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Krankenhausalltag in der Provinz: Medizin und Satire, Ethik und Gesundheitspolitik

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Infusionen und Routine

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Blick auf die Uhr. Eigentlich schon zwei Minuten nach Feierabend, aber unten in der Notaufnahme warten noch zwei Patienten. Okay, einen für Sarah, einen für mich, mit etwas Glück sind wir in einer halben Stunde fertig, dann kann ich Sarah ja vielleicht davon überzeugen, noch mit zu kommen zu Gepetto auf einen dreifachen Espresso oder eine Latte Macchiato oder einen Eisbecher Coppa Amore… egal. Aber erst die Arbeit!
Blick in die Akte und dann ran an den Patient. Fester Händedruck, dabei schonmal die Venen des Unterarmes scannen. Einmal mit dem Stethoskop über Herz und Lunge, einmal auf den Bauch langen, ein paar dumme Fragen stellen, dann alles sorgfältig aufschreiben, vor allem die Medikamentenliste, wenn’s geht natürlich nach Möglichkeit leserlich.
„Hast Du schon Blut abgenommen?“ fragt Schwester Anna.
Nee, noch nicht, aber mach ich sofort.
„Kannst ihm ja gleich eine Braunüle legen!“ sagt Schwester Anna.
Natürlich, machen wir doch immer so.
„Bring mir mal ’ne fünfhunderter Nah-Zel!“ rufe ich ihr noch nach, „dann häng ich ihm sofort etwas an!“
Anna nickt. Na, das klappt ja wie am Schnürchen. Vielleicht bin ich ja schon in einer Viertelstunde an der Sonne. Wenn Sarah bloß nicht so trödeln würde!
„Jetzt gibt’s mal ’nen kleinen Pieks!“ sage ich zum Patienten, greife seine Hand, lege die Staubinde an und steche zu. Wunderbar, er hat prima Venen!
Trotzdem beäugt er mich argwöhnisch.
Ein dünner Blutstrahl zischt in die Röhrchen. Jetzt abklemmen, Pflaster drauf und die vorbereitete Infusionslösung anhängen.
Patient runzelt die Stirn.
„Was ist denn da drin?“
„Äh… wodrinn?“
„Da in der Flasche!“
„Ach, Sie meinen die Infusion? Nee, nur Wasser, ich meine natürlich physiologische Kochsalzlösung!“
„Und wozu brauche ich das?“
Ja, wozu eigentlich?
„Äh… ja, so’n bißchen Flüssigkeit, jetzt im Sommer, wo es draußen so heiß ist…“
Jeder kriegt bei uns in der Notaufnahme eine Infusion angehängt. Das ist einfach so. Pure Routine. Egal ob es draußen dreißig Grad im Schatten sind oder Hagel und Schneesturm.
„Aber ich kann doch trinken!“
„Ja… äh… es geht nur darum, dass wir ja vielleicht einen venösen Zugang brauchen, wenn wir Ihnen Medikamente geben müssen…“
„Was für Medikamente kriege ich denn?“
Woher soll ich das denn wissen? Im Moment noch gar nichts!
„Das hängt davon ab, was bei den Untersuchungen herauskommt…“
„Ich will aber keine Infusion, wenn sie nicht notwendig ist!“
Und ich will keine Diskussion. Ich will jetzt an die Sonne. Zu Gepetto, zu Sarah und zu Coppa Amore.

Written by medizynicus

28. Juni 2011 at 07:11

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Mittagessen ist nicht

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Gerade habe ich zum zweiten Mal die Gabel in den Haufen mit Spaghetti Bolognese gesteckt und will sie zum Mund führen, da macht sich mein kleiner Quälgeist bemerkbar.
Die Notaufnahme ist dran.
„Was habt Ihr?“
„Neunundsechzig Jahre, männlich mit Atemnot…“
„Okay, ich komm gleich.“
Ich stecke noch eine Gabel Spaghetti in den Mund.
„Notarzt ist auch da!“
Noch eine Gabel, dann schiebe ich den Teller weg. Das war’s dann wohl!
„Und die Herzfreqzenz liegt momentan bei knapp vierzig, tendenz fallend….“
Das war das Stichwort. Keine Zeit mehr, das Tablett zurückzubringen, wehendem Kittel sprinte ich im Laufschritt in die Notaufnahme.
Da keucht mir Herr Cimbulski entgegen.
„Tach, Herr Doktor!“ japst er unter seiner Sauerstoffmaske hervor.
Herr Cimbulski ist ein alter Bekannter, erst vor drei Wochen hatte er zuletzt in unserem Haus seine Aufwartung gemacht. Neunundsechzig Jahre, geschätzte hundertzwanzig Pack Years und ein Body Mass Index von geschätzten knapp vierzig. Und blitzeblau im Gesicht.
Der Notarzt erzählt mir, was Sache ist: Heute früh um sieben plötzlich Atmenot, Herzrasen und linksseitige Thoraxschmerzen. Anruf beim Hausarzt, der auch prompt vorbei kam und eine Tablette verabreichte.
„Eine Tablette?“
Ich bin skeptisch. Normalerweise geben Hausärzte doch immer Spritzen?
Herr Cimbulski wollte natürlich nicht ins Krankenhaus. Also ist er daheim geblieben. Das Herzrasen war nach der Tablette zwar weg, aber dafür wurde sein Puls immer langsamer und jetzt ist er bei fünfunddreißig.
„Ich würde mal sagen….“
„Intensivstation!“ entscheidet Schwester Gaby.
Notarzt nickt und seine rotgewandeten Helferlein rollen die Trage mit dem Patienten in Richtung Aufzug.
Eigentlich könnte ich jetzt nochmal in die Kantine zurück… aber die Nudeln haben eh nicht geschmeckt.

Written by medizynicus

21. März 2011 at 07:38

Ich hasse Cyberchonder!

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Was ein Cyberchonder ist? Der Spiegel erklärt es ganz gut: Das sind Leute, welchen zwei Dinge zu eigen sind:
a.) eine gewisse hypochondrische Neigung und
b.) einen Internetanschluss mit Flatrate
In der Praxis geht das dann so:
Mr. Cyberchonder hat Kopfschmerzen, weil er in der letzten Nacht wieder neun Stunden lang Counter Strike gespielt hat. Es kann auch Half Life sein oder ein anderer Ego-Shooter oder von mir aus auch World of Warcraft, jedenfalls hat er neun Stunden lang vor der Glotze gesessen und Terroristen, Aliens oder Monster abgeballert. Und jetzt hat er Kopfschmerzen.
Was kann das wohl sein?
Wozu gibts schließlich Google? Also flix nachgeschaut. Kopfschmerzen… natürlich gibts da die langweiligen Sachen, Spannunngskopfschmerzen zum Beispiel, weil man zu lange vor der Glotze gehockt hat, aber das wollen wir ja nicht lesen.
Aber sieh mal einer an…. Kopfschmerzen können auch von einer Meningigitis oder einer Hirnhautentzündung herkommen… Hirnhautentzündung… Zecken…. Bin ich letztens von einer Zecke gestochen worden? Nee, aber sieh mal dort, dreißig Prozent aller Zeckenstiche verlaufen unbemerkt, also schnell noch vorher die entsprechenden Seiten ausgedruckt und dann nix wie hin ins Krankenhaus, auch wenn es gerade drei Uhr früh ist.

Written by medizynicus

9. Juli 2009 at 14:50

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…und nochmal Raucher-Bashing

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Letzens in der Notaufnahme.
Nachmittags um fünf, so’n Typ mit Blauem Auge und Platzwunde Hinterkopf. Eigentlich zu früh am Tag für sowas, aber er war auch nicht besoffen. Immerhin.
„Also, wie isn‘ das passiert?“ frage ich.
„Vorhin beim Boulettenbräter,“ sagt er.
„Wusste gar nicht, daß man sich da Blaue Augen einfangen kann,“ sage ich.
„Also, das war so…“ fängt er an, „da gibts ja inzwischen einen Nichtraucherbereich…“
„Richtig so,“ sage ich.
„…aber wenn Aschenbecher auf dem Tisch stehen, dann darf man rauchen. Und das habe ich getan. Und dann kommt da so ein Typ und will mir das verbieten!“
„Warum?“
„Er meint, hier sei Nichtraucherbereich. Deutet auf so ein Schild. Aber bei mir aufm Tisch warn Aschenbecher. Also durfte ich rauchen.“
„Was haben Sie getan?“
„Gar nichts. Hab weitergeraucht.“
„Und er?“
„Hat rumgemeckert.“
„Und?“
„Ich hab gar nichts gemacht. Ich bin ein friedlicher Mensch.“
„Aber?“
„Er hat behauptet, ich würde seine Kinder belästigen. Zwei so rotznasige Kröten…“
„Waren Sie nun im Raucher- oder im Nichtraucherbereich?“
„Ich hab doch gesagt, da stand n Aschenbecher aufm Tisch. Ob da irgendwo ein Schild hing weiß ich nicht. Ist auch egal. Ich hab ihm gesagt, was er mich mal kann und mir noch eine angesteckt…“
„Und er?“
„Er hat behauptet, seine Kinder fühlten sich belästigt…“
„Das sagten Sie schon.“
„Und dann hat er mir in die Cola gespuckt. Können Sie sich das vorstellen? Rotzt der Typ mir da einfach so in die Cola. Sowas lass ich mir natürlich nicht bieten! ich steh also auf und ihm eine gelangt. Daraufhin schüttet er mir die Cola ins Gesicht. Naja… irgendwann der kam der Geschäftsführer und schmeisst uns beide raus. Und ich rutsche auf der ausgeschütteten Cola aus und hau mich an der Tischkante an…“
Nein, ich hatte kein Mitleid mit ihm.
Und wenn sich der unbekannte Colaspucker mal bei mir meldet, verleihe ich ihm einen Orden!

Written by medizynicus

11. Juni 2009 at 10:50

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