Medizynicus Arzt Blog

Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

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Mal im ernst: Weshalb man sich beim Arzt ausziehen muss…

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Meist zu Anfang des fünften Semesters – also im dritten Studienjahr – beginnt für den Medizinstudenten der Ernst des Lebens. Nach viel Theorie wird man nun zum ersten Mal auf Patienten losgelassen und lernt, wie man einen Menschen richtig untersucht.
Mit Stethoskop, Taschenlampe und Reflexhammer ausgerüstet will man sich ein Bild über den Patienten machen. Die Untersuchungstechniken sind teilweise Jahrhunderte alt und – und werden, in modifizierter Form immer noch genau so angewandt. Manches davon wirkt ein wenig wie ein Ritual (zum Beispiel das berühmte Zunge herausstrecken und „A-Sagen“). In vielen Ländern wird auch im Abschlussexamen das Beherrschen dieser Techniken überpfüft: Der angehende Arzt muss unter Beobachtung einen Patienten untersuchen.
Das A und O ist die Sorgfalt – und die Übung. Gerade am Anfang ist es wichtig, dass man sich an ein festes Schema hält, um nichts zu übersehen.
Dazu gehört, daß man den Patienten vollständig untersucht.
Ich kenne Chefs „der Alten Schule“ welche darauf bestanden, daß jeder, grundsätzlich jeder Patient im Krankenhaus bei der Aufnahmeuntersuchung auch „rektal“ untersucht wird, also Finger in den Hintern um im Enddarm nach Hämorrhoiden oder Tumoren zu suchen.
Das ist nicht schön.
Aber auf diese Weise habe ich einmal bei einer Patientin einen bislang unbekannten Darmtumor entdeckt. Der Dame hat es nichts genutzt – sie ist trotzdem verstorben. Aber hätte ein Kollege vielleicht ein paar Jahre zuvor ein anderer Kollege daran gedacht und den Widerwillen der Patientin – und seinen eigenen Widerwillen überwunden, dann wäre die Patientin vielleicht noch am Leben.
Und was die Brustuntersuchung angeht:
Ich habe schon einige – nicht viele, aber immerhin mehrere – junge Frauen – noch keine dreißig Jahre alt – an Brustkrebs sterben sehen.

Written by medizynicus

28. Juni 2009 at 07:00

Ausziehen beim Arzt… Mythos und Wirklichkeit

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Also, diese eine Sache möchte ich gerne ein für alle Male klarstellen: Wir Ärzte geilen uns nicht daran auf, unsere Patientinnen anzuglotzen. Das haben wir nämlich gar nicht nötig. Zumindest die Meisten von uns nicht. Also:
Wenn wir eine Patientin untersuchen – egal ob atemberaubend schöne junge Frau oder altes Großmütterchen, dann sind gewisse Teile unseres Hirns routinemäßig abgeschaltet. Anders würde es gar nicht gehen. Wir Ärzte leben davon, daß ihr Patienten und Patientinnen Vertrauen zu uns habt. Gewisse Dinge sind uns übrugens genauso unangenehm wie Euch. Und dann gibt es noch Dinge, die Euch unangenehm sind, über die wir aber mit einer gewissen professionellen Nonchanance hinweggehen: Dinge, vor denen Ihr Euch vielleicht ekelt: Körperausscheidungen aller Art, verdreckte und infizierte Wunden, Blut in jeder Form und schrecklich zugerichtete menschliche Körper, die Details erspare ich Euch hier. Auch damit haben wir gelernt, zu leben, weil wir nämlich, wie schon erwähnt, gewisse Teile unseres Hirns manchmal routinemässig ausschalten. Und trotzdem sind wir Menschen geblieben.
Jedenfalls die meisten von uns.

Written by medizynicus

27. Juni 2009 at 10:24

„So, dann machen Sie sich schon mal frei…“ – über das Ausziehen beim Arzt

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„…So, und dann machen Sie sich mal frei…“
Der Satz gehört zu den Standardfloskeln, mit denen man beim Arzt- oder Krankenhausbesuch rechnet.
Ein Arzt muss, wenn er seinen Job anständig machen will, den Patienten untersuchen. Nicht unbedingt immer, aber halt imme wieder mal.
Nun liegt es in der Natur der meisten Menschen, daß man sich nicht gerne auszieht im Beisein eines fremden Menschen – von bestimmten Berufsgruppen einmal ausgenommen, auf die ich aber hier nicht näher eingehen will.
Die Frage ist also: Wie frei muss und sollte man sich eigentlich machen? Wo liegt die Grenze? Muss man als Frau den BH ausziehen?
Das kommt natürlich auf die Krankheit – oder vielmehr auf den Untersuchungsanlass an.
Wenn es um Husten, Bronchitis oder Asthma geht, dann möchte ich natürlich die Lunge abhören.
„Dazu braucht man sich doch nicht auszuziehen!“ meinte ein Kollege, „Gerade bei etwas tüddeligen älteren Damen… die sollen ihre Bluse von mir aus an behalten…“ meinte ein Kollege.
Das Problem ist: Durch eine Bluse oder im Winter womöglich noch verschiedene Schichten Kleidung kann man mit dem Stethoskop nicht viel hören. Dann kann man die Untersuchung auch gleich sein lassen.
„Bei mir muss sich jeder Patient ausziehen!“ sagte ein anderer Kollege, „…und dazu gehört auch, daß jede Frau den BH ablegt. Kann bei jungen Frauen ja auch ein ganz hübscher Anblick sein…“
Nun ja, dieser Kollege sollte sich sehr genau überlegen, ob er sein Vorgehen medizinisch rechtfertigen kann. Und er kann von Glück sagen, dass ihn noch niemand angezeigt hat.
Der Kollege wurde ein wenig rot.
„…immer wieder kommt es vor, dass Frauen an Brustkrebs sterben, weil sie sich nie getraut hat, ihre Brust untersuchen zu lassen!“ fügte er schnell hinzu.
Womit er allerdings Recht hat.

Written by medizynicus

26. Juni 2009 at 07:30