Medizynicus Arzt Blog

Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

Können Handys Arztbesuche ersetzen?

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Wieder einmal Zukunftsmusik:
Praktische kleine Maschinchen sollen in nächster Zukunft Puls, Blutdruck und sogar EKG’s messen und die Daten dann via Blootooth und Handy-App automatisch zur Arztpraxis, zum Krankenhaus oder sonstwohin funken. Auf gleichem Wege sollen Diabetiker ihre Blutzuckerwerte über den Äther schicken. Damit will man diesen chronisch kranken Menschen den einen oder anderen Besuch ersparen.
Langfristig wären sogar Fernsprechstunden möglich und sogar die stationäre Nachsorgezeit in Krankenhäusern kann verkürzt werden.
So heißt es in einer Pressemitteilung des Hightech-Bundesverbandes BITKOM.
Feine Sache, nicht?
Und ich sehe sie schon jammern, die Damen und Herren Kollegen: Wie kann man nur so etwas essentiell wichtiges wie die persönliche Zuwendung Arztbesuch durch seelenlose Technik ersetzen? Ist nicht der regelmäßige Arztbesuch für viele ältere Menschen der einzige Sozialkontakt? Und überhaupt: Ist die Technik nicht viel, viel zu fehleranfällig?
Und doch habe ich das dumpfe Gefühl, dass wir uns daran gewöhnen werden…
…müssen?

Written by medizynicus

29. Januar 2011 um 05:39

Veröffentlicht in Gehört und gelesen

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13 Antworten

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  1. müssen…

    Daniel

    29. Januar 2011 at 05:54

  2. Klar. Sobald ein iDoctor von Apple rauskommt, werden wir alle diesen kaufen. Man könnte es dann mit iPod, MacBook, iPad synchronisieren, neue Apps runterladen und eigenen Blutdruck stündlich in tweeter posten:) Mit dem echtem Arzt geht doch sowas nicht…ich spreche gar nicht von dem schickem Design : D

    Igor

    29. Januar 2011 at 08:51

  3. Nur blöd, dass mir der Blutzucker beim Diabetiker nichts darüber sagt, wie gut er „eingestellt“ ist.
    Besser wäre hier der HbA1c.
    Da wird vor dem Arztbesuch gern der Blutzucker schnell korrigiert, oder beim Hypertoniker die Tabelette erst vor dem Arztbesuch genommen.

    Wie will man also überprüfen, ob die Werte nicht geschönt sind?
    Also nur sinnvoll für Patienten mit guter Compliance.

    Sebastian

    29. Januar 2011 at 09:55

  4. Grundsätzlich finde ich es schon gut, wenn man vieles alleine erledigen kann und nicht mehr ständig auf den Arzt angewiesen ist, aber das erfordert natürlich auch einiges an Eigenverantwortung.
    Meine Tochter hat PKU, anfangs mussten wir jede Woche zum Blutabnehmen. Das nervte.
    Mittlerweile nehmen wir selber Blut ab und schicken es ans Krankenhaus. Das entspannt den Alltag ungemein.

    Anise

    29. Januar 2011 at 11:06

  5. All diese Dinge werden den Bedarf an Ärzten steigern. Dass ist wie mit der Selbstdiagnose via Google: meist macht sie den Arztbesuch erst nötig. Mit IDoctor oder sonstwas wird dann evtl. der physische Besuch eingespart, dafür steigt die Zahl der Arztkontakte (online, telefonisch) natürlich rapide an.

    klabauterdoc

    29. Januar 2011 at 11:47

  6. Ich will ja nicht alle in eine Schublade stecken, aber noch dazu kommt, dass die meissten älteren Menschen die ich kenne schon gar nicht mehr mitkommen mit Computern, Handys etc… dass es auch anders geht weiss ich natürlich auch. Aber gerade diese soziale Komponente eines Arztbesuches… da hast du vollkommen recht, lieber Medizynicus, das würde den älteren Menschen fehlen. Aber hindert es sie daran, trotzdem zu kommen? Dann hat Oma Brömmelkamp eben jetzt auch noch hier ein Zipperlein und da ein bisschen was usw… Vielleicht machen sich die Alten dann kranker als sie sind? Wer weiss?

    souly

    29. Januar 2011 at 18:41

  7. gewöhnen _werden_?
    von Viertel auf 0? Eines der Hauptprobleme ist doch jetzt schon, daß der Patient das Gefühl hat, nicht angehört zu werden und mit seinen Ängsten nicht durchzukommen.
    Für mich klang das jetzt gerade nach Gejammer, dass von einer optimalen Kommunikation auf Nichts hinuntergefahren werden solle.

    Morgaine

    29. Januar 2011 at 19:00

  8. Also ich muss ja mal ganz ehrlich sagen, dass ich das super fände. Vielleicht ist das nicht für jeden Patienten geeignet oder nutzbar (besonders für ältere Leute), aber für jüngere Leute mit chronischen Krankheiten ermöglicht das einen wesentlich weniger eingeschränkten Alltag.
    Ich selbst muss auch mindestens alle 14 Tage, manchmal jede Woche zur Blutabnahme und verbringe nicht selten mehr als eine Stunde im Wartezimmer. Die Zeit könnte ich wirklich wesentlich besser nutzen. Es Selbst abzunehmen wäre zwar kein Problem, geht aber aus technischen gründen nicht.
    Ich finde die Idee also sehr gut.

    Der Arztkontakt beschränkt sich dann eben nur auf das Nötigste.

    Serena

    29. Januar 2011 at 19:21

  9. Wäre doch eine gute Möglichkeit. Solange man den Arzt auch weiterhin, wie schon annodazumal per pedes besuchen kann, und sich so Oma Gertrud nicht von jeglicher Versorgung abgeschnitten sieht, da sie keinen Computer hat.
    Für die erwähnten chronisch kranken, die oft hinmüssen, Leute mit einem straffen Zeitplan u.ä. wäre das eine enorme Erleichterung. Also voll dafür.
    Und: Wenn es mehr Möglichkeiten gäbe, bsp. einen (zertifiziert) echten Arzt anonym online zu etwas kurz zu befragen, würde es vermutlich weniger google-im-internet-stand-ich-hab-eine-schlimme-krankheit-hypochonder geben.

    docadenz

    29. Januar 2011 at 22:12

  10. Einerseits: Bitkom hat sich ja schon mit der elektronischen Versichertenkarten und der dahinter stehenden Serverarchitektur (ich sage nur: „zentrale Stützkonserve“) einen Namen gemacht. Keinen guten.
    Andererseits, Telemedizin ist schon da, siehe z.B. Augenheilkunde in Schottland.

    chammann

    30. Januar 2011 at 02:11

  11. Ich glaube eher dass es eine Art Kontrolleinheit wird.
    Hypertone Pat. Diabetiker etc. messen weiterhin regelmäßig ihre Werte, die Geräte bleiben die selben und werden mit einer WLAN funktion ausgestattet, die pathologische Werte an ein Rechenzentrum schicken, dahinter wird eine Heerschar von Ärzten sitzen, die die Fälle, nach Dringlichkeit (die der PC übrigens von selber berechnet) bearbeiten und ggf. eben anrufen o.ä. und sie zu ihrem Hausarzt schicken oder Behandlungen aus der Ferne vornehmen.

    Die Gerätschaften werden eh immer kleiner und Benutzerfreundlicher.

    Ich glaube es gibt keinen Grund warum man nicht Diabetikern Venenpunktionen zur minimalen Blutentnahme beibringen sollen könnte.
    Ausser eben die damit verbundene Entmachtung des Pflegepersonals und der Ärzten.

    Denn sind wir mal ehrlich: Aufs Blutabnehmen freuen sich wirklich die wenigsten aber wer das kann muss ja schon enorm wichtig sein und dieser psychologische Aspekt würde dann wohl verloren gehen.

    Tobi

    30. Januar 2011 at 20:56

  12. Lest doch mal den vorhergehenden Artikel…

    Ob ein Medikament oder eine Behandlung tatsächlich „selbst“ wirkt, oder ob es der Placebo-Effekt ist, darüber kann man streiten.
    Aber statistischer Fakt ist, dass damit Leuten geholfen werden kann.
    Und das wurde mit der selben, statistischen Mathematik herausgefunden, wie benutzt wird um auszurechnen, wie viel Kosten man sparen kann, wenn mein Handy meine Blutzuckerwerte ins Internet posaunt.

    Vielleicht braucht es aber den sozialen Kontakt zwischen Diabetes-Patient und Arzt einfach?
    Der Placebo-Effekt ist keine Einbahnstrasse (Schluck etwas wirkstoffloses und es geht dir besser). Er hat zwei Fahrbahnen (Lass etwas wirksoffloses weg, und es geht dir schlechter!!!)

    lorem42

    31. Januar 2011 at 07:48

  13. Grunsätzlich hab ich da gar nix dagegen. In vielen Ländern der Dritten Welt ist es völlig abwegig, dass da der Doktor Blutdruck oder Zucker misst, oder Spritzen gibt und Verbände macht: das tut der Patient schön selbst (oder lässt sich von Familienangehörigen oder ambulanten Schwestern helfen). Mit dem Ergebnis geht er dann zum Arzt, und der berät ihn, wie er weiter verfahren soll!

    Aber in Deutschland ist der Patient (glaubt er zumindest) ja nicht für sich selbst verantwortlich. Das ist die Medizin und der Doktor!

    Kommt ein Patient zum Orthopäden. Der schaut ihn an, von links, von rechts, macht ne Röntgenaufnahme und meint dann: „also ich finde nichts krankhaftes, aber Ihre Füsse könnten sie schon mal wieder waschen“. Darauf der Patient „Das hat mein Hausarzt auch schon gemeint, aber ich wollte doch erst nochmal die Meinung eines Experten einholen“.

    der Landarsch

    31. Januar 2011 at 09:49


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