!)?
„Total billig!“ sagt Jenny und strahlt als käme sie direkt aus Fukushima. „die Tickets gibt’s momentan nachgeschmissen!“
„Das glaub ich gerne,dass da keiner mehr hin will,“ sagt Kalle, „Wenn das Auswärtige Amt eine Reisewarnung ausspricht!“
„Also ich halte davon ja gar nix!“ sagt Schwester Paula resolut, „Ich fahre nächste Woche ins Sauerland!“
Kalle kichert.
„Ins Sauerland? Pass bloß auf, wo Du da hinfährst!“
„Warum?“
„Na, wegen der Reisewarnung!“
Schwester Paula starrt ihn mit offenem Mund an.
„Wie meinen Sie das…?“
Kalle greift nach der Tageszeitung, die auf dem Tisch liegt.
„Hier schau selbst! In Warstein sind die Legionellen ausgebrochen! Örtliche Behörden raten dringend, die Region großräumig zu vermeiden…“
Mir fällt fast die Kaffeetasse aus der Hand.
Legionellen?
Ich glaub, ich sollte demnächst doch mal meine Wasserleitungen durchchecken lassen… und dann hätte ich da noch einen halben Kasten sauerländischen Bazillenbiers in meiner Küche….
mag jemand eins? Mir schmeckt’s nicht mehr!

Written by medizynicus

6. September 2013 um 16:25

Veröffentlicht in Alltagswahnsinn

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7 Antworten

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  1. och, legionellen *abwink*… die gibts hier auch… die haben sich in ’nem hochhaus der nachbarstadt schon lange häuslich eingerichtet. wohnungen, arztpraxen – und legionellen in den wasserrohren… keine ahnung, ob sie die nach der letzten großangelegten desinfektionsmaßname endlich losgeworden sind. wahrscheinlich nicht. legionellen und besagtes hochhaus halten einfach zusammen wie pech und schwefel.

    sternenpfad

    6. September 2013 at 17:02

  2. Och, die Sauerländische Bazillenplörre dient doch hauptsächlich dazu, den Regenwald zu retten. Trinkt die echt irgendwer aus einem anderen Grund? Zumal – und das weiß der Medizynikus garantiert aus dem Kopf – Wikipedia dazu meint: „Nicht jeder Kontakt mit legionellenhaltigem Wasser führt zu einer Gesundheitsgefährdung. Erst das Einatmen bakterienhaltigen Wassers als Aerosol (Aspiration bzw. Inhalation z. B. beim Duschen, bei Klimaanlagen, durch Rasensprenger, oder in Whirlpools) kann zur Erkrankung führen.“ Und wer inhaliert schon Pilzsuppe als Aerosol? *kicher*

    Ups, habe ich nun einen Gag verraten? *schäm*

    gedankenknick

    6. September 2013 at 18:11

  3. Ich muss sagen, dass haben Sie ja wirklich nett verpackt (habe trotz des Ernst der Lage herzhaft gelacht) 😀
    Mal etwas anderes als diese Panikmacherei, die bei uns im Sauerland gemacht wird. Ist die Reisewarnung wieder aufgehoben, sollten Sie sich mal auf den Weg hierher machen; es lohnt sich 😉

    Simone

    6. September 2013 at 19:50

  4. @gedankenknick
    Nee, das war ein anderes sauerländer Bierschen. Da gibt’s einige von.
    Aber Du hast mich jetzt ganz schön verwirrt, heißt das jetzt, ich darf das als schwangere Raucherin zwar noch trinken, mir aber keinen Bong mehr mit Flußwasser machen????? 😉

    Jeb

    6. September 2013 at 20:25

  5. @Jeb:
    Als Schwangere solltest Du heutzutage, weger der ganzen Umweltgifte und wegen der latenten Versuche der Pharmaindustrie via Weichmacher im Plastik Deine Gedanken zu kontrollieren (und die des ungeborenen Kindes auch) vorsichtshalber weder feste noch flüssige und auf gar keinen Fall gasförmige Lebensmittel zu Dir nehmen (Feinstaub- und Ozonbelastung!). Also vorsichtshalber lieber auch auf die Atmung so weit als möglich verzichten..! 😛

    gedankenknick

    7. September 2013 at 08:27

  6. Ja ja,,,das mit den Legionellen ist auch so ne Sache. so leicht wird man diese kleinen Biester auch nicht los. Ich erinnere mich noch dran, wie ich mit 14 mit meinen Eltern im Urlaub war und ich dann mit 40 Grad Fieber wieder nach Hause kam. Ich war über eine Woche im Krankenhaus dank unserer kleinen Freunde. Die Klimaanlage im Hotel war antscheinend schuld.

    Steffi

    7. September 2013 at 16:21

  7. Aber Medizynicus, das Bier ist doch angeblich clean. Es wird ja fast gekocht und außerdem wird man nur Legionellenkrank wenn man die einatmet, nicht wenn man sie trinkt.

    Ich habe ja Kontakte dort (übrigens ist Warstein HART an der Grenze zum Sauerland, so richtig wollen die Sauerländer das nicht mehr dabei haben). Die Kontakte sind ehrlich erstaunt darüber, dass die Warsteiner Brauerei bislang aus SÄMTLICHEN Pressemeldungen herausgehalten wurden. Das einzige was vorher herauskam war, dass die Montgolfiade abgesagt wurde, ansonsten keine Berichterstattung. Angeblich hat die Brauerei betriebsinterne Proben in einem selbst ausgewählten Labor negativ testen lassen. Als nun ein staatliches Labor die Abwässer testete, wurde plötzlich eine Belastung festgestellt. Na so was. Ein Schelm, wer böses denkt.

    Blogolade

    14. September 2013 at 08:39


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