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Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

Also, so ist das mit den Zecken… (der ultimative Ratgeber)

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Zeckenbisse sind häufig – gefährliche Erkrankungen nach Zeckenbissen sind selten.
Daher ist nach einem Zeckenbiss als erste und wichtigste Regel: DONT PANIC!
Erste und wichtigste therapeutische Maßnahme ist es, das Vieh zu entfernen. Und zwar tunlichst so schnell wie möglich.
Allerdings kommt es da nicht unbedingt auf Sekunden an, daher bleibt noch etwas Zeit, ein paar Dinge zu erklären:
Es gibt (unter Anderem) zwei gefährliche Erkrankungen, welche von Zecken übertragen werden können, nämlich die FSME und die Borreliose.
Die FSME ist sehr, sehr selten, aber gefährlich.
Sie kann, wenn einmal ausgebrochen, nur symptomatisch behandelt werden, aber auch das zum Glück meistens erfolgreich.
FSME ist eine durch Viren hervorgerufene Hirnhautentzündung. Symptome sind: hohes Fieber, Bewusstseinseintrübung, anhatendem Erbrechen, anhaltender Nackensteife (kann den Hals nicht mehr drehen und nicht mehr mit dem Kinn die Brust berühren!) und Licht-Scheu (Photophobie: normales Tageslicht tut in den Augen richtig übel weh!).
Falls so etwas auftritt, bitte sofort ins Krankenhaus, per Notarzt oder ggf. wenn vorhanden kinderärztlichem Notdienst!
Jedes Jahr erkranken in Deutschland etwa zwischen zwei- und fünfhundert Menschen.
Davon sterben ein bis zwei Prozent.
Die zweite Sache ist die Borreliose.
Borreliose ist deutlich häufiger. Die Symptome können sehr vielgestaltig sein und sind grundsätzlich weniger akut.
Die Borreliose wird durch Bakterien übertragen und zwar erst dann, wenn die Zecke mindestens 12 Stunden lang gesaugt hat. Symptome beginnen mit meist mit einer charakteristischen flächigen Hautrötung um die Bissstelle herum, allerfrühestens zwei Tage nach dem Biss (meist später). Eine Hautröung unmittelbar an der Einstichsstelle, juckend, geschwollen, wie ein dicker Mückenstich ist übrigens normal und kein Anzeichen für Borreliose. Trotzdem gilt: Bei verdächtigen Hautveränderungen nach Zeckenbiss lieber eher doch zum Arzt gehen – ein ganz normaler Arzttermin reicht dazu aber aus, es ist kein Notfall!
Borreliose kann mit Antibiotika behandelt werden.

Grundsätzlich gilt: in jedem Fall die Zecke möglichst schnell entfernen!

Das muss nicht unbedingt ein Arzt tun, das kann man auch selbst machen: mit einer möglichst kleinen, dünnen Pinzette die Zecke möglichst nah an der Haut anpacken und mit einem beherzten Ruck rausziehen, nach Möglichkeit im Ganzen und nach Möglichkeit ohne das Tier zu quetschen.
Das ist alles. Eine besondere Technik gibt es nicht. Ob rechts oder linksherum spielt keine Rolle.

p.s.: Dies allgemeine Information kann und darf natürlich in keinem Fall die persönliche Beratung durch Arzt oder Apotheker ersetzen!

Written by medizynicus

14. Juli 2009 um 11:13

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14 Antworten

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  1. Zum Thema „Ob rechts oder linksherum spielt keine Rolle“ dieser Hinweis: Zecken haben kein Gewinde, deshalb dreht man sie *weder* linksherum *noch* rechtsherum, sondern man zieht sie einfach heraus, ohne zu drehen.

    Martin

    14. Juli 2009 at 11:38

  2. Danke für den Hinweis! Genau das meinte ich ja – es hält sich hartnäckig noch ein Mythos, man müsse die Zecke je nach Lesart entweder rechts- oder linksherum „herausdrehen“.

    medizynicus

    14. Juli 2009 at 11:41

  3. Bei dem Satz „DON’T PANIC“ sah ich vor meinem inneren Auge das ultimative Zecken-Entfern-Gimmick für den Geek von heute:
    Eine Zeckenkarte, schwarz, mit eben dieser Aufschrift in rot (Anhalter-Style, ihr wisst, was ich meine).
    Am besten noch mit USB-Anschluss *gg*

    Benedicta

    14. Juli 2009 at 11:54

  4. Au, kleiner Fehler: das mit den 12 Stunden saugen für eine Borreliose Erkrankung gilt für Amerika (ich weiss jetzt nicht mehr ob wegen den Zecken oder der Borreliose) … aber nicht bei unseren. Da reicht schon eine halbe Stunde.

    Pharmama

    14. Juli 2009 at 14:04

  5. Woher hast du denn die Info „halbe Stunde“?
    Beim RKI steht nur „Infektionsrisiko nimmt mit steigender Saugdauer deutlich zu“ (kein Zeitfenster), Wikipedia (ok, keine medizinische Quelle) schreibt 8-12 Stunden.
    Die Borreliose-Initiative Berlin schreibt von 6-8 Stunden.

    Benedicta

    14. Juli 2009 at 14:19

  6. Hallo, danke für den Hinweis. Hättest Du dazu eine Quelle? Wäre sehr interessant, da die „eminenzbasierte“ Meinung meiner Kollegen auch ist, dass es zumindest „mehrere Stunden“ sein müssten. Meine Lehrbücher und Internetrecherchen haben eigentlich auch ähnliches herausgefunden wie Benedicta. Obwohl es eigentlich für das Management keinen großen Unterschied macht:
    1.) sobald man eine Zecke entdeckt, gehört sie raus – mit simplem, beherzten Griff zur Pinzette, und nicht erst warten bis man beim Arzt ist.
    2.) Notfallmäßig zum Arzt oder ins Krankenhaus dann, wenn Meningitis-Symptome auftreten, was aber erst eine Weile nach dem Biss der Fall sein wird
    3.) Ansonsten „routinemäßig“ zum Arzt, wenn Erythema migrans auftritt

    medizynicus

    14. Juli 2009 at 14:38

  7. Jau, im Internetz finde ich jetzt auch nichts, die Info hab ich aber von der letzten Weiterbildung über Zecken vor ein paar Monaten. Sicher stimmt, dass die Borreliose-Gefahr mit Dauer des Saugens zunimmt und dass sie in Amerika wesentlich länger brauchen zur Übertragung als bei uns. Im Internet habe ich erst einen Kommentar von so einem Professor, dass die Übertragung wohl wesentlich schneller geschieht, als bisher gedacht.

    Klicke, um auf Zusammenfassung%20Vortrag%20Fritzsche.pdf zuzugreifen

    S. 5 unten:
    „Frage: Es wird immer erklärt, dass es für die Übertragung von Borrelien 24 Std. Saugdauer
    braucht. Heute haben wir von Beispielen gehört, wo die Übertragung in wesentlich kürzeren
    Zeiträumen stattgefunden hat. Wie ist das zu erklären?

    Antwort (Prof. Sievers):
    Es gibt verschiedene Publikationen zu dem Thema. Man kann da sicher nichts Generelles sagen.
    Die Borrelien sind mit ihrem Oberflächenprotein OspA am TROSPA-Rezeptor im Darm der Zecken
    gebunden. Die Übertragungsdauer ist sicherlich abhängig, ob im Darm der Zecken schon Blut ist.
    Vermutlich geht es viel schneller, als herkömmlich gedacht wird. Ein rechtzeitiges Entfernen der
    Zecke schützt vor einer Infektion mit Borrelien; jedoch nicht vor FSME. “
    Mehr habe ich bis jetzt noch nicht gefunden, sorry.

    Pharmama

    14. Juli 2009 at 17:29

  8. zeckenstich, nicht biss.
    aber *die* diskussion ist auch schon so alt, wie es zecken gibt.
    wenn ich nochmal was werde, dann zeckenentfernungsinstrumentenerfinder – zeck-ektomie-besteck.
    was da jährlich neu auf den markt kommt. unglaublich.
    btw – ich kenn auch die 12-stunden-marke. belassen wir es lieber dabei, sonst muss man nachts soviele von den viechern entfernen. ;-PP

    kinderdok

    14. Juli 2009 at 17:53

  9. Einweisung wirklich per *Notarzt*, also Anforderung des Rettungsdienstes, Blaulicht und großer Bahnhof wegen akuter Lebensgefahr? Vermutlich ist doch eher der ärztliche Bereitschaftsdienst, manchmal auch noch „Notfalldienst“ genannt, gemeint … mehr als ein Akutfall (kein Notfall!) kann das doch eigentlich nicht sein.

    -thh

    14. Juli 2009 at 18:41

  10. Und was sagt ihr als Fachleute zur Impfung?
    Fahre im September ins Kleinwalsertal (Österreich) zum Wandern. Impfen ja/nein?
    Kann ich das „Risiko“ eingehen, ohne Impfung durch die Berge zu kraxeln?

    The Curious Crab

    14. Juli 2009 at 20:18

  11. „Zeckenbisse sind häufig – gefährliche Erkrankungen nach Zeckenbissen sind selten.“

    Gefährlich, so etwas zu behaupten. Über Jahre irren zigtausende Menschen von Arzt zu Ärztin, landen in Krankenhäusern, weil weder sie noch die Ärzteschaft aufgrund der riesigen Symptomatik diese Krankheit erkennen und immer noch nicht genügend über diese gefährliche Krankheit aufgeklärt sind. Wer interessiert ist, gebe bitte borreliose-forum.de ein. Dort gibt es viele Infos.

    Der BfBD gab dieser Tage folgendes bekannt:

    Die Patientenorganisation Borreliose und FSME Bund Deutschland (BFBD) haben den Vorwurf erhoben, die Gefahr durch Borreliose, die durch Zecken übertragen wird, werde in Deutschland unterschätzt. Es sei bundesweit von 250.000 Neuinfektionen pro Jahr auszugehen, sagte BFBD-Geschäftsführerin Ute Fischer den Dortmunder „Ruhr Nachrichten“. Die vom Robert-Koch-Institut genannte Zahl von rund 70.000 Erkrankungen jährlich sei „völlig veraltet“.

    annakoeln

    14. Juli 2009 at 22:16

  12. Ich kann Dir da nicht zustimmen. Leider führt Ihr für Eure Vermutungen keine hinreichend belegten Zahlen an. Ich möchte aber auch darum bitten, diese Thema nicht hier, sondern auf Eurer eigenen Webseite auszudiskutieren.

    medizynicus

    15. Juli 2009 at 11:30

  13. Ich halte die Zahl der FSME-Todesopfer für deutlich zu hoch geschätzt. Ich meine, von im Schnitt rund einem Todesfall pro Jahr in Deutschland gelesen zu haben, finde aber die Quelle auf die Schnelle nicht.

    hockeystick

    16. Juli 2009 at 18:27

  14. Das absolute „Zecken entfernen für Noobs Tool“ ist wohl die oTom Zeckenzange. Damit soll wohl auch der letzte Grobmotoriker die Tierchen in einem Stück rausbekommen.

    Denis

    17. Juli 2009 at 11:13


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