Medizynicus Arzt Blog

Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

Alkoholiker gibts nicht. Nicht beim Arzt und nicht im Krankenhaus.

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Visite. Zwei Ärzte stehen vorm Krankenbett, über die Akte gebeugt und unterhalten sich halblaut.
Nuschelnuschelnuschel.
Der Patient bemüht sich, etwas zu verstehen.
„Hä?“
„Kurzen Moment noch!“
„Könnt Ihr mir vielleicht sagen, was mit mir los ist?“
„Gleich. Sofort.2
Und es wird weitergenuschelt.
Der Patient spitzt seine Ohren und kann ein paar Worte auffangen:
Von „Zeh-Zwo“ ist da die Rede oder von „Zeh-Zwo-Abusus“, und dann von „alimentär bedingter Gastritis“ und „äthyltoxischen Leberveränderungen“.
Manche Dinge sind halt kompliziert, denkt der Patient, die Ärzte haben ja schließlich studiert.
Der Patient weiß nicht, daß „Zeh-Zwo“ die Kurzform für „ZehZwoHaFünfOhHah“ ist, wohinter sich C2H5OH verbirgt, die chemische Formel für Alkohol.
Würde man dieses Wort aussprechen, dann wäre der Patient im Bilde.
Er weiß, daß er ein Problem damit hat. Er weiß, dass er zuviel trinkt und deswegen etwas tun muß.
Aber da redet man ja nicht drüber. Auch nicht im Krankenhaus.
Der eine der beiden Weißkittel blickt auf.
„…und bei der Aufnahme, da bestand erheblicher Foetor…“
„Foetor aethylicus ex Ore?“ fragt der Andere.
Der Kollege nickt.
Foetor bedeutet „Gestank.“
Und „Foetor aethylicus ex Ore“ bedeutet: Der Patient stank aus dem Hals nach Alk.
Aber so etwas sagt man ja nicht.
Dazu ist man zu höflich.
Die beiden Ärzte grinsen den Patienten an.
„So, Herr Maier, wie gehts uns denn heute?“

Written by medizynicus

29. Juni 2009 um 08:24

6 Antworten

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  1. Das erinnert mich irgendwie an folgenden ollen Witz:

    Frau kommt vom Arzt zurück und erzählt ihrem Ehemann:
    „Der Doktor hat gesagt, ich bin ein Hypochonder!
    Da siehste mal, und du sagst immer ich bilde mir alles nur ein.“

    Benedicta

    29. Juni 2009 at 12:07

  2. Und jeder Patient mit Leberzirrhose oder Pankreatitis ist direkt mal Alkoholiker.

    herrpfleger

    29. Juni 2009 at 13:44

  3. @herrpfleger – Nein, natürlich nicht! Darum geht es hier gar nicht. Es geht darum, daß der Patient weiß, dass er Alkoholiker ist und alkoholbedingt Probleme hat. Trotzdem trauen sich die Ärzte – selbst in seinem Beisein nicht – die Sache offen anzusprechen, sondern verklausulieren es in ihrer Geheimsprache deren einziges Ziel ist, daß man sich in Gegenwart des Patienten über ihn unterhalten kann ohne dass er es versteht. Genausogut könnte man japanisch sprechen, oder Kisuaheli.

    medizynicus

    29. Juni 2009 at 14:19

  4. gerade war ein Patient da, den ich wegen Anämie ins KH geschickt hatte; bek. Leberzirrhose und Ösophagusvarizen (Grund für Blutung).

    Er hat sich bittbös beschwert, dass ihn im KH alle als Schluckspecht angesehen haben. Dabei hatte er seine Zirrhose von einer Transfusions-Hepatitis!

    der Landarsch

    29. Juni 2009 at 15:22

  5. alimentär bedingter Gastritis…
    *brüller*

    kinderdok

    30. Juni 2009 at 09:44

  6. Wir sollten ja eigentlich mal die schönsten (oder grausamsten) Euphemismen sammeln…

    medizynicus

    30. Juni 2009 at 10:25


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